Europa

"Profis studieren Logistik" – Angriffe auf die Infrastruktur als Schlüssel zum Erfolg?

Andauernde Angriffe mit Präzisionswaffen gegen ukrainische Infrastruktur haben schon zu massiven Problemen bei der Stromversorgung geführt. Wie sich solche Angriffe auf die Kampftauglichkeit der Ukraine auswirken, bewertet ein russischer Analyst.
"Profis studieren Logistik" – Angriffe auf die Infrastruktur als Schlüssel zum Erfolg?Quelle: www.globallookpress.com

Von Wladimir Prochwatilow 

Seit Tagen melden die ukrainischen Behörden massive Abschaltungen der Strominfrastruktur im ganzen Land. Bis zu 40 Prozent der Anlagen seien zerstört oder beschädigt. "Wir haben eine kritische Situation", schrieb der ukrainische Präsident auf seinem Twitter. Was wird nun als Nächstes passieren? In der russischen Fachwelt wird darüber diskutiert, wie die Energie- und Verkehrsinfrastruktur der Ukraine noch effektiver ausgeschaltet werden kann.

Boris Marzinkewitsch, ein führender russischer Energieexperte, ist der Ansicht, dass das Kiewer Regime den größten Schaden nicht durch die Beschädigung von Kraftwerkskapazitäten erleiden wird, die relativ schnell repariert werden können, sondern durch Angriffe auf Umspannwerke. Ihre Zerstörung verhindere den Stromtransfer zwischen den ukrainischen Regionen.

"Wonach sieht es aus? Hier sind Kiews Wärmekraftwerk 5 und 6 nicht in Betrieb. Es gibt ein Umspannwerk, das es ermöglicht, Strom z. B. aus der Oblast Tschernigow im Norden des Landes zu beziehen. Es wird immer schwieriger, die Umspannwerke zu reparieren. Es geht nicht darum, Kessel zu reparieren; hier müssen Schemata, die entsprechende Elektronik und so weiter wiederhergestellt werden", erklärt Marzinkewitsch.

Es ist einfacher, ein Umspannwerk zu bombardieren als ein Wärmekraftwerk. Ein Raketen- oder Drohnenangriff reicht aus. Aber wie viele solcher Objekte gibt es in der Ukraine? Eine Priorität sind die Unterwerke, die den Betrieb der elektrischen Lokomotiven sicherstellen, mit denen der Großteil des Gütertransports auf den Schienen, einschließlich des Waffentransports, in der Ukraine abgewickelt wird. Die Abschaltung des Bahnstromnetzes würde die Fähigkeit der Ukraine, westliche Waffen zu erhalten, drastisch einschränken.

Vor der russischen Militäroperation wurden etwa 80 Prozent des gesamten Eisenbahnverkehrs in der Ukraine mit Elektrolokomotiven und nur 20 Prozent mit Diesellokomotiven abgewickelt. Der Strom in der Ukraine ist billig und wird von Wasserkraftwerken und Kernkraftwerken erzeugt. Dieselkraftstoff ist teuer – es gibt kein eigenes Öl, und jetzt sind auch noch die Raffinerien zerstört worden. Das ukrainische Eisenbahnunternehmen Ukrzaliznytsia verfügt über drei Dutzend Umspannwerke für verschiedene Zwecke. Es reicht aus, jene an den Grenzen zu Osteuropa, etwa eineinhalb Dutzend, außer Betrieb zu setzen. Alexander Koz, ein bekannter Militärkorrespondent, ist der Meinung, dass die Schläge auf die Lokomotivdepots gerichtet sein sollten, in denen Waggons und Lokomotiven repariert werden.

In der Ukraine gibt es genau 43 Lokomotivdepots, d. h. mehr als Traktionsunterwerke. In diesen Depots gibt es 570 Werkstätten, es handelt sich also um einen großen Bereich, der viel schwieriger zu knacken ist als Umspannwerke. Der Schlüssel für die Frachtversorgung sind jedoch nur 25 Depots, was es für russische Raketen und Drohnen sehr viel einfacher macht.

