Europa

Gefahr im Nordwesten? – Schweden als unterschätzte Bedrohung für Russland

Welche Folgen könnte das jüngste Ergebnis der schwedischen Parlamentswahlen haben? Der russische Politologe Wadim Truchatschow analysiert die schwedische Parteilandschaft und mögliche Auswirkungen der Wahlergebnisse auf das Verhältnis zwischen Stockholm und Moskau.
Gefahr im Nordwesten? – Schweden als unterschätzte Bedrohung für RusslandQuelle: Legion-media.ru © Rokas Tenys

Von Wadim Truchatschow

In Schweden haben Parlamentswahlen stattgefunden. In Russland ist das Interesse der Medien dafür überaus niedrig. Das ist falsch, denn es gibt zahlreiche ernste Nachrichten, die auf die eine oder andere Weise mit dem skandinavischen Königreich zusammenhängen. Deswegen sollte es uns nicht egal sein, wer am Schluss die schwedische Regierung stellen wird und wie deren Verhältnis zu Russland ausfallen wird.

Fangen wir mit dem dringendsten Thema an, mit der Ukraine. Die gegenwärtigen Ereignisse wurden in vielerlei Hinsicht durch das noch im Jahre 2009 gegründete EU-Programm "Östliche Partnerschaft" verursacht. In dessen Rahmen hatte die Europäische Union versucht, sechs postsowjetische Länder in die eigene Einflusssphäre einzubinden. Als Haupturheber des Programms gilt der Ex-Ministerpräsident und ehemalige schwedische Außenminister Karl Bildt. Seitdem zählt Schweden zu den Hauptbetreibern dieser Initiative. Und allein das ist Grund genug, auf das Land und dessen Politik aufmerksam zu werden.

Ebenfalls damit verbunden ist auch die aktive Bewaffnung der Ukraine durch Schweden. Jüngst erschienen Nachrichten über Lieferungen von Archer-Selbstfahrlafetten und RBS70-Flugabwehrraketen. Ähnliche Berichte kamen noch vor dem 24. Februar. Bei Schweden handelt es sich um einen weltweit bedeutenden Waffenhersteller, der Gripen-Kampfflugzeuge, Selbstfahrlafetten, Munition, Funkgeräte und Uniformen produziert. Auch Meldungen über schwedische Söldner in der Ukraine erscheinen seit Jahren.

Kaum hatte Russland die militärische Sonderoperation begonnen, reichte Schweden zusammen mit seinem Nachbarland Finnland einen Antrag auf die NATO-Mitgliedschaft ein. Hätte die Türkei aus eigenen Gründen die Skandinavier dabei nicht ausgebremst, stünden Schweden schon längst in den Reihen der Nordatlantischen Allianz. Und in diesem Zusammenhang ist es für uns relevant, ob auf der baltischen Insel Gotland Militärbasen der USA erscheinen, ob US-amerikanische Nuklearwaffen auf schwedischem Territorium stationiert werden. Die Entscheidung darüber wird schlussendlich in Stockholm fallen.

Betrachtet man die Nachrichten darüber, wie manch eine westliche Handelsmarke Russland verlässt, findet man ebenfalls ziemlich leicht eine schwedische Spur. IKEA, Elektrolux, TetraPak, H&M bedürfen kaum einer besonderen Vorstellung. Und es ist unwahrscheinlich, dass sie Russland aus eigenem Antrieb verlassen. Offensichtlich fand dabei eine Einmischung der schwedischen Politiker statt. Schweden hat eine starke Wirtschaft, und allein aus diesem Grund ist ihre Stimme weltweit hörbar.

Man kann sich auch daran erinnern, dass schwedische Diplomaten recht aktiv die russische außerparlamentarische Opposition unterstützt hatten. Auch der Bau von Nord Stream 2 ist nicht ohne Probleme von schwedischer Seite vonstattengegangen. Schweden ist ein ehemaliges Imperium, und zwischen den beiden Ländern gibt es objektiv zahlreiche Interessenskonflikte. Deswegen gibt es durchaus viele politische Nachrichten im Zusammenhang mit diesem Land.

Beachtenswert war auch eine Meldung, die in keiner Verbindung mit Russland stand. Wahlkampfunterlagen wurden in Schweden nicht nur in schwedischer, sondern auch in arabischer Sprache angefertigt. Dies gab Anlass dazu, das skandinavische Königreich als ein Beispiel für gescheiterten Multikulturalismus zu betrachten, zumal Schweden in letzten Jahren genug Gründe für solche Schlussfolgerungen lieferte.

