Hunderttausende zivile Opfer: Russischer Geheimdienst gibt Akten über lettische Naziverbrecher frei
Wie die Nachrichtenagentur TASS am 20. Juni meldet, habe die Organisation Föderaler Dienst für die Sicherheit Russlands (FSB) auf ihrer Webseite historische Akten über die Beteiligung lettischer Kollaborateure Nazi-Deutschlands an der Ermordung Hunderttausender Juden veröffentlicht.
Unter den von den lettischen Nazi-Einheiten Ermordeten seien unter anderem Zigtausende Juden gewesen, die extra aus Westeuropa für ihre Ermordung nach Lettland überstellt worden waren.
Im Vorgriff auf die Veröffentlichung der Archivdokumente wies der Inlandsgeheimdienst auf die "schleichende Nazifizierung der politischen Eliten der europäischen Staaten", das Verbot von "Symbolen des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg" sowie auf die "rasende Russophobie" in Europa hin und erklärte:
"Eines der Länder, die den Nationalsozialismus in den letzten drei Jahrzehnten aktiv wiederbelebt haben, ist Lettland, dessen Führung 'Veteranen' der lettischen SS-Legion und anderer verbrecherischer bewaffneter Kollaborationsverbände ehrt, die ihre jährlichen Paraden abhalten, und gleichzeitig den Bürgern verbietet, den Tag des Sieges am 9. Mai zu feiern. Im Kampf gegen die historische Wahrheit hat die Saeima der Republik Lettland beschlossen, das Denkmal für die Befreier von Riga und andere ähnliche Denkmäler auf dem Staatsgebiet bis zum 15. November 2022 abzureißen.
Vor dem Hintergrund dieser aggressiven nationalsozialistischen Äußerungen wäre es angebracht, anhand der im Zentralarchiv des Föderalen Sicherheitsdienstes Russlands aufbewahrten Dokumente daran zu erinnern, welche Art von "Helden" als Vorbilder für die junge Generation in den heutigen baltischen Staaten verherrlicht werden."
Nach der Besetzung der lettischen Teilrepublik der UdSSR durch die Truppen Hitlers seien lokale Kollaborateure bereitwillig in den Dienst der deutschen Nazis getreten und hätten sich aktiv an der "Lösung der Judenfrage" beteiligt, so die Nachrichtenagentur TASS nach Einsicht der Archivunterlagen. Die Massenermordung von Juden sei mit Raub, Verhöhnung und offenem Sadismus gegenüber den Opfern einhergegangen.
Der Gebietskommissar des Bezirks Semgallen, E. von Edem, berichtete am 12. August des Jahres 1941 dem Generalkommissar für Lettland im Reichskommissariat Ostland, O.-G. Drechsler, über die Aktivitäten der lettischen "Selbstverteidigungsgruppen". Er konnte nicht umhin festzustellen, dass die lettischen Strafvollzieher durch die Tötung von Juden "ihre Menschlichkeit völlig verloren haben", heißt es im Text, der der Veröffentlichung auf der Webseite des Föderalen Dienstes für Sicherheit vorausgeht.
Das lettische Staatsgebiet sei außerdem zum Schauplatz von Massenmorden an Kriegsgefangenen, ehemaligen sowjetischen Soldaten und ihren Familien sowie an Menschen, die verdächtigt wurden, mit der Roten Armee zu sympathisieren, geworden. Wie auf der Webseite des russischen Geheimdienstes betont wird, hätte die Außerordentliche Kommission für die Untersuchung von NS-Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg Massengräber mit den sterblichen Überresten von etwa 300.000 Menschen entdeckt. "Diese kolossale Zahl lässt sich auch dadurch erklären, dass die Deutschen, die den Eifer der lettischen Henker zu schätzen wussten, begannen, Juden aus anderen europäischen Ländern zu holen, um sie hier zu töten und so ihre blutigen Verbrechen vor dem 'zivilisierten Westen' zu verbergen", heißt es auf der Webseite.
