Europa

Gesprächsaufzeichnung wirft Fragen zum Tod eines pro-russischen Ex-Rada-Abgeordneten in Butscha auf

In der Sache des ukrainischen Butscha ist ein weiteres Detail aufgetaucht: Ein dort wohnhafter ehemaliger Abgeordneter wurde wohl ermordet – was die ukrainische Seite jüngst den russischen Truppen anlastete. Neu aufgetauchte Gesprächsaufnahmen sind ein starkes Indiz dagegen.
Gesprächsaufzeichnung wirft Fragen zum Tod eines pro-russischen Ex-Rada-Abgeordneten in Butscha aufQuelle: www.globallookpress.com © Sergei Chuzavkov / Keystone Press Agency

Bereits Anfang April wurde die ukrainische Kleinstadt Butscha nahe Kiew zur Bühne für eine Provokation vonseiten der Kiewer Regierung, unter falscher Flagge: Nach Abzug der russischen Truppen aus der seit Anfang März besetzten Stadt platzierten ukrainische Truppen mutmaßliche Leichen in ziviler Kleidung am Fahrbahnrand einiger Straßen und warfen dem russischen Militär einen Massenmord vor. Nun ist es jüngst zu einer weiteren augenscheinlichen Provokation in Verbindung mit der Stadt gekommen: Am 7. April tauchten in den sozialen Netzwerken Informationen über den angeblichen Mord an dem dort wohnhaften Politiker Alexander Rschawski auf – den ehemaligen Abgeordneten des obersten Parlaments der Ukraine und Präsidentschaftskandidaten sollen ebenfalls die russischen Truppen ermordet haben, hieß es. Jedenfalls sei er kurz nach dem Abzug der russischen Streitkräfte aus der Region Kiew am 30. März in Butscha tot aufgefunden worden.

Der Politiker soll bereits seit dem 4. März nicht mehr erreichbar gewesen sein, wurde geschrieben, und am 27. März hätten "die russischen Besatzer" ihn "in seinem eigenen Haus erschossen", weil er "sich über deren Verhalten aufregte und ihnen keinen Wodka einschenken wollte." Derartige Aussagen fanden unter den Kiew-treuen Nutzern im ukrainischen Segment des Internets gerade deswegen hohe Verbreitung, weil Rschawski den russischen Truppen und dem russischen militärischen Sondereinsatz in der Ukraine grundsätzlich eher positiv gegenüberstand: So soll er einige russische Soldaten in seinem Anwesen empfangen und bewirtet haben.

Eine neue, RT vorliegende Tonaufnahme deutet jedoch darauf hin, dass das russische Militär, dessen Vertreter der Politiker so gastfreundlich aufgenommen haben soll, sich ganz im Gegenteil um Rschawski sorgte: In der Aufnahme fordert ihn ein mutmaßlicher russischer Offizier dazu auf, sich in Sicherheit zu bringen. Der Politiker entschließt sich aber, in Butscha zu bleiben.

Der Tod des ehemaligen Abgeordneten wurde zum ersten Mal in der vergangenen Woche bekannt, wobei ukrainische Beamte und Medien gleichermaßen den russischen Streitkräften die Schuld daran gaben. Die ukrainische Darstellung der Ereignisse wurde am Montag von der Familie Rschawskis bestätigt: In einer auf Facebook veröffentlichten Erklärung sagte die Familienangehörigen des verstorbenen Politikers aus, er sei am 27. März in Butscha von einem "russischen Soldaten in seinem eigenen Garten vor den Augen seiner Frau und seiner Schwester getötet worden."

Eine Tonaufnahme (wohl als Audiospur von dem zugehörigen Video abgetrennt) von einem Gespräch mit dem Ex-Parlamentarier, die RT vorliegt, zeichnet indes ein anderes Bild: Die Anführer des Gesprächspartners, mutmaßlich ein russischer Soldat oder Offizier, machten sich offenbar große Sorgen um den ehemaligen Abgeordneten. Dieser musste sich gar anstrengen, seinen Entschluss, in Butscha zu bleiben, argumentativ zu verteidigen:

"Also geht's für Sie jetzt nach Hause?

"Ja."

"Werden Sie in Butscha jetzt vielleicht Probleme haben? Denn insgesamt ist unsere Führung sehr besorgt um Ihr Leben, nachdem Sie bei uns waren."

Nach einer kurzen Pause sagt der mutmaßliche russische Militär weiter:

"Damit es keine Zwischenfälle gibt, verstehen Sie? Wenn Sie jetzt nach Hause zurückkehren und man Sie leblos vorfindet und alles unserer Führung in die Schuhe geschoben wird – wird wahrscheinlich der Beschluss getroffen, Sie von hier, aus Butscha, an einen Aufnahmeort mit Wasser, Essen und Wärme zu bringen."

Der Politiker weigerte sich jedoch standhaft, von den russischen Truppen evakuiert zu werden. Er sagt stattdessen, dass am wahrscheinlichsten ohnehin lediglich ein Lynchmob  zu erwarten sei. Und diesem müsse man nur resolut entgegentreten, um ihn aufzuhalten. Bezüglich etwaiger Vorwürfe gegen Russland betonte Rschawski, der russische Offizier sei doch ohnehin dabei, das Gespräch zu filmen. Welche Zweifel könne da es im Falle eines Falles überhaupt geben?

"Schauen Sie, ich will Ihnen das mal folgendermaßen erklären: Risiken hat es schon immer gegeben, aber man muss sie doch abwägen und mit Vernunft definieren. Sozusagen vom Haus springen werde ich nicht, weil's nicht Not tut. Ich bin [hier in Butscha] zu Hause, meine Familie [und ich], wir wissen, …"

"Zu wievielt sind sie denn?"

