"Die Zeit läuft ab": Deutscher NATO-General a. D. hadert mit "zu langsamer" Waffenhilfe für Kiew
Der Ukraine drohe in diesem Sommer ein Zusammenbruch an der Front, berichtete jüngst Politico unter Berufung auf hochrangige US-Offiziere. Auch CIA-Chef William Burns warnte am Donnerstag davor, dass die Ukraine den Krieg bis Ende des Jahres verlieren könnte, wenn sie keine Hilfe aus Washington erhalte. "Uns läuft die Zeit davon, ihnen zu helfen", so Burns.
Letzte Woche hatten sich Außenministerin Annalena Baerbock und Verteidigungsminister Boris Pistorius mit einem "dringenden Appell" an die Partnerländer gewandt. In einem Brandbrief forderten sie alle Verbündeten auf, die Bestände an Flugabwehrsystemen noch einmal genau zu überprüfen. Es gehe "um jede einzelne Rakete", mahnte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.
"Angesichts der Situation, in der sich die Ukraine befindet, ist unsere Hilfe hochgradig dringlich", heißt es in dem Brief, in dem sich die beiden Minister auch direkt an die Partner wenden, die bisher keine oder nur wenig Waffenhilfe geleistet haben. "Wir alle haben etwas, um beizutragen, möglicherweise mehr, als wir bisher für möglich gehalten haben."
Auch Olaf Scholz forderte die EU-Staaten am Mittwoch zu Beginn eines Gipfels in Brüssel dazu auf, mehr Waffen an die Ukraine zu liefern. "Wir wissen, dass wir mehr tun müssen, als wir bisher machen, um die Ukraine zu unterstützen", sagte der Bundeskanzler.
"So kann man das nicht weitermachen. Die Zeit läuft ab", warnte auch der NATO-General a. D. Egon Ramms. Gegenüber ZDFheute kritisierte Ramms, dass die nötigen Waffenlieferungen an Kiew "viel zu langsam" vonstattengingen.
Während die NATO den Fokus derzeit vor allem auf die Luftverteidigung der Ukraine legt, sei die Frage der Munition entscheidend. Alles hänge davon ab, wie schnell diese geliefert werden könne. Die USA hätten die Produktion heruntergefahren. Es werde laut Ramms "erheblich Zeit brauchen, bis das hochgefahren wird, dass so viele Mengen produziert werden, dass die Ukraine geschützt ist und wir auch".
Angesichts der immer dringenderen Appelle sagte der ehemalige Oberbefehlshaber des "Allied Joint Force Command" der NATO in Brunssum: "Wann hat man das endlich durch, warum hat man diese Appelle nicht schon vor einem Jahr gemacht?"
Ein Versäumnis, das auch Wirtschaftsminister Robert Habeck nach seinem Kiew-Besuch einräumen musste:
"Vor zwei Jahren wurde unterlassen, eine kontinuierliche Produktion an Munition und Kriegsgerät hochzuziehen. Also man hat geliefert, was man hatte und hat gedacht, 'na ja, das muss dann ja wohl reichen'."
Den jüngsten Vorschlag von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, die eigene Verteidigungsfähigkeit zugunsten der Ukraine zu schwächen, hält auch Ramms für geboten. Stoltenberg erklärte, wenn er zu entscheiden hätte, ob es um die Erfüllung der NATO-Planziele geht und damit um die Bevorratung der eigenen Munition für das eigene Land, dann würde er sich für die Unterstützung der Ukraine entscheiden.
Wären alle NATO-Mitglieder dieser Auffassung, dann "hätten wir möglicherweise bei dem Thema Artillerie-Munition, vielleicht auch bei dem Thema Flugabwehr, eine veränderte Situation", so Ramms.
Des Weiteren betonte der General a. D., dass es keine Friedensverhandlungen mit Russland geben dürfe, solange dieses ukrainische Gebiete "besetzt" halte. Andernfalls werde sich Russland auch Transnistrien, Moldau und möglicherweise das Baltikum vorknöpfen. Immerhin bemüht Ramms in diesem Zusammenhang nicht die Floskel, wonach es der Ukraine obliege, selbst über eine Fortsetzung des Krieges zu entscheiden.
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