Deutsche Politik auf dem Balkan: Ambitionen, Militär und Rhetorik
Von Marinko Učur
Die Äußerung des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius am Vorabend seines Besuchs in Belgrad, der letzten Station seiner Balkanreise, er sei "über die Lage auf dem Westbalkan angesichts der mehrfachen Spannungen der letzten Monate besorgt", ließ niemanden gleichgültig. Das ist verständlich, wenn man die Rolle Deutschlands bei der Auflösung des ehemaligen Jugoslawien und auch seine frühere Rolle in der Kriegs- und Nachkriegszeit berücksichtigt. Chronisten werden sagen, dass es sich tatsächlich um eine Fortsetzung der deutschen Politik seit dem Ersten Weltkrieg und insbesondere Deutschlands unter der Nazi-Diktatur während des Zweiten Weltkriegs handelt.
Dieser Parteifreund des Bundeskanzlers Scholz, der laut einigen Umfragen derzeit angeblich einer der beliebtesten Politiker Deutschlands ist, hatte offenbar die Spannungen im Norden der selbsternannten serbischen Provinz Kosovo und Metochien, aber auch in Bosnien und Herzegowina im Blick.
Bei dieser Gelegenheit vergaß Pistorius allerdings zu erwähnen, inwiefern Berlin zur Eskalation der Sicherheitslage in der Region beigetragen hat, wenn man bedenkt, welche Rolle seine deutsche Regierung bei der Unterstützung der illegalen "Unabhängigkeit" des Kosovo gespielt hat. Schließlich wählte der deutsche Minister (zufällig?) Priština als erste Station seiner Balkanreise, um sich dort mit albanischen Beamten zu treffen und ihnen mitzuteilen, dass Deutschland an ihrer Seite steht.
Die kosovarischen Sicherheitskräfte (KSK) erhielten von Pistorius die Zusicherung, dass ihnen 7 Millionen Euro an Finanzhilfen überwiesen werden. Zur Erinnerung: Die sogenannten kosovarischen Sicherheitskräfte werden mittlerweile mit der Hilfe des Westens, insbesondere Deutschlands, zügig in eine kosovarische (albanische) nationale Armee transformiert, was im Widerspruch zu der gültigen UN-Resolution 1244 steht. Mit der Transformation geht die Bewaffnung ihrer Mitglieder einher, bei denen es sich überwiegend um Anhänger der ehemaligen Terrororganisation "Befreiungsarmee des Kosovo" UÇK handelt. Wie ehemalige Terroristen über Nacht zu begehrten Verbündeten nicht nur Berlins wurden, ist wohl niemandem erklärlich, oder?
Aber Berlin verheimlicht längst nicht mehr, dass seine Favoriten auf dem Balkan die Kosovo-Albaner sind, was mit der Bombardierung des ehemaligen Jugoslawien in Verbindung gebracht wird, als auch die Bundeswehr zum ersten Mal als deutsche Armee nach dem Zweiten Weltkrieg und ohne jegliches Mandat des UN-Sicherheitsrates am militärischen Einschreiten gegen einen souveränen Staat teilnahm. Daher ist der Besuch von Pistorius, vor allem in Priština, vor dem Hintergrund der konsequenten Unterstützung Berlins für seine Favoriten zu betrachten, womit indirekt auch nach Belgrad signalisiert wird, dass die Unabhängigkeit des Kosovo für Berlin eine beschlossene Sache ist.
Dennoch ist man sich auch in Deutschland bewusst, dass Serbien für die regionale Stabilität als größtes und wichtigstes Balkanland ein entscheidender Faktor bleibt, und daher wird auch Pistorius ohne zu zögern den serbischen Beamten wiederholen, welcher Politik seine Bundesregierung (wie auch die früheren deutschen Regierungen) nachgeht.
