Tschechien: Wohin taumelt das Land mit einem neuen Präsidenten?
Von Pierre Lévy
Am 13. und 14. Januar waren die 8,3 Millionen tschechischen Wähler zur ersten Runde der Präsidentschaftswahlen aufgerufen. 68,2 Prozent von ihnen gingen an die Urnen, was eine um 6,3 Prozentpunkte höhere Wahlbeteiligung als bei den Wahlen im Januar 2018 bedeutete, bei denen Miloš Zeman – eine atypische Persönlichkeit und ein ehemaliger Dissident der Sozialdemokratischen Partei – erneut zum Staatsoberhaupt gewählt wurde. Da nunmehr seine zweite Amtszeit abgelaufen ist, konnte er dieses Mal nicht mehr antreten.
Die Innenpolitik polarisierte die Debatten, doch die Persönlichkeiten der beiden Spitzenkandidaten verleihen dem Duell in der zweiten Runde am 27. und 28. Januar eine Dimension, die weit über die Landesgrenzen hinausgeht. Und das, obwohl auch in Tschechien die Befugnisse des Präsidenten im Vergleich zu denen des Regierungschefs bescheiden sind.
Mit 35,4 Prozent der Stimmen landete Petr Pavel, ein Neuling in der politischen Szene, nur knapp auf dem ersten Platz. Der 61-jährige ehemalige Fallschirmjäger ist ein "unabhängiger" Kandidat; er war von 2012 bis 2015 Generalstabschef der tschechischen Streitkräfte und von 2015 bis 2018 Vorsitzender des Militärausschusses der NATO. Er ist also sowohl ein überzeugter Transatlantiker als auch ein bedingungsloser Befürworter der "europäischen" Integration. Während seiner Wahlkampagne versprach er provokant, "die Würde des Präsidentenamtes wiederherzustellen".
Er wird also gegen den ehemaligen Premierminister Andrej Babiš antreten, der 35 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Der ehemalige Geschäftsmann, der als fünftreichster Mann des Landes bezeichnet wird, war 2011 mit dem Ziel der Korruptionsbekämpfung in die Politik eingestiegen; dieses Thema bildete bei den Parlamentswahlen 2013 auch den Kern des Wahlkampfes der von ihm gegründeten Partei ANO 2011. Als Liberaler wilderte er insbesondere unter der rechten Wählerschaft.
Nach den Parlamentswahlen 2017 übernahm er schließlich das Amt des Regierungschefs, nachdem er sich dabei eher an die linke Wählerschaft gewandt hatte. Die ANO ("ano" auf Tschechisch bedeutet "ja") bildete daraufhin eine Koalition mit der Sozialdemokratischen Partei als Minderheitspartner.
Vier Jahre später, im Oktober 2021, wurde ANO 2011, obwohl sie bei den neuen Parlamentswahlen als stärkste Partei hervorging, aufgrund eines Bündnisses zwischen den beiden rechten Koalitionen – einer klassischen, und einer aus "unabhängigen Bürgermeistern" und der Piratenpartei – in die Opposition gedrängt. Seit Ende 2021 führt also der europhile Petr Fiala von der ODS (Demokratische Bürgerpartei, eine liberal-konservative, ehemals leicht euroskeptische Partei) eine heterogene Mehrheit an, die vor allem zusammengehalten wird durch ihr besonders antirussisches Engagement auf der internationalen Ebene. In der letzten Zeit hat sich die Regierung in Prag mit Polen und den baltischen Staaten in das Lager der Ultras eingereiht, die die Ukraine – vor allem auch militärisch – unterstützen.
Herr Babiš ist seinerseits weit davon entfernt, ein prorussischer Politiker zu sein. Als Opportunist in seinen politischen Optionen hatte er sich jedoch seinerzeit für bessere Beziehungen, insbesondere Handelsbeziehungen, mit Moskau eingesetzt. Außerdem hatte er gelegentlich den "Umweltwahnsinn" der EU-Kommission angeprangert, was ihn jedoch nicht davon abhielt, für den von ihr vorgeschlagenen "Green Deal" zu stimmen.