Der pensionierte FSB-General Alexander Michailow schlägt vor, die Austauschdepots für Radpaare von Güterzügen in der Ukraine zu zerstören und so den Verkehr an der Westgrenze, wo militärische Güter aus Europa umgeladen werden, lahmzulegen. Es gibt nur wenige solche Stellen. Es wären nicht viele Raketen nötig, um sie außer Gefecht zu setzen. Wegen der unterschiedlichen Spurbreiten würden westliche Lokomotiven und Radsätze nicht auf die ukrainische Eisenbahn passen. Es wird nicht möglich sein, sowjetische Ersatzteile in Kiew zu erhalten, da es in der Ukraine dafür schon lange keine eigenen Produktionsstätten mehr gibt.

Die Lwower Eisenbahn, über die der größte Teil der militärischen Güter in die Ukraine transportiert wird, ist dem FSB-General auch eine Überlegung wert. Die Zerstörung auch nur eines Beskiden-Tunnels an der Lwower Eisenbahn in den Karpaten würde diesen Strom stoppen. Es wäre äußerst schwierig, oder gar unmöglich, den Tunnel wieder aufzubauen. Aber selbst wenn die Ukraine die Möglichkeit verliert, Waffen und militärische Ausrüstung aus dem Westen auf Schienen zu transportieren, bleibt der Straßentransport bestehen. Das Pentagon hat eine Technik entwickelt, um Waffentransporte in die Ukraine zu verbergen, und zwar genau auf dem Landweg – in zivilen Lastwagen und Minivans, nicht auf Autobahnen, sondern auf lokalen Straßen, sodass sie extrem schwer zu entdecken sind. Die einzige Möglichkeit, den Kriegsschauplatz am linken Ufer der Ukraine hundertprozentig zu isolieren, besteht darin, die Brücken über den Dnjepr zu sprengen.

In dem von der Ukraine kontrollierten Gebiet überqueren derzeit 20 Brücken den Dnjepr: elf Straßenbrücken, zwei Eisenbahnbrücken und sieben kombinierte Straßen- und Eisenbahnbrücken sowie fünf Brücken über Wasserkraftwerke. Sie lassen sich nicht leicht ausschalten. Das Beispiel der Brücke über die Dnjestr-Mündung hat gezeigt, wie schwierig es ist, eine gut gebaute Brücke zu beschädigen, selbst mit präzisionsgelenkten Waffen. Die ukrainischen Streitkräfte benötigten etwa einhundert Raketen, um die Antonow-Brücke bei Cherson außer Gefecht zu setzen. Wenn jedoch teure Hochpräzisionswaffen eingesetzt werden sollten, dann nur zu diesem Zweck. Die Zerstörung der Brücken über den Dnjepr garantiert die Isolierung des militärischen Operationsgebiets am linken Ufer, schneidet die feindliche Gruppierung am linken Ufer von der Versorgung ab und führt sie in kurzer Zeit in eine unmittelbare Niederlage.

In jedem Fall können "Kaliber", "Iskander" und "Dolch" die Fahrbahn der Dnjepr-Brücken beschädigen, wie es die ukrainischen Streitkräfte mit den Brücken über den Dnjepr bei Cherson getan haben. Und es wäre möglich, die Dnjepr-Brücken vollständig zu zerstören, indem man Interkontinentalraketen mit geringerer Reichweite und einem starken konventionellen Sprengkopf von mehreren Tonnen TNT einsetzt, wie russische Militäranalysten vorschlagen.

Die Zerstörung der ukrainischen Gruppierung auf der linken Seite wird es ermöglichen, die Intensität der Angriffe tief in das ukrainische Territorium hinein zu erhöhen und einen kritischen Grad der Zerstörung der militärischen und verkehrstechnischen Infrastruktur zu erreichen.

Ein bekanntes militärisches Sprichwort besagt: Amateure studieren Taktik und Profis studieren Logistik. Da das Selenskij-Regime von den westlichen Militärlieferungen komplett abhängig ist, kann die Zerstörung der ukrainischen Militärlogistik seine Niederlage bewirken. 

Übersetzt aus dem Russischen 

Mehr zum Thema - Ukrainischer Ministerpräsident warnt Europa vor "Migrations-Tsunami" und fordert mehr Waffen

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.