Putin als neuer Hitler: Polens Außenminister warnt Deutschland vor russischem Angriff
In einem Interview mit der Bild wurde Polens Außenminister Radosław Sikorski seiner Rolle als Scharfmacher im Ukraine-Konflikt erneut gerecht. Darin warnt er insbesondere Deutschland vor einem russischen Angriff auf NATO-Gebiet.
"Die deutschen Politiker scheinen zufrieden zu sein, dass Russland erst in vier bis fünf Jahren bereit sein wird und bis dahin wird Deutschland bereit sein. Aber der Punkt ist, dass Russland, bevor es nach Deutschland kommt, einige andere Länder erreichen muss."
Sikorski meint damit natürlich sein eigenes Land und die baltischen Staaten. Von einem russischen Angriff auf Polen wäre man "überhaupt nicht überrascht", obwohl Russland "dann verlieren [würde], weil wir als Westen weitaus mächtiger sind als Russland", zeigt sich der Minister überzeugt.
Russlands Präsident Wladimir Putin bezeichnete Behauptungen über einen möglichen Angriff auf NATO-Gebiet als "völligen Unsinn". Auch Verteidigungsminister Sergei Schoigu bekräftigte jüngst, dass Russland kein Interesse daran habe, die NATO anzugreifen.
Laut Sikorski, der das Amt bereits von 2007 bis 2014 innehatte und vergangenen Monat die Verbündeten zu einer "asymmetrischen Eskalation" im Konflikt mit Russland aufrief, gebe es aber nur eine Wahl: "Entweder haben wir eine besiegte russische Armee außerhalb der Grenzen der Ukraine oder eine siegreiche russische Armee an der Grenze zu Polen."
Wie schon Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius vor zwei Wochen, vergleicht Sikorski den russischen Präsidenten mit Adolf Hitler: "Und was Putin dann tun würde, ist das, was Hitler mit der Tschechoslowakei gemacht hat, er würde die Industrie und die Menschen in der Ukraine nehmen und sie mobilisieren, um weiterzumachen". Daher sei es besser, "Putin in der Ukraine aufzuhalten, 500 bis 700 Kilometer östlich von hier".
Auf Kriegsfuß mit der Wahrheit
Während die Stimmen im Westen immer lauter werden, die vor einem drohenden Zusammenbruch der ukrainischen Armee und Niederlage Kiews warnen, bemüht sich Sikorski, ein optimistischeres Bild der Lage zu zeichnen ‒ allerdings muss er zu diesem Zweck die Wahrheit gehörig verbiegen.
So habe die Ukraine "im vergangenen Jahr 50 Prozent des zuvor besetzten Territoriums zurückerobert". Doch dabei handelt es sich um reines Wunschdenken. So musste Foreign Affairs feststellen: "Trotz der viel gepriesenen Gegenoffensive der Ukraine hat Russland im Laufe des Jahres 2023 tatsächlich mehr Territorium gewonnen als die Ukraine." Und auch eine Analyse der monatlichen Geländegewinne der New York Times zeigt, dass Russland mehr Territorium erobert hat als die ukrainische Armee.
Und auch die zweite von Sikorski angeführte ukrainische Erfolgsgeschichte ist zweifelhaft: "Was meiner Meinung nach jedoch nicht ausreichend beachtet wurde, ist, dass die Ukraine die Schlacht am Schwarzen Meer tatsächlich gewonnen hat. Putin versuchte, die Ukraine, Europa und Afrika zu erpressen, indem er die Durchfahrt der Schiffe stoppte. Die Ukraine exportiert jetzt fast so viel Getreide wie zuvor über den Bosporus."
Tatsächlich hat die Ukraine der russischen Schwarzmeerflotte schmerzliche Verluste zufügen können. Doch die Annahme, dass Russland nicht in der Lage wäre, vor seiner eigenen Haustüre Frachtschiffe zu versenken, ist absurd. Moskau greift aber keine Getreideschiffe an und lässt sie passieren.
In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Reuters jüngst berichtete, dass ein unter türkischer Vermittlung ausgehandeltes Abkommen über die Sicherheit der Handelsschifffahrt im Schwarzen Meer in "allerletzter Minute" gescheitert sei, weil sich die Ukraine "plötzlich zurückzog".
Laut dem Text, der Reuters vorliegt, habe Ankara Vereinbarungen mit Kiew und Moskau getroffen, um die freie und sichere Schifffahrt im Schwarzen Meer zu gewährleisten. Beide Länder hätten Sicherheitsgarantien abgegeben und sich verpflichtet, nicht-militärische Schiffe nicht anzugreifen, zu beschlagnahmen oder zu durchsuchen. Für Kriegsschiffe oder zivile Schiffe mit militärischer Fracht hätte die Vereinbarung demnach nicht gegolten.
Aufruf zur Eskalation
Näher an der Realität liegt Sikorski mit seiner Einschätzung, dass es keine Anzeichen für eine Bedrohung durch russische Atomwaffen gebe ‒ warum sollte Moskau auch angesichts der Fortschritte auf dem Schlachtfeld den Einsatz einer solchen Massenvernichtungswaffe überhaupt in Erwägung ziehen?
Sikorski macht für seine Einschätzung, dass es nicht zu einem Atomwaffeneinsatz durch die Russen kommt, jedoch vor allem die "starke Abschreckung" seitens der USA verantwortlich: "Ich weiß auch, was in den Zeitungen stand. Dass die Vereinigten Staaten Russland sehr nachdrücklich gesagt haben, dass Amerika seine konventionellen Streitkräfte einsetzen würde, um jedes russische Ziel in den besetzten Gebieten der Ukraine zu zerstören, wenn sie eine Atombombe explodieren lassen würden."
Im Bild-Interview ließ der polnische Außenminister nicht die Gelegenheit aus, dem Bundeskanzler erneut ins Gewissen zu reden. Olaf Scholz müsse seine Meinung bezüglich der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern ändern und sich ein Beispiel an Washington nehmen: "Die Vereinigten Staaten haben Langstreckenraketen an die Ukraine geliefert. Die berühmten ATACMS-Raketen mit einer Reichweite von 300 Kilometern. Und ich hoffe, Ihr Kanzler weiß zu schätzen, dass es eine Reaktion auf die drastische russische Eskalation ist."
Putin reagiere nur "auf Druck" und auf die "härtesten Argumente der rohen Macht". "Wir haben Deutschland davor gewarnt, zum Beispiel bei Nord Stream, und damals hat man uns nicht zugehört."
Dass Sikorski in diesem Zusammenhang Nord Stream erwähnt, lässt sich nur als besonders dreist bezeichnen. Hat er doch unmittelbar nach der Sprengung der Pipelines im September 2022 mit seinem berüchtigten "Thank you, USA" zu verstehen gegeben, dass er Washington hinter der Sabotage vermutet.
Dass er Washington zumindest mitverantwortlich für die Sabotage macht, bekräftigte Sikorski vor einem Monat, indem er behauptete, dass die USA von der bevorstehenden Sprengung der Nord-Stream-Pipelines gewusst und nichts dagegen unternommen haben. Es gebe daher "viel, wofür man [den USA] dankbar sein" könne.
Die Freude über den größten Terroranschlag auf deutsche Infrastruktur seit dem Zweiten Weltkrieg steht guten Beziehungen zu Berlin offenbar nicht im Weg. So heißt es in der Bild: "Sikorski trifft in der kommenden Woche Außenministerin Annalena Baerbock, die beiden verstehen sich gut."
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