Polnische Medien: "Unsere Fabriken schalten auf Krieg. Produktion geht volle Kraft voraus"
Von Elem Chintsky
Eine erneut aufgefahrene Kakophonie aus kriegslüsternen Stimmen in den EU-Führungen erfasst die westliche Nachrichtensphäre. Zuletzt erklärte die estnische Premierministerin Kaja Kallas gegenüber der Times, dass "Europa drei bis fünf Jahre Zeit hat, um sich darauf vorzubereiten, dass Russland eine ernsthafte Bedrohung für die Ostflanke der NATO darstellen könnte."
Wenn man sich nun die ganzen Militärübungen der letzten Jahre an der Ostflanke anschaut, drängt sich die Frage auf, gegen wen die wohl gerichtet waren.
Während die Ampelregierung und die Bild-Zeitung sich hauptsächlich durch psychologische Operationen mit Blick auf "geheime Bundeswehr-Szenarios eines immanenten russischen Angriffs auf Deutschland" koordinieren, ist Polen erneut der eigentliche Streber im NATO-Klassenraum – und das trotz seit 1989 präzedenzloser innerer Krisen, die es parallel zu jonglieren vermag:
Denn wie am Montag von der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita berichtet, bereiten sich "polnische Fabriken auf den Krieg vor [und] die Waffenproduktion läuft auf Hochtouren."
Verfolgt man den Fluss der Investitionen und Subventionen, bestätigt sich diese Annahme. Die in der südöstlichen, polnischen Stadt Radom ansässige Waffen-Fabrik "Łucznik" will in 24 Monaten imstande sein, 100.000 Gewehre pro Jahr zu produzieren.
Viele dieser Rüstungsfirmen wurden nicht lange vor Beginn des Ukrainekrieges im Februar 2022 modernisiert, für höhere Effektivität und Waren-Output.
So hat zum Beispiel auch das im chemischen Rüstungssektor dominante Werk "NITRO-CHEM" S.A. in Bydgoszcz die TNT-Produktion auf ihr maximales Niveau erhöht. Das ist ein entscheidender polnischer Standort für alle Arten von Spreng- und Explosionskörpern, die im industriellen Maßstab hergestellt werden.
Des Weiteren wurde die Panzerwagen- und Haubitzen-Fabrik Huta Stalowa Wola S.A. vom polnischen Staat angewiesen, ihre Lieferungen innerhalb von zwei Jahren zu verdoppeln.
Mal fallen die Zeiträume "drei bis fünf Jahre" (Estland), mal die Jahre "2024 oder 2025" (Deutschland) und mal hört man vermehrt die Deadline "in zwei Jahren", welche der polnische Staat allgemein seinem Rüstungssektor eingeräumt hat: Sie alle befassen sich mit der gefährlichen Falschbehauptung, Russland sei eilends mit der Angriffsvorbereitung auf die NATO-Ostflanke beschäftigt. Damit dies als gänzlich neue Enthüllung einer vermeintlich aufrichtigen, geopolitischen Analyse der renommiertesten Experten des Wertewestens gelten kann, ist man gleichzeitig gezwungen zu behaupten, dass alle NATO-Übungen der letzten zwanzig Jahre in Osteuropa – besonders im Bereich der Ostsee – in einem ideologischen Vakuum stattfanden. Ohne "Feindbild". Dass diese Manöver zumindest bis 2013–2014 "nichts mit Moskau zu tun gehabt hätten." Den eigenen Bevölkerungen weiter ein so hohes Maß an Naivität abzuverlangen, ist eine gefährliche Anmaßung. Die Rhetorik Deutschlands der letzten zwei Jahre zeigt – besonders im Hinblick auf die kosmetisch seit 1994 "obsolete" aber nicht aus dem UNO-Vertrag beseitigte Feindstaatenklausel –, dass grobe Fahrlässigkeit und stumpfer Leichtsinn die wichtigsten Tugenden der deutschen Führung sind. Völkerrechtlich ist die Russische Föderation – als Erbin der Sowjetunion und somit Siegermacht nach dem Zweiten Weltkrieg – berechtigt, gegen den "Feindstaat" Deutschland Zwangsmaßnahmen zu verhängen, und zwar ohne spezielle Ermächtigung durch den UNO-Sicherheitsrat. Das wäre ab dem Zeitpunkt möglich, wo Moskau nach eigenem Ermessen deklariert, dass der juristisch zertifizierte "Feindstaat" Deutschland erneut begonnen hat, eine allzu aggressive Politik zu verfolgen. Die schmerzhafte Ironie ist, dass von allen heutigen Erben der Siegermächte Russland noch vor nicht allzu langer Zeit am ehesten bereit gewesen wäre, diese an Berlin haftende Feindstaatenklausel beseitigen zu lassen. Putin selbst sprach letztes Jahr von dem Faktum, dass die BRD "nicht souverän" ist. War es doch auch die ehemalige Sowjetunion, die sich bedingungslos und in aufrichtiger Absicht aus der DDR und der Volksrepublik Polen gänzlich zurückgezogen hatte. Man kann die damalige Entscheidung Moskaus auch unter anderen Aspekten kritischer bewerten – aber diese Naivität zeugte zumindest von einem guten Willen gegenüber dem wiedervereinigten, deutschen Volk.
Auch wenn militärstrategisch die Wahrscheinlichkeit für einen direkten Krieg zwischen der NATO und Russland nach wie vor relativ gering ist, muss das ganze auch in Polen neu produzierte Kriegsgerät zumindest verkauft, aber eigentlich auch irgendwo eingesetzt werden. Polen fungiert offensichtlich als ein US-amerikanisch-angelsächsischer Ersatz innerhalb eines bald kommenden post-EU-Raums, in dem sich die Bundesrepublik Deutschland signifikant dekonstruiert, de-industrialisiert und in die sicherheitspolitisch-wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit entlassen hat.
Zumal am letzten Sonntag The Economist noch einmal eine ernüchternde Beobachtung aufgestellt hat, mit dem Titel:
"Kann Europa die Ukraine – oder sogar sich selbst – bewaffnen?"
Das Journal zitiert darin den Experten der britischen Denkfabrik Royal United Services Institute for Defence and Security Studies, Jack Watling, der behauptete, dass "der Westen nun vor einer Entscheidung steht. Er kann der Ukraine geben, was sie braucht, oder einen unwiederbringlichen Vorteil an Russland abtreten." Auch mit der Medienlüge eines "militärischen Patts" zwischen dem Kiewer Regime und Moskau räumen die Autoren unterschwellig auf, indem sie das vollkommen unausgewogene Kräfteverhältnis eingestehen. Die wenigen in Polen aufrichtig aufgefahrenen Rüstungsbemühungen, die man in der EU anteilig beobachten könne, seien laut dem britischen NATO-Blatt Absicherungen gegen eine neue US-Präsidentschaft Donald Trumps, die offensichtlich den verheerenden, aber selbstverschuldeten Verpflichtungen der EU frühzeitig den Rücken kehren würde. Man hoffe, dass im Februar die von Budapest blockierten 50 Milliarden Euro an EU-Kriegshilfe, welche Brüssel dem Kiewer Regime liefern möchte, doch noch ausgezahlt werden können. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt – analog zu der Wahrheit, die als Erste abtreten musste.
Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.
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