Europa wandelt in den Fußstapfen der UdSSR
Von Jelena Karajewa
Frankreich, der Schöpfer aller bürgerlichen Rechte und Freiheiten, einschließlich der Freiheit, öffentlich zu sagen, was man denkt, und auszudrücken, was man will, hat den EU-Chefs vorgeschlagen, Beschränkungen gegen "jene russischen Unternehmen, die Desinformationen verbreiten", zu verhängen. Derartige "Desinformationen", so Paris, "führen zu einer Destabilisierung des gesamten Blocks".
Dieses Zitat stammt vom Außenminister der Fünften Republik, Stéphane Séjourné, und nicht etwa, wie man vermuten könnte, aus einem (für den dienstlichen Gebrauch vorgesehenen) Beschluss einer der Sitzungen des Zentralkomitees der KPdSU, die vom für Ideologie zuständigen Sekretär des Zentralkomitees, Michail Andrejewitsch Suslow, geleitet wurde.
Hier ist eine Anmerkung notwendig, denn obwohl Monsieur Séjourné Französisch und Genosse Suslow Russisch sprach, sind die Ideen beider absolut identisch. Sowohl Ersterem, der noch lebend und wohlauf ist, als auch Letzterem, der in der Nähe der Kremlmauer seine letzte Ruhestätte fand, scheint (und schien) es, dass Worte nicht nur die europäische (oder sowjetische) Einheit erschüttern, sondern auch den gesamteuropäischen Block wie die Sowjetunion zum Einsturz bringen könnten, wenn sie falsch, unpassend und ohne angemessene Unterwürfigkeit geäußert werden. Ein unpassendes Wort, das nicht auf der generellen Richtung basiert, könnte, so Séjourné, die Ursache von Schwierigkeiten und Problemen sein.
In der Sowjetunion wurden Störgeräte installiert, in der EU wird die Verhängung von Sanktionen vorbereitet. Der Mechanismus ist unterschiedlich, aber das Ziel ist dasselbe: die totale Ausschaltung des Andersdenkens.
Was stört heute die Europäer, die der Brüsseler oder nationalen Nomenklatura angehören?
Erstere sind sehr über den möglichen Ausgang der Wahlen zum Europäischen Parlament beunruhigt, die in genau zwei Monaten stattfinden werden. Vertraut man den Meinungsumfragen, zumindest denen, die von französischen Soziologen publiziert werden, dann haben die Anhänger von Präsident Macron und ihre politischen Mitstreiter keine Chance, mit der Partei Rassemblement National in der Wählergunst gleichzuziehen, geschweige denn die Partei zu überholen.
Die Popularität nimmt nicht zu, die Anstrengungen bleiben erfolglos. Die Kabinettsumbildung (und hier führt nämlich die Regierung den Wahlkampf) führte nicht zu dem erwarteten Ergebnis.
Die Wirtschaftssituation sollte man besser nicht erwähnen, denn der Haushalt wird (gnadenlos) beschlagnahmt werden, und das mehrere Jahre — nicht Monate, sondern Jahre — hintereinander.
Die Lebenssicherheit und die Kaufkraft der Bevölkerung haben sich auf den Tod vorbereitet und ruhen in einem Sarg in Erwartung ihrer Beerdigung ‒ einer Beerdigung zum billigsten Tarif. Es gibt kein Geld, es gibt kein Wirtschaftswachstum, aber es gibt eine solche Inflation und solche Haushaltslöcher, dass man sich nur an den Kopf fassen kann.
Die außenpolitische Situation ist in etwa dieselbe wie die wirtschaftliche. An allen Fronten und auf allen Ebenen.
Aber die Franzosen, die so sehr von sich eingenommen sind, können doch ihr eigenes Land nicht in den Ruin getrieben haben? Natürlich haben sie das nicht getan. Alles, was im Moment an Frankreich schiefläuft, ist Russland zuzuschreiben.
Wir (Russland) waren diejenigen, die "die Gas- und Strompreise für die Franzosen erhöht haben", so Bruno Le Maire, Chef des französischen Wirtschaftsministeriums.
Wenn bei den Olympischen Spielen etwas schiefgehen wird, wird man uns auch für das "Versagen bei der Organisation der Olympischen Spiele" verantwortlich machen. Wer gesehen hat, wie der französische Meister im Poolspringen Alexis Jandard vom Drei-Meter-Sprungbrett absprang und fast in die dem Wasser entgegengesetzte Richtung flog, dachte wahrscheinlich, dass es sich auch um "russische Intrigen" handelt.
Antisemitische Graffiti und Wanzenbefall wurden bereits denselben "Intriganten" angelastet. Und auch die während des Müllstreiks über Paris hergefallenen Ratten hatten, wenn es nach der Logik des französischen Außenministers geht, wahrscheinlich einen russischen Ursprung.
Kurz gesagt, bei jedem französischen, deutschen oder gesamteuropäischen Problem, das ungelöst ist oder bei dem das gesamte Geld nach Kiew geflossen ist, sieht man sofort die Spur des "russischen Bären". In Wirklichkeit ist es natürlich gar nicht so lustig, sondern eher traurig.
Es ist traurig zu sehen, wie das Land und das ganze politische Umfeld der EU, angeführt von drittklassigen Politikern, in einem ausgeprägten ideologischen Mangelzustand versinkt. Ohne zu erkennen, oder besser gesagt, ohne erkennen zu wollen, dass alle, wirklich alle Probleme ‒ von der galoppierenden Inflation bis hin zu marschierenden Ratten und Wanzen ‒ einzig und allein von den Franzosen und den Paneuropäern selbst verursacht wurden.
Die Schaffung eines "Wahrheitsministeriums" (oder, wie sie es nennen, die Verhängung von Sanktionen gegen die Verbreitung unerwünschter Informationen), die endlose Suche nach "Feinden der Demokratie und des Fortschritts", das ständige Beschuldigen von Unbeteiligten für ihre eigenen Fehler ‒ genau der Fall, in dem die Welt von Orwells "1984" zum Alltag der modernen europäischen Politik geworden ist.
Michail Andrejewitsch Suslow könnte erklären, wie solche Dehnungsübungen zur Beugung der Realität enden. Im Prinzip ist das Entscheidungsniveau in Europa so, dass die Meldung über spiritistische Sitzungen bei der Erörterung wichtiger Probleme des Blocks heute kaum noch jemanden überraschen könnte.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 8. April 2024 zuerst auf RIA Nowosti erschienen.
Jelena Karajewa ist eine russische Journalistin und Kolumnistin bei RIA Nowosti.
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