Europa

Polen und Balten warnen: Wenn Scholz zaudert, schicken wir selbst Truppen in die Ukraine

Am Rande einer hochrangig besetzten Konferenz in Estland haben die Gastgeber die deutschen Vertreter wegen angeblich mangelnder Unterstützung der Ukraine durch Deutschland dramatisch "gewarnt": Estland würde – wie womöglich auch andere Staaten, etwa Polen – eigene Truppen in die Ukraine entsenden und die NATO zu Kriegspartei machen wollen.
Polen und Balten warnen: Wenn Scholz zaudert, schicken wir selbst Truppen in die UkraineQuelle: www.globallookpress.com © Hannes P. Albert/dpa

Je dramatischer die Lage für die Ukraine an der Front wird, desto kriegslüsterner treten auch die baltischen Nachbarn Russlands auf. In diesem Chor will überraschenderweise sogar das kleinste Glied den Ton angeben – nämlich Estland. In April sagte Befehlshaber der estnischen Verteidigungsstreitkräfte General Martin Herem, Estland werde "im Fall eines russischen Überfalls" Russland eine schmerzliche Niederlage bereiten und russische Armee in ihrem eigenen Hinterland "vernichtend" schlagen. Am Sonntag sagte der estnische Präsident Alar Karis, dass Estland alles, "was möglich ist", dafür tut, "um Russland und Putin in die Knie zu zwingen". Nur so könne Russland zu Verhandlungen im Ukraine-Krieg gezwungen werden.

Der Spiegel berichtet nun, dass diese Äußerungen keine bloße Rhetorik, sondern durchaus ernst gemeinte Drohungen sind. So warnten baltische Abgeordnete am Rande der außen- und sicherheitspolitischen Lennart-Meri-Konferenz in der estnischen Hauptstadt Tallinn in der vergangenen Woche die anwesenden Regierungsvertreter aus Berlin vor den Folgen der deutschen Politik – gemeint war vor allem das angebliche "Zaudern" des deutschen Bundeskanzlers bei der Freigabe weiterer Militärhilfen für die Ukraine – etwa von Taurus-Marschflugkörpern. 

Der Spiegel zitiert ihre Argumente folgendermaßen: Gelingt den Russen im Osten der Ukraine ein strategischer Durchbruch, weil der Westen Kiew nur halbherzig hilft, so könnte sich die Lage dramatisch zuspitzen. In einem solchen Fall würden die baltischen Staaten und Polen nicht länger warten, bis russische Truppen an ihren Grenzen aufmarschierten, warnten die baltischen Politiker. Sie würden also selbst Truppen in die Ukraine schicken. Und was das bedeute, sei doch klar: Die NATO würde zur Kriegspartei werden.

Interessanterweise beschreibt Der Spiegel die Debatte in anfeuernder Weise, dass doch die "wichtigsten Mitglieder des Ampelkabinetts" – Habeck, Pistorius, Baerbock und Lindner – dieser Rhetorik durchaus zustimmen würden, und macht die Anmerkung, wer den Krieg durch übertriebene Zurückhaltung eingrenzen wolle, riskiere in Wahrheit, dass er außer Kontrolle gerate.

Die sogenannte sicherheitspolitische XVII. Lennart-Meri-Konferenz fand in Tallinn vom 15. bis zum 17. Mai statt. Seit langem fungiert diese alljährliche Veranstaltung in Tallinn als eine Art Münchner Sicherheitskonferenz im Kleinformat für Nordost-Europa. Auftritte hatten die Premierministerin Estlands Kaja Kallas und weitere Regierungsvertreter aus Estland, aus einer Reihe weiterer Staaten des europäischen Nordens sowie die Leiter führender transatlantischen Thinktanks, darunter Sabine Fischer von der bundesdeutschen Stiftung Politik und Wissenschaft. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Nils Schmid und der Inspekteur der Deutschen Marine Vizeadmiral Jan Christian Kaack waren vertreten. Sollten diese Vertreter als die Überbringer der Nachricht über einen möglichen Alleingang der Balten und Polen fungieren? 

In Russland wurde die Nachricht jedenfalls aufmerksam wahrgenommen – Der Spiegel wurde von nahezu allen großen Medien zitiert. Das brachte vor allem Erstaunen zutage. Ein Experte für die Region, der Kaliningrader Politwissenschaftler und Journalist Alexander Nossowitsch, etwa nannte die Warnung idiotisch: "Wenn mir jemand vor einigen Jahren gesagt hätte, dass ausgerechnet die baltischen Staaten den Artikel 5 [des Washingtoner Nordatlantikpakts der NATO] desavouieren, hätte ich ihn für verrückt gehalten. Inzwischen ist genau das heute der Fall", schrieb er auf seinem Telegram-Kanal.

Mehr zum Thema - "Bittere Wahrheit" von Chodorkowski: In zwei Jahren bleibt der Ukraine nur noch Lwow

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.