Europa

Georgischer Premierminister: USA wollen Regimewechsel, um zweite Front für Kiew aufzumachen

Georgiens Regierung will der verdeckten ausländischen Einflussnahme mithilfe Tausender NGOs ein Ende bereiten. Deshalb befeuert der Westen die gewaltsamen Proteste gegen die demokratisch gewählte Regierung in Tiflis. Laut Georgiens Premierminister will Washington in seinem Land eine zweite Front gegen Russland zu eröffnen.
Georgischer Premierminister: USA wollen Regimewechsel, um zweite Front für Kiew aufzumachenQuelle: AFP © Giorgi ARJEVANIDZE / AFP

Das georgische Parlament hat am Mittwoch in zweiter Lesung über das umstrittene Gesetz "Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme" abgestimmt. Von 150 Abgeordneten stimmten 83 dafür. Damit das Gesetz in Kraft treten kann, ist noch eine dritte Abstimmung nötig, die für Mitte Mai erwartet wird. 

Die Debatte um das Gesetz war erneut von Protesten und Zusammenstößen mit der Polizei geprägt. Mehrere Tausend Menschen strömten am Dienstagabend auf die Straßen der Hauptstadt Tiflis und blockierten den Eingang zum Parlamentsgebäude. Einige von ihnen "erklärten, dass sie den Abgeordneten nicht erlauben würden, das Gebäude zu verlassen". Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.

Am Mittwochabend kam es wieder zu gewalttätigen Protesten, bei denen Demonstranten Barrikaden errichteten und mehrere Straßen im Zentrum von Tiflis blockierten. Die Polizei konnte eine Erstürmung des Parlaments verhindern. Es kam erneut zu Festnahmen.

Befeuert werden die Proteste von westlichen Regierungen, die die von Georgien angestrebte EU-Mitgliedschaft als Druckmittel benutzen. So erklärte Außenministerin Annalena Baerbock, dass Georgiens EU-Kandidatenstatus "eine historische Chance" sei. Sie warnte die georgische Regierung davor, "den Weg in die Zukunft nicht mutwillig zu verbauen". 

Der Gesetzesentwurf gefährde die "euroatlantische Integration" Georgiens, erklärte auch das US-Außenministerium:

"Die Äußerungen und Handlungen der georgischen Regierung sind unvereinbar mit den demokratischen Werten, die der Mitgliedschaft in der EU und der NATO zugrunde liegen, und gefährden Georgiens Weg zur euroatlantischen Integration."

Worum geht es wirklich?

Das in zweiter Lesung verabschiedete Gesetz verlangt von Organisationen und Einzelpersonen, die zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, sich registrieren zu lassen und ihre Geldgeber offenzulegen. 

Ein ähnlicher Gesetzesentwurf war im März 2023 von der Regierungspartei vorgelegt und dann aufgrund der Unruhen in Tiflis auf Eis gelegt worden. In der neuen Fassung wurde der Begriff "Agent mit ausländischem Einfluss" ersetzt durch "eine Organisation, die die Interessen einer ausländischen Macht verfolgt". Der Rest blieb unverändert.

Dass ausgerechnet die USA das Gesetz kritisieren, bewerten viele Menschen in Georgien als heuchlerisch. Denn mit dem "Foreign Agents Registration Act" gibt es in den USA bereits seit 1938 ein ähnliches Gesetz. Dieses nutzte Russland als Vorlage für das 2012 eingeführte "Gesetz über ausländische Agenten", das nun dem georgischen Gesetz als Blaupause dient – weshalb westliche Medien das Gesetz zumeist als "prorussisch" bezeichnen. Allerdings ist die US-Fassung deutlich restriktiver als die russische Version, was die Kritik aus Washington umso unglaubwürdiger erscheinen lässt.   

Tatsächlich befürchtet der Westen die Beschränkung seiner Einflussnahme auf die ehemalige Sowjetrepublik, die darauf abzielt, die Beziehungen des Landes zu Russland nachhaltig zu zerstören. Und wie groß diese Einflussnahme ist, verdeutlichte der Vorsitzende des Ausschusses für Außenbeziehungen des georgischen Parlaments in einem BBC-Interview.

Laut Nikoloz Samkharadze sind 20.000 Nichtregierungsorganisationen in Georgien aktiv, was einer NGO pro 148 Einwohnern entspricht. Davon werden laut Samkharadze 90 Prozent aus dem Ausland finanziert. "Es gibt keine Rechenschaftspflicht, keine Transparenz darüber, woher die Mittel kommen und für welche Zwecke sie ausgegeben werden", so der Parlamentarier.

Kampfansage an Washington 

Die georgische Regierung ist nicht länger bereit, die von Washington orchestrierten Destabilisierungsversuche stillschweigend hinzunehmen, wie Georgiens Premierminister Irakli Kobachidse dem Counselor des US-Außenministeriums, Derek Chollet, unmissverständlich klarmachte. 

Wie Kobachidse in einem X-Post schreibt, habe er gegenüber Chollet "meine aufrichtige Enttäuschung über die beiden Revolutionsversuche von 2020 bis 2023 ausgedrückt, die vom ehemaligen US-Botschafter unterstützt und durch von außen finanzierte NGOs durchgeführt wurden". Sodann kam der Premier auf die möglichen Folgen zu sprechen, hätten sich die Dinge wie von Washington gewünscht ereignet:

"Wären diese Versuche erfolgreich gewesen, wäre die zweite Frontlinie in Georgien eröffnet worden."

Diese Aussage bezieht sich auf Einlassungen von Kobachidses Amtsvorgänger, Irakli Gharibaschwili, der im Sommer letzten Jahres erklärte, dass hochrangige ukrainische Vertreter Georgien dazu gedrängt hätten, eine "zweite Front" gegen Russland zu eröffnen und zu diesem Zweck "orchestrierte, koordinierte und konzertierte Aktionen" gegen die georgische Regierung mithilfe der einheimischen "radikalen" Opposition eingeleitet hätten. 

Wie Kobachidse weiter schreibt, habe er Chollet erklärt, "dass die Falschaussagen der Beamten des US-Außenministeriums über das Transparenzgesetz und die Straßenkundgebungen uns an ähnliche Falschaussagen des ehemaligen US-Botschafters in den Jahren 2020 bis 2023 erinnern, die damals zur Erleichterung der Gewalt durch vom Ausland finanzierte Akteure und zur Unterstützung revolutionärer Prozesse dienten".

Um die Beziehungen zu Washington wieder aufzunehmen, bedürfe es "besonderer Anstrengungen", was "ohne einen fairen und ehrlichen Ansatz unmöglich" sei. Am Schluss seines Posts hält der Premierminister den USA den Spiegel vor, die ja angeblich so besorgt seien um das Demonstrationsrecht in Georgien:

"Ich habe Herrn Chollet gegenüber nicht meine Besorgnis über die brutale Niederschlagung der Protestkundgebung der Studenten in New York City zum Ausdruck gebracht."

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