Der veröffentlichte Text bezieht sich beispielsweise auf die Massenerschießungen in den Jahren 1941 bis 1944 im Wald von Biķernieki, die durch die deutschen Besatzer und ihre lettischen Unterstützer durchgeführt worden waren. Die Opfer seien über 46.000 Zivilisten gewesen, darunter 12.000 Juden, die aus Österreich, Deutschland und der Tschechoslowakei nach Lettland gebracht worden waren.
"Himmler sagte, ich solle die Arbeit im Ostland so legen, dass im ganzen Baltikum und in Weißrussland völliger Friede herrsche, und dass die Juden im Ostland bis auf den letzten Mann beseitigt werden müssten",
zitiert die Nachrichtenagentur TASS aus dem Verhörprotokoll des SS-Obergruppenführers Friedrich Eckeln, der sowohl Leiter der SS als auch der Polizei der Reichskommissariate Ukraine und Ostland war.
Die lettischen Kollaborateure der Nazis hätten diese Anweisungen befolgt – das Minsker Ghetto sei beispielsweise zu einer Tötungsmaschine geworden. Wie TASS schreibt, sei das Ghetto "hinsichtlich der Lebensbedingungen der Häftlinge ein grausamer Ort" gewesen. Historiker schätzen, dass "etwa 120.000 Menschen das Ghetto durchliefen, von denen über 105.000 durch die Hand der Nazis und ihrer Kollaborateure starben".
Die Veröffentlichung greift auch die Geschichte des Konzentrationslagers Salaspils auf, das im Oktober des Jahres 1941 unweit von Riga errichtet worden war. Salaspils hatte zunächst Juden beherbergt, von denen viele an Hunger und Zwangsarbeit gestorben sind. Im Jahr 1942 jedoch wurden die überlebenden Juden aus dem Lager in das Ghetto von Riga transportiert und stattdessen Bauern aus Dörfern in Weißrussland sowie den Regionen Pskow und Leningrad in das Lager gebracht. Die Erwachsenen schickte man zur Sklavenarbeit nach Deutschland, ihre Kinder wurden in Salaspils zurückgelassen, wo sie als eine "Blutfabrik" für die deutsche Armee dienten. Die Kinder bekamen täglich lediglich 100 Gramm Brot und flüssige Suppe, und alle zwei Tage wurde ihnen bis zu 500 Milliliter Blut abgenommen. Bis Ende des Krieges durchliefen bis zu 12.000 Kinder das Lager Salaspils, von denen etwa 7.000 Jungen und Mädchen den Märtyrertod gefunden haben.
Die lettische Einheit "Sonderkommando Arājs" hatte das Konzentrationslager Salaspils bewacht. Das Kommando hatte sich unmittelbar nach der deutschen Besatzung der Republik aus den Freiwilligen Letten gebildet und war für die Tötung von insgesamt mindestens 30.000 Zivilisten verantwortlich. Andere Gruppen der Kollaborateure, die in der Publikation erwähnt sind, waren die Mārtiņš Vagulāns Gruppe, die Grebert Teidemanis Gruppe, und die Mitglieder der Lettischen SS-Freiwilligenlegion. Sie alle hätten regelmäßig Gräueltaten an der Zivilbevölkerung verübt, heißt es in dem Text.
Die Verehrung der lettischen SS-Einheiten ist immer noch Teil der lettischen Staatsideologie – jedes Jahr werden in dem EU-Land offizielle Gedenkmärsche zu Ehren der Veteranen der lettischen NS-Verbände veranstaltet. In den letzten Jahren fanden diese umstrittenen Gedenkmärsche im Einklang mit der aggressiven Russophobie-Kampagne zur Zerstörung von Denkmälern für sowjetische Soldaten und dem Verbot von Feiern zum Tag des Sieges statt.
Dazu heißt es auf der Webseite mit den Archivakten zu den Verbrechen der lettischen Kollaborateure:
"Die in den osteuropäischen Ländern geführte Kampagne zur Zerstörung von Denkmälern für die sowjetischen Befreier hat die traurige Tatsache bestätigt, dass die Nazi-Ideologie lebendig ist und ihre Träger nach Vergeltung verlangen."
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