In der Zwischenzeit besuchte Pistorius auch Sarajevo und erklärte als deutscher Bundesminister der Verteidigung, aber auch als offener NATO-Lobbyist, dass die Zukunft der ehemaligen jugoslawischen Republik in der EU und dem NATO-Bündnis liege. Deutschland gehört zu den Ländern, die sich bisher ausdrücklich gegen die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina ausgesprochen haben, solange die Behörden des Landes nicht zeigen, dass sie bereit sind, die dafür geforderten Reformen umzusetzen. Daher kann dieses deklarative Eintreten des deutschen Ministers für die Mitgliedschaft in der Union jetzt als "pure Augenauswischerei" verstanden werden.
Übrigens bevorzugen eine Mehrheit der Bürger dieses von zwei oder vielmehr drei Nationen bewohnten Landes die Europäische Union, während es keine Einigung über die Mitgliedschaft in der NATO gibt, weil Serben und die Republika Srpska den Beitritt zu jenem Militärbündnis, das sie vor 25 Jahre bombardiert hatte, strikt ablehnen. Aber der bereits erkannten Maxime zufolge ignoriert Pistorius die Ansichten des serbischen Volkes und bestärkt seine kroatischen und bosniakischen Gesprächspartner darin, dass ihre Zukunft und ihr Wohlstand eng mit der Mitgliedschaft im Bündnis verbunden seien. In einer solchen Rhetorik ist eine nicht existente "russische Gefahr" unverzichtbar, die sich für den Westbalkan angeblich durch den berüchtigten "bösartigen russischen Einfluss" darstellt, obwohl den in der Praxis bisher niemand offiziell identifizieren konnte.
Die Bestrebungen in Priština sowie einiger Vertreter der Behörden in Bosnien und Herzegowina bestehen darin, eines Tages Mitglied der NATO zu werden, und die albanischen und bosniakischen Gastgeber des deutschen Ministers machten daraus keinen Hehl. Wie wäre das möglich und erreichbar in einer Lage, in der Kosovo kein echtes internationales Subjekt ist und in Bosnien und Herzegowina kein Konsens und keine allgemeine Bekenntnis zur Mitgliedschaft vorhanden ist? Anscheinend denkt niemand darüber nach, aber der Besuch des deutschen Ministers wurde zum Anlass genommen, dies noch einmal zu betonen.
Zu einer Zeit, in der Aleksandar Vučić als Präsident Serbiens aufgrund der häufigen Angriffe ethnischer Albaner auf die verbliebenen Serben in der Provinz und der Tatsache, dass der Premierminister von Priština Albin Kurti die serbische Landeswährung Dinar im Kosovo abgeschafft hat, eine außerordentliche Sitzung des UN-Sicherheitsrats beantragt hat, erscheinen alle vermeintlich friedlichen Bemühungen der deutschen Außenpolitik in der Region als äußerst heuchlerisch. Die Politik Deutschlands auf dem Westbalkan hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht verändert, vielleicht bestenfalls noch auf der Ebene der Rhetorik.
Das beunruhigt alle, die in der von Pistorius angekündigten zusätzlichen Entsendung deutscher Soldaten in das Kosovo – wenn auch nur symbolisch – eine echte Gefahr für den Frieden sehen. Selbst hartgesottene Optimisten verstehen nicht, wie Deutschland einerseits zu Friedenslösungen beitragen will und andererseits das Militärkontingent seiner Armee auf dem erhitzten Balkan erhöhen kann. Daher kann der Besuch von Pistorius für die eine Seite als Ermutigung und für die andere als Warnung empfunden werden, dass nämlich Deutschland seine Bestrebungen in der Region nicht aufgeben wird.
Schließlich befindet sich auch an der Spitze der OHR-Verwaltung in Sarajevo ebenfalls ein deutscher Spitzenpolitiker, der ehemalige Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, der nach dem Willen des Westens und wiederum ohne jegliche Zustimmung des UN-Sicherheitsrates installiert wurde und der ebenfalls diese verdeckte Agenda aus Brüssel und Berlin umsetzt.
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