Europa

Zehn osteuropäische Länder fordern die EU auf, laufende Impfstoffverträge neu zu verhandeln

Die geltenden Verträge, mehrheitlich mit dem Pharmaunternehmen Pfizer, müssten aufgrund des Überangebots an Impfdosen neu verhandelt werden. Zudem sei die Notwendigkeit des Schutzes der Staatsfinanzen neu auszuloten. Des Weiteren soll Staaten generell ermöglicht werden, aus den Verträgen aussteigen zu können.
Zehn osteuropäische Länder fordern die EU auf, laufende Impfstoffverträge neu zu verhandelnQuelle: www.globallookpress.com © Cumhur Yetmez

Die US-Webseite Politico informiert über ein Schreiben, laut dem am Freitag der letzten Woche zehn osteuropäische Länder die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides aufgefordert haben, die laufenden Verträge zu Impfstoff-Lieferungen innerhalb der Europäischen Union neu auszuhandeln. Demnach wurde die Initiative durch polnische Verantwortliche ins Leben gerufen, dem sich Bulgarien, Kroatien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien per Unterschrift inhaltlich anschlossen.

Als wesentliche Forderung an die EU-Gesundheitskommissarin wird genannt, sich bei den Neuverhandlungen "auf ein Überangebot an Impfdosen und die Notwendigkeit des Schutzes der Staatsfinanzen" zu berufen. Des Weiteren fordern die Regierungsvertreter, dass laufende Verträge "gekündigt werden können, wenn sie aus gesundheitlicher und epidemiologischer Sicht nicht mehr benötigt werden", so Inhalte des zitierten Schreibens, das Politico vorliegt.

Schon im April erhielt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Schreiben der drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, wegen eines sich abzeichnenden Überschusses an Corona-Impfstoff. In diesem Schreiben hieß es:

"Wir stellen mit Sorge fest, dass die Mitgliedsstaaten vor einer neuen Herausforderung stehen, nämlich der Überproduktion und dem Überangebot an Impfstoffen." 

Bislang hat sich die EU-Kommission bis zu 4,2 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff gesichert, was wiederum einer Größenordnung des Zehnfachen der Bevölkerung der EU entspricht. Mit Stand Februar 2022 wurden demnach bis dato 1,3 Milliarden Impfstoff-Dosen an die EU ausgeliefert. Dazu heißt es auf der Seite der EU-Kommission:

"Die Kommission arbeitet eng mit der Pharmabranche zusammen, um die Impfstoffproduktionskapazitäten in der EU zu erhöhen und genügend Impfdosen zu sichern."

Von den 4,2 Milliarden Dosen wurden 2,4 Milliarden beim Unternehmen Pfizer/BioNTech geordert, 460 Millionen bei Moderna und jeweils 400 Millionen bei AstraZeneca und Johnson & Johnson/Janssen Pharmaceuticals. Der Rest verteilt sich auf die Firmen Sanofi-GSK, Novavax und Valneva. Die Autoren des aktuellen Schreibens weisen Stella Kyriakides darauf hin:

"Obwohl es Anzeichen dafür gibt, dass die Pandemie abklingt und in der gesamten EU eine zufriedenstellende Impfquote erreicht wurde, sehen die Verträge mit den Impfstoffherstellern die Lieferung von Impfstoffmengen vor, die den Bedarf und die Aufnahmekapazität der Mitgliedsstaaten deutlich übersteigen."

Die damit verbundene Situation einer drohenden Vernichtung überflüssiger, also ablaufender Impfstoffe, stelle "eine Verschwendung öffentlicher Mittel" dar, die der "Öffentlichkeit nicht vernünftig erklärt werden kann", so die Verfasser des Schreibens. Ein weiteres Problem ergäbe sich aus der Tatsache, dass Impfstoffe erst kurz vor Ablauf ihres Verfallsdatums geliefert werden, was zuerst von den baltischen Ländern schon im Mai angesprochen wurde. Der polnische Gesundheitsminister Adam Niedzielski erklärte ebenfalls im vergangenen Monat, dass sein Land sich zukünftig weigern wird, weitere Dosen des Impfstoffs von BioNTech/Pfizer zu bezahlen und anzunehmen. In einer Erklärung des bulgarischen Ministeriums aus dem Mai hieß es, dass das zuständige Gesundheitsministerium der Ansicht sei, dass "die Staaten nur die Mengen kaufen können sollten, die sie wirklich benötigen" sowie, "dass der derzeitige Rahmen für Impfstoffverträge nicht funktioniert". 

Auch westliche EU-Staaten sehen sich zusehends mit dem Problem konfrontiert, gelagerte Impfstoffmengen zeitnah vernichten zu müssen. So verfügt die Niederlande aktuell über 11 Millionen ungenutzte Dosen von Coronavirus-Impfstoffen. 2,8 Millionen Einheiten müssten davon im Verlauf des Juni aufgrund des auslaufenden Haltbarkeitsdatums noch vernichtet werden. Dänemark entsorgte bis dato 1,1 Millionen überschüssige COVID-19-Impfstoffe, die Schweiz mehr als 620.000 Dosen. In Deutschland müssen wohl zeitnah drei Millionen Dosen Impfstoff vernichtet werden. Die Deutsche Welle informierte:

"Nach Angaben des Bündnisses 'People's Vaccine Alliance', dem rund 100 Verbände angehören, wird die Europäische Union bis Ende Februar 55 Millionen Dosen COVID-19-Impfstoff entsorgen."

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