Europa

Atomkraft – Wartung und Mängel führen zu enormen Kosten

Europa ringt darum, von Öl- und vor allem von Gas-Importen aus Russland unabhängiger zu werden. In London, Warschau und Paris setzt man auf Atomkraft – doch gerade das Beispiel Frankreich zeigt, dass auch dieser Weg einen sehr hohen Preis haben und die Abhängigkeit von Nachbarländern erhöhen kann.
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Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise suchen europäische Staaten händeringend nach Alternativen zu Energieträger-Importen aus Russland. Das ließ die Atomkraft für einige in neuem Glanz erscheinen. Trotz der seit Langem ungeklärten Entsorgung und offener technischer Fragen wird  hier auf das Argument vermeintlichen Klimaschutzes verwiesen – auch von bisher nicht als Umweltschützer in Erscheinung getretenen Stimmen.
Die Regierung in London hat jüngst acht neue Atomreaktoren geplant, Frankreich bezieht bereits einen Großteil seines Stroms aus Atomkraft und will diesen Anteil weiter ausbauen. Und auch Polen will "unter der starken Schirmherrschaft des Weißen Hauses" in die Atomkraft einsteigen, wie der polnische Präsident Andrzej Duda Ende März bekanntgab. Polen brauche demnach US-Kernkraftwerke, um den Klimaschutz umzusetzen und sich eine moderne Energieversorgung zu sichern. Bis zum Jahr 2043 sollen sechs Reaktorblöcke dazu beitragen.
Hierzulande warben für die Atomkraft – ebenfalls mit dem Klima-Argument – insbesondere Vertreter der mit den letzten großen Wahlen auch aufgrund ihres mangelnden Umweltschutzes abgewählten Unionsparteien. So behauptete Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zudem, dass ein Weiterbetrieb der bestehenden Atomkraftwerke technisch gar kein Problem sei.

In Berlin jedoch bleibt man skeptisch. Bundeskanzler Scholz hat sich dagegen ausgesprochen, wegen des russischen Kriegs in der Ukraine womöglich die Kernkraftwerke in Deutschland länger zu nutzen. Das sei "kein guter Plan", sagte der SPD-Politiker dazu. Die Atomkraftwerke seien nicht für einen Weiterbetrieb vorbereitet, außerdem habe sich Deutschland aus gutem Grund entschieden, den Betrieb auslaufen zu lassen.
Wolle man die Kernkraftwerke deswegen länger laufen lassen, seien neue Brennstäbe und andere Ressourcen nötig, sagte Scholz. Diese seien jedoch nicht einfach verfügbar. Scholz sprach von einer Milchmädchenrechnung und wies darauf hin, dass sich auch längst nicht alle Importe fossiler Energieträger durch Atomenergie ersetzen ließen. So würden etwa Öl-Importe auch nicht ersetzbar zur Herstellung chemischer Produkte gebraucht.
Am Netz in Deutschland sind derzeit noch drei Atomkraftwerke, die nach gegenwärtiger Planung bis Ende dieses Jahres abgeschaltet werden sollen. Die Diskussion um eine weitere Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke war auch von den sogenannten Wirtschaftsweisen aufgegriffen worden, die hoffen, auf diesem Weg die Abhängigkeit von russischen Energieträger-Lieferungen zu verringern.

Die Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) hat jedoch ebenfalls Ende vergangener Woche bekräftigt, dass längere Laufzeiten weder sinnvoll noch vertretbar seien. Bei einer "unideologischen" Prüfung habe sich herausgestellt, dass der Beitrag für die Stromerzeugung ein sehr geringer wäre, sagte Lemke in einem Interview im Deutschlandfunk.
Sie verwies dabei auch auf Sicherheitsfragen. "In Zeiten, in denen Atomkraftanlagen in der Ukraine beschossen werden, halte ich es für eine schlechte Idee, hier Laufzeiten zu verlängern und damit eine weitere Unsicherheit für uns in Kauf zu nehmen."