"Normalerweise zu fünft, aber gestern wurde [unklar] einer unserer Arbeiter abgezogen – also zu fünft: Meine Frau, ich, meine Schwester und zwei Arbeiter, weil wir ein großes Grundstück haben und die daher notwendig sind. Ich denke nicht, dass das dermaßen gefährlich ist. Zumal wenn Sie mich hier jetzt sozusagen live auf Sendung haben, jetzt gesetzt den Fall…"

"Ja, ich nehme ein Video auf."

"…Ich sage ja, gesetzt den Fall.

Also, da wird sich ja vielleicht jemand etwas denken – aber in Wirklichkeit sind sie ziemliche Angsthasen, [viel zu sehr,] als dass sie ankommen und mich lynchen. Wenn sie in einer Menge sind und es ansonsten sicher ist, dann ist das möglich. In Wirklichkeit sind sie nur dann Helden, wenn sie Hammel vor sich haben – aber gegen Recken sind sie selber Hammel. So gehe ich da heran, verstehen Sie? Naja, dann bin ich eben hier gewesen – und ich halte mich, apropos, schon das dritte Mal länger hier auf. [Schließt kommentierend ein Fenster] Deswegen: Wissen Sie, ich habe keine Angst. Wenn das mein Schicksal ist, dann ist das mein Schicksal. Das sollte man philosophisch betrachten."

Über eine mögliche unerwünschte Aufmerksamkeit seitens der ukrainischen kompetenten Organe sorgte sich Rschawski erst recht nicht. Vielmehr machte er sich über die Vorstellung lustig, dass da ein ukrainischer "Saboteur" auf ihn warte und "sein Messer wetze":

"Verstehen Sie mich? Schauen Sie – wer [soll sich das alles vornehmen]? Das bedeutet eine Fahrt unter Zeitaufwand – und eine Fahrt wohin? Nach Butscha?! Gut, Butscha wird eingenommen. Aber wer wird sich denn da auf den Weg machen? Oder denken Sie wirklich, da wird einer der verdeckten Saboteure im Dunkeln hocken und sein Messer wetzen und sagt sich selber 'Ha, gleich werde ich aber!...'?"

Neben den obigen Überlegungen fühlte sich der ehemalige Abgeordnete auch deshalb sicher, weil er Waffen zu Hause hatte:

"Waffen wurden bei Ihnen bislang nicht gesucht?"

"Es gibt auch solche, die das tun – aber fast mehr um des Streites willen. Doch, ich hatte [vorher] einen [Selbstlade-]Karabiner für die Jagd, so steht es in den Papieren. Allerdings war da der Unterbrecher abgeschliffen [sodass Dauerfeuer möglich wurde] – natürlich [wurde er mir abgenommen]. Aber das Scharfschützengewehr mit 4,5fachem Zielfernrohr, das haben sie mir gelassen, Gott sei Dank. Das hat ein zehnschüssiges Magazin – wenigstens etwas, verstehen Sie? Schießen kann ich gut und halte es bei mir im Hause."

Jedenfalls scheint die Version, nach der der ukrainische Präsidentschaftskandidat von 1999 von russischen Truppen vor deren Abzug aus Butscha ermordet worden sein soll, damit unwahrscheinlich. Der Ton des Gesprächs wirkt zu vertraulich und seitens des russischen Offiziers zu zielgerichtet. Die Frage danach, wie viele Leute dauerhaft in Rschawskis Anwesen leben, offenbart zudem, dass russische Offiziere dort eben beileibe nicht wie zu Hause ein- und ausgingen. Die in der Ukraine verbreitete Version muss folglich zumindest in diesem Punkt unwahr sein. Und gerade der Punkt mit dem nicht servierten Wodka als Streit- und Mordanlass wirkt vor diesem Hintergrund noch mehr wie für ein ausländisches Publikum erdacht, das Vorurteilen über Russen möglicherweise leicht anheimfallen könnte.

Als wahrscheinlich erweist sich mit dem Auftauchen dieser Aufnahme hingegen, dass Alexander Rschawski entweder eines natürlichen Todes starb, oder aber durch Einwirkung ukrainischer Truppen bzw. Sicherheitsorgane (möglicherweise unter falscher Flagge als russische Truppen getarnt). Und anschließend trat dann auch das von dem mutmaßlichen russischen Offizier skizzierte Szenario ein: Der Tod des Politikers wurde für eine weitere Provokation missbraucht – vielleicht ja, um die Stadt Butscha erneut in den Blick der Öffentlichkeit zu rücken.

Butscha war Anfang April in die Schlagzeilen geraten, als die Kiewer Behörden das russische Militär beschuldigten, in der Stadt massenhaft Zivilisten getötet zu haben. Diese Information über ein angebliches Massaker sorgte international für eine breite Verurteilung der russischen Offensive. Der Kiewer Vorort wurde zu einem Treffpunkt für europäische Spitzenpolitiker, die dort ihre Solidarität mit der Ukraine bekundeten und die angeblichen "russischen Kriegsverbrechen" ächteten.

Moskau indes wies und weist jegliche Verwicklung in die Butscha-Affäre entschieden zurück. Vielmehr wird diese als bewusste "Provokation" der ukrainischen Behörden gewertet, mit der die russischen Truppen beschmutzt und der Kreml selbst in die Enge getrieben werden soll.

Mehr zum Thema – Kramatorsk: Auch ukrainische Lügen zu decken ist ein Verbrechen

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