Wie dem auch sei: Babiš gilt in Brüssel, wo er ohnehin als "Populist" angesehen wird, nicht als Heiliger, zumal er im Mittelpunkt eines Verfahrens der tschechischen Justiz stand: Er soll einer Tochtergesellschaft seines Konzerns Agrofert (Agrobusiness, Lebensmittel, Chemie, Energie, Medien und anderes, dem mittlerweile auch die Stickstoffwerke Piesteritz in der ostdeutschen Lutherstadt Wittenberg gehören) illegal EU-Subventionen verschafft haben. Wenige Tage vor der Wahl wurde er jedoch von den Beschuldigungen freigesprochen. Darüber hinaus hat er nie einen Hehl aus seiner Nähe zum ungarischen Premierminister Viktor Orbán gemacht, der ein berühmter Angstgegner Brüssels ist.
Darüber hinaus wird die Kandidatur von Babiš für die Präsidentschaftswahlen, die er nach einer Tour durch das Land im Sommer beschlossen hatte, vom derzeitigen Präsidenten Miloš Zeman unterstützt. Dieser galt jedoch lange Zeit als Sympathisant von Peking und als Verbündeter Moskaus. Zeman hatte sich jedoch ab Februar von Moskau abgewandt und die vom Kreml initiierte "militärische Sonderoperation" in der Ukraine angeprangert.
Die Unterstützung des scheidenden Präsidenten für Herrn Babiš wirkt aber immer noch polarisierend. Babiš erzielte übrigens seine besten Ergebnisse in den ärmeren Regionen des Landes, während Petr Pavel eher die städtischen Wähler, insbesondere in der Hauptstadt, auf seine Seite zog.
Der Wahlkampf war von wirtschaftlichen und sozialen Fragen geprägt. Die derzeitige Regierung ist für eine Inflationsrate von 15,8 Prozent verantwortlich. Die Energiepreise und die Höhe der Mieten waren für viele Wähler von zentraler Bedeutung. Und das in einem Land, in dem sich ein großer Teil der Bürger auch nicht mit dem antirussischen Kurs identifizieren kann, der seit einem Jahr vorangetrieben wird: Im September letzten Jahres fanden Massendemonstrationen statt, um die durch die EU-Sanktionen gegen Russland verursachten Preissteigerungen zu bekämpfen, auch um die Aufhebung der Sanktionen zu fordern und die Neutralität des Landes im Ukraine-Krieg zu verlangen. Es ist wahrscheinlich, dass Herr Babiš – im Gegensatz zu Herrn Pavel – von den Stimmen eines Teils dieser wütenden Bürger profitierte.
Seltsamerweise unterstützte die klassische rechte Koalition (ODS, Christdemokraten und die ultraliberale TOP 09) ... drei Kandidaten. Darunter den genannten ehemaligen Militär, aber auch die 44-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin Danuše Nerudová. Sie wurde auch von der Sozialdemokratischen Partei unterstützt, die ihren ursprünglichen Kandidaten zu ihren Gunsten zurückgezogen hatte. Frau Nerudová, die in den Umfragen vor dem Wahlkampf mit den beiden anderen Konkurrenten in einem engen Rennen lag, erhielt schließlich nur 13,9 Prozent der Stimmen. Sie rief nun ihre Anhänger dazu auf, sich hinter Herrn Pavel zu stellen. Die anderen fünf Bewerber erhielten ihrerseits weniger als 7 Prozent.
Der zweite Wahlgang dürfte daher nach dem Triumph eines breiten "Anti-Babiš"-Bündnisses aussehen, weil die Konstellation dem ehemaligen Premierminister arithmetisch gesehen kaum Chancen einräumt. Die Prager Analysten bleiben jedoch vorsichtig: Auch 2018 galt Miloš Zeman in einer vergleichbaren Konstellation als geschlagen und gewann schließlich knapp.
Außerdem – so prognostizieren viele tschechische Medien – dürfte es auf der Zielgeraden des Wahlkampfs "schmutzig" werden, da sich die beiden Männer gegenseitig beschuldigen, in den 1980er Jahren im Dienste der kommunistischen Machthaber in der Tschechoslowakei gestanden zu haben. Es ist jedoch nicht sicher, ob diese historischen Bezüge die Wähler noch interessieren werden.
Auf jeden Fall ist es nicht schwer vorstellbar, auf welcher Seite das Herz der EU-Eliten in Brüssel schlägt, wo man sich gern für Zemans Sieg im Jahr 2018 revanchieren will.
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