In Frankreich zeigt sich außerdem immer wieder, dass mit der Nutzung von Atomenergie auch finanziell extrem hohe Kosten einhergehen und sogar die Abhängigkeit von anderen Ländern, im konkreten Fall von Deutschland, erhöht wird. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach am 10. Februar von einer "Renaissance der französischen Atomkraft" und kündigte einen massiven Ausbau an. Nach den USA ist Frankreich der zweitgrößte Atomstromproduzent der Welt. Aktuell verfügt das Land über 56 Kraftwerke und bezieht ein Großteil seiner Heizkraft aus der vorrangig so bereitgestellten Elektroenergie. Schon 2021 lag der Anteil von Atomenergie am Elektroenergie-Mix in Frankreich bei 71 Prozent. In Paris plant man den Bau von sechs neuen Atomkraftwerken, die Errichtung von acht weiteren Kraftwerken bis 2050 solle geprüft werden, kein Kraftwerk solle mehr vom Netz gehen, wenn es keine zwingenden Sicherheitsgründe dafür gebe. Der Stromkonzern EDF solle prüfen, ob die Laufzeit der Atomkraftwerke über 50 Jahre hinaus verlängert werden kann.

Dabei kommt es dort immer wieder zu Ausfällen. Allein in der vergangenen Woche führten Störungen dazu, dass in Frankreich von 61,4 Gigawatt installierter Leistung an Nuklearstrom zwischenzeitlich über die Hälfte fehlte, wie das Handelsblatt berichtet. In solchen Situationen ist Frankreich allerdings selbst auf die Hilfe anderer Länder angewiesen. Deutschland exportierte zeitweise bis zu fünf Gigawatt – und damit mehr, als die letzten drei deutschen Atomkraftwerke zusammen liefern können – und musste zu sehr hohen Preisen Strom am Spotmarkt zukaufen.

So stieg der französische Tagespreis (Day-Ahead-Preis) am 4. April auf einen Rekordwert von fast 3.000 Euro pro Megawattstunde (MWh), also fast drei Euro für eine Kilowattstunde, während Deutschland mit nur 101 Euro pro MWh zugleich dreißig Mal weniger zahlte.

Weil so ein hoher Anteil des Atomstroms bei gleichzeitig niedrigen Temperaturen weggebrochen ist und kaum Wind wehte, war Frankreich besonders stark auf Gas angewiesen. "Und da gehen die Preise derzeit durch die Decke", erklärt Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, dem Handelsblatt.

Laut Bruno Burger, Energieexperte am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), hätte Frankreich ohne Importe aus Deutschland und von anderen Nachbarn in der vergangenen Woche Teile seines Stromnetzes lahmlegen müssen. Seit mindestens sieben Jahren schon importiere Frankreich mehr Strom aus Deutschland als umgekehrt.

Zudem können gerade bei älteren "Atom-Meilern" derart komplexe Probleme auftreten, dass der Ausfall sich nicht abschätzen lasse, erklärt Mycle Schneider, Koordinator des World Nuclear Industry Status Report (WNISR). Demnach dauerten die realen Auszeiten im Durchschnitt 44 Prozent länger als geplant. "Wir haben auch schon erlebt, dass ein Wiederankopplungstermin bis zu 40-mal verschoben wurde", so Schneider.

Im vergangenen Jahr gingen wegen möglicher Korrosionsschäden bereits fünf Kraftwerke für Wartungsarbeiten vom Netz. Erst im Februar hatte Frankreichs überwiegend staatlicher Energiekonzern EDF eine Revision von drei weiteren Kraftwerken wegen möglicher Schäden angekündigt und korrigierte seine für 2022 erwartete Atomstromproduktion nach unten.
Ausufernde Kosten und technische Probleme hatten den Ausbau der Atomkraft durch EDF zuletzt behindert. Für einen umstrittenen Atomreaktor in Flamanville am Ärmelkanal, dessen Bau bereits 2007 begann, wurde erst kürzlich die Betriebsgenehmigung erteilt. Da auch die modernsten Reaktoren wegen Rissen im Not-Einspeisesystem von Störungen betroffen sind, gehen die Experten davon aus, dass in Frankreich wie bisher bis über die Hälfte der installierten Kapazität fehlen kann.

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