Eskalation zwischen Paris und Berlin: Pistorius bezieht Macrons Rede von "Feigheit" auf Deutschland

Verteidigungsminister Pistorius hat Macrons Aufforderung, bei der Unterstützung der Ukraine "nicht feige" zu sein, als wenig hilfreich für die dortigen Probleme zurückgewiesen, während Kanzler Scholz erstmals öffentlich darlegte, weshalb er Kiew die Taurus-Raketen nicht liefern wolle.

Der französische Präsident Emmanuel Macron forderte kürzlich bei einem Besuch in Prag, sich nicht "feige" den Herausforderungen des Ukraine-Krieges zu verschließen. In einer Rede in der französischen Botschaft sprach er am Dienstag zunächst vom Eisernen Vorhang und "der Feigheit" eines Teils von Europa, das Schicksal des anderen Teils gewissermaßen dem "Totalitarismus" überlassen zu haben. Der Krieg sei nun auf europäischen Boden zurückgekehrt. "Wir stehen gewiss vor einem Moment in unserem Europa, in dem es darauf ankommen wird, nicht feige zu sein", sagte er. Seine Kritik soll sich an die Bundesregierung ausgerichtet haben, die sich bisher geweigert hat, Taurus-Marschflugkörper an Kiew zu liefern:

Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) interpretierte die Rede als Anspielung auf die Bundesregierung und bezeichnete Macrons Worte als wenig hilfreich. "Das hilft nicht wirklich dabei, die Probleme zu lösen, die wir dabei haben, die Ukraine so gut wie möglich zu unterstützen", sagte Pistorius in Stockholm. "Aus meiner Sicht brauchen wir keine Diskussionen über den Einsatz von Bodentruppen oder über mehr oder weniger Mut", so Pistorius.

Vergangene Woche legte Kanzler Scholz in Berlin erstmals öffentlich dar, warum er Kiew die erbetenen weitreichenden Taurus-Marschflugkörper vorenthalte. Wenige Stunden später ließ der Franzose Macron in Paris mit einer provokanten Bemerkung zum Abschluss einer Ukraine-Konferenz aufhorchen, er schließe die Entsendung westlicher Bodentruppen in die Ukraine nicht aus.

Macron nutzte seinen Prag-Besuch, um seine kontroversen Äußerungen bei der Ukraine-Unterstützerkonferenz vergangene Woche in Paris zu verteidigen. "Als Antwort auf eine Frage, die mir über die Entsendung von Truppen gestellt wurde, antwortete ich, dass nichts ausgeschlossen sei", sagte Macron zuvor der Zeitung Právo. Die Frage war auf Äußerungen des slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico bezogen, der kurz vor Konferenzbeginn gewarnt hatte, der Westen könne Truppen in die Ukraine entsenden.

Der französische Generalstabschef Thierry Burkhard hatte unlängst die wichtigsten NATO-Partner angeschrieben, um über neue Ansätze zur Ukraine-Hilfe nachzudenken. Erwähnt wurde die Entsendung militärischen Personals für Minenräumung, für den Schutz vor Cyberangriffen sowie für die Ausbildung von ukrainischen Soldaten vor Ort. Doch insbesondere in Deutschland soll das Schreiben auf Ablehnung gestoßen sein.

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