Harte Sparmaßnahmen wegen steigender Militärausgaben: EU kürzt im sozialen Bereich
In einem Beitrag für den wirtschaftspolitischen Blog Makroskop erläutert der italienische Journalist und Schriftsteller Thomas Fazi die Pläne der EU zur Konsolidierung der Haushalte der EU-Länder. Fazi spricht in diesem Zusammenhang von militärischer Austerität. Vorgesehen sind drakonische Sparmaßnahmen und damit einhergehend massive Einschnitte bei den Sozialausgaben. Gleichzeitig sollen die Ausgaben für Rüstung und Militär erhöht werden. Fazi schreibt angesichts der Pläne der EU-Kommission, der Austeritätskurs infolge der Finanzkrise sei im Vergleich zu dem, was bevorsteht, harmlos gewesen. Auch in dieser Neuauflage des harschen Austeritätskurses strebt Deutschland nach Hegemonie über die EU.
"Diese Kombination aus Sparmaßnahmen, erneuter deutscher Hegemonie und aggressivem Militarismus lässt das Europa der Finanzkrise geradezu harmlos erscheinen. Aber das bestätigt nur ein altes Sprichwort: dass es in der EU immer einen Weg gibt, wie es noch schlimmer werden kann."
Ein zentrales Problem bei der Wiederauflage der Forderung nach Austerität ist, dass sie schon beim letzten Mal nicht funktionierte. Statt die Schulden, wie versprochen, zu reduzieren, trieb sie sie noch weiter in die Höhe, verlängerte die Rezession mit all ihren negativen Folgen und umging zu ihrer Durchsetzung die demokratischen Mechanismen in den betroffenen Staaten. Offenbar ist die EU aber nicht in der Lage, ihre Fehler zu analysieren, geschweige denn, aus ihnen zu lernen.
"Diese Politik hat nicht nur die Arbeitslosigkeit in die Höhe getrieben, den Sozialstaat ausgehöhlt, große Teile der Bevölkerung an den Rand der Armut gedrängt und im Falle Griechenlands und anderer Länder eine echte humanitäre Notlage heraufbeschworen – sie hat auch ihr erklärtes Ziel völlig verfehlt: das Wachstum anzukurbeln und die Verschuldung im Verhältnis zum BIP zu senken. Im Gegenteil, die Austerität hat die Volkswirtschaften in die Rezession getrieben und die Verschuldung im Verhältnis zum BIP erhöht. In der Zwischenzeit wurden die demokratischen Normen drastisch umgestoßen, da ganze Länder im Wesentlichen unter 'kontrollierte Verwaltung' gestellt wurden. Das Ergebnis war ein 'verlorenes Jahrzehnt' der Stagnation und Permakrise, welches zu einer tiefen Kluft zwischen dem Norden und dem Süden der Eurozone führte und die Währungsunion an den Rand der Selbstzerstörung brachte. Das gesamte Spar-Experiment war ein so katastrophaler Fehlschlag – wie selbst der IWF später einräumte –, dass eine Wiederbelebung nur Wahnwitz sein kann."
Dessen ungeachtet ist genau das geplant. Das ist gleich in zweifacher Hinsicht problematisch, denn der Austeritätskurs in Reaktion auf die Finanzkrise hat die EU und vor allem den Euroraum im internationalen Vergleich zurückfallen lassen. Andere Volkswirtschaften kamen besser und vor allem schneller durch die Krise. Zudem hat sich das globale Umfeld massiv verändert. Hohe Inflation und große Unsicherheiten dominieren. Eine Neuauflage des Austeritätskurses würde die EU daher wohl kaum überleben, zumal gleichzeitig gefordert wird, dass die EU-Länder bei allem Zwang zur Sparsamkeit ihre Ausgaben für Militär und Rüstung erhöhen.
"Und hier liegt auch das größte Paradoxon der gegenwärtigen Situation: Während die EU einen Plan ausarbeitet, um die Staaten dazu zu bringen, ihre Gesamthaushalte zu kürzen, fordert sie gleichzeitig die Regierungen auf, ihre Verteidigungshaushalte auf mindestens 2 Prozent des BIP zu erhöhen, um das Ausgabenziel der NATO einzuhalten."
Das bedeutet eine Belastung für die Gesellschaften der EU-Staaten, da eine Steigerung der Militärausgaben verbunden mit dem Zwang zum Sparen und der Absage an Steuererhöhungen nur mit Einsparungen in anderen Bereichen möglich ist.
Insbesondere Deutschland tut sich bei der Wiederauflage der Austeritätspolitik besonders emsig hervor. Für den deutschen Finanzminister Christian Lindner (FDP) sind die neuen Sparauflagen immer noch zu lasch. Er fordert eine härtere Gangart.
"All dies deutet auf die unvermeidliche Rückkehr Deutschlands als 'Wirtschaftspolizisten' der EU hin. Im vergangenen Jahr hat das Land versucht, seine Rolle angesichts der massiven tektonischen Verschiebungen, die der Krieg in der Ukraine mit sich gebracht hat, neu zu definieren – insbesondere die geopolitische Neuausrichtung Europas vom Westen nach Osten. … Dies [würde] die Wiederherstellung einer wirtschaftlichen Führungsposition innerhalb der EU bedeuten, mit der Maßgabe, diese im Namen Washingtons zu verwalten."
Damit wird deutlich, dass die Neuauflage des Austeritätskurses den wirtschaftlichen Abstieg der EU nicht nur beschleunigen und zu weiteren Verwerfungen innerhalb der EU und vor allem des Euroraums führen wird. Im Schatten der USA wird die EU immer stärker auf den Status eines US-Vasallen herabgedrückt. Das Projekt einer autonomen, eigenständigen EU ist faktisch aufgegeben. Die deutsche Vorstellung von "führend dienen" wird umgesetzt.
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