Schließlich ist es auch interessant, zu beobachten, wie das nördliche Königreich die Folgen der Krisen bewältigt. Schließlich gehört Schweden weltweit zu den Hauptbetreibern der Öko-Politik, und Greta Thunberg erschien dort nicht zufällig … Und dennoch kehren schwedische Kraftwerke zum umweltschädlichen Heizöl zurück, und werde möglicherweise auch zur Kohle zurückkehren … Man erinnere sich auch an das Skandal, als Schweden von seinem Nachbarland Norwegen billige Elektrizität forderte und eine Absage erhielt.

Auch wenn das Verhältnis zwischen Moskau und Stockholm offensichtlich schlecht ist, kann das Ausmaß der Unfreundlichkeit unterschiedlich sein. Unter dem Außenminister Bildt und seiner rechts-zentristischen Moderaten Sammlungspartei pendelte es auf dem Niveau von Polen, während unter seinen sozialdemokratischen Nachfolgern die Spannung immerhin etwas zurückging. Heute gehört Schweden zu Russlands Hauptwidersachern – und steht dennoch in ihrer zweiten Reihe. Dabei könnte das skandinavische Land einer anderen Zusammensetzung der Regierung durchaus das Niveau von Großbritannien, Polen und Tschechien erreichen.

Daher haben wir trotz aller scheinbaren "Aussichtslosigkeit" der schwedischen Politik durchaus einige "Sympathieträger", wie etwa die Linkspartei. Sie steht Russland recht kritisch gegenüber, widersetzte sich aber bis zuletzt einem Mitgliedschaftsantrag bei der NATO. In ihrer Ideologie sind pazifistische Noten stark, und sie lehnt eine Militarisierung des Baltikums und einen Zusammenschluss mit den USA prinzipiell ab.

Die rechtspopulistische Partei "Die Schwedendemokraten" kann kaum als prorussisch bezeichnet werden. Mehr noch – sie führte eine innerparteiliche Säuberung von "Kreml-Agenten" durch. Trotzdem fordert sie weiterhin einen hohen Grad an Unabhängigkeit der schwedischen Politik von der EU und der NATO. Als Hauptbedrohung betrachtet sie nicht Russland, sondern die Migrationskrise und den Kampf gegen Islamismus. Daher kommt ihre Einflusszunahme uns nicht ungelegen und wir können teilweise auf für sie "die Daumen gedrückt halten".

Die regierenden Sozialdemokraten erscheinen trotz ihrer immer stärkeren atlantischen Orientierung immer noch als bessere Alternative zu ihren Hauptgegnern – der Moderaten Sammlungspartei, die früher vom bereits erwähnten Bildt angeführt wurde. Erstere sind nicht bereit, Militärausgaben drastisch zu erhöhen. Einige pazifistische Noten erscheinen auch bei den Grünen. Die durchaus proatlantischen Christdemokraten sind gegen gleichgeschlechtliche Ehen und konzentrieren sich hauptsächlich ebenfalls auf den Widerstand gegen Migranten.

Wir habe aber auch unsere Antihelden – die liberalkonservative Moderate Sammlungspartei, die Linksliberalen aus der Zentrumspartei und die eigentlichen Liberalen. Da ist es wirklich aussichtslos! Diese Parteien sehen Russland als existentielle Bedrohung an, und sind fast zu allem bereit, um es zu bekämpfen. Und falls Schweden unter ihrer Herrschaft US-amerikanische Militärbasen ins Land lässt und die Unterstützung der Ukraine stärkt, werden wir gezwungen sein, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen. Auch werden sie einen stärkeren Druck auf schwedische Unternehmen ausüben.

In Abhängigkeit von der vorherrschenden politischen Stimmung könnte das nördliche Königreich Russland erheblichen Schaden zufügen. Und wenn Deutschland und Frankreich als "erste Liga" der europäischen Entscheidungsfindung angesehen werden können, steht Schweden unmittelbar hinter ihnen, und der Abstand ist nicht besonders groß. Und gemeinsam mit anderen nordeuropäischen Ländern stellt es eine gewisse Kraft dar. Deswegen sollten die von diesem Land ausgehenden Bedrohungen nicht unterschätzt werden.

Übersetzt aus dem Russischen

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