Europa

Ukrainischer Präsident appelliert an Russland: "Russische Bürger müssen die Wahrheit kennen"

Wladimir Selenskij hat in einer Videobotschaft in der Nacht auf Donnerstag an die Bürger Russlands appelliert. "Wir wissen mit Sicherheit, dass wir keinen Krieg brauchen, weder einen kalten noch einen heißen noch einen hybriden", sagte der Politiker auf Russisch.
Ukrainischer Präsident appelliert an Russland: "Russische Bürger müssen die Wahrheit kennen"Quelle: AFP © STR / UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE

Selenskij betonte, dass er sich nicht als Präsident, sondern als ukrainischer Bürger an die Bürger Russlands wendet. "Wir wissen mit Sicherheit, dass wir keinen Krieg brauchen, weder einen kalten noch einen heißen noch einen hybriden. Aber wenn Truppen uns angreifen werden, wenn sie versuchen werden, uns unser Land, unsere Freiheit, unser Leben, das Leben unserer Kinder wegzunehmen, werden wir uns verteidigen. Nicht angreifen, sondern verteidigen. Wenn Sie angreifen, werden Sie unsere Gesichter sehen. Nicht unsere Rücken, sondern unsere Gesichter", sagte der 44-Jährige.

Er habe auch versucht, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu telefonieren: "Das Ergebnis: Schweigen." Er sei bereit zu Verhandlungen mit Russland in jedem beliebigen Format und an jedem Ort, um Fragen der Sicherheit und der Garantie von Frieden zu erörtern. "Die Sicherheit der Ukraine ist verbunden mit der Sicherheit ihrer Nachbarn. Deshalb müssen wir heute über die Sicherheit in ganz Europa sprechen." Sein Ziel sei der Frieden in der Ukraine und die Sicherheit der Bürger.

Krieg sei ein großes Unheil und habe einen hohen Preis, sagte Selenskij:

Die Menschen verlieren Geld, Ansehen, Lebensstandard, Freiheit. Und das Wichtigste: Die Menschen verlieren ihre Nächsten, verlieren sich selbst.

Zudem sagte der Politiker, dass viele Russen eng mit der Ukraine verknüpft seien, viele hätten dort Verwandte und Freunde. "Hören Sie also auf sich selbst, auf die Stimme der Vernunft, auf den gesunden Menschenverstand. Hören Sie uns zu: Die Menschen in der Ukraine wollen Frieden, die Regierung der Ukraine will Frieden".

Die reale Ukraine unterscheide sich komplett von dem in den russischen Nachrichten dargestellten Land. "Die Ukraine in euren Nachrichten und die Ukraine im wirklichen Leben sind zwei völlig unterschiedliche Länder", betonte Selenskij. Behauptungen, dass das aktuelle Vorgehen den Menschen in der Ukraine Befreiung bringen wird, seien falsch. Denn das ukrainische Volk sei bereits frei. Das ukrainische Volk erinnere sich an seine Vergangenheit und baue seine eigene Zukunft auf.

"Man sagt euch, dass wir Nazis sind. Aber wie können Menschen, die über acht Millionen Menschenleben für den Sieg über den Nazismus gegeben haben, den Nazismus unterstützen? Wie kann ich ein Nazi sein?", fragte der 44-Jährige. "Man sagt euch, dass wir die russische Kultur hassen. Wie kann man eine Kultur hassen?"

Moskaus Vorwürfe, dass Kiew einen Angriff auf die Gebiete in der Ostukraine vorbereite, wies er zurück. "Was soll ich bombardieren? Donezk, wo ich Dutzende Male war?", fragte Selenskij. "Lugansk, wo die Mutter meines besten Freundes wohnt? Wo der Vater meines besten Freundes begraben liegt?"

"Wollen die Russen einen Krieg?" fragte Selenkskij und verwies damit auf ein gleichnamiges sowjetisches Lied. Der Text stammt vom Dichter Jewgeni Jewtuschenko. "Diese Frage würde ich sehr gerne beantworten. Aber die Antwort hängt nur von euch ab". Schließlich betonte der ukrainische Präsident:

Ich weiß, dass mein Appell nicht im russischen Fernsehen gezeigt wird. Aber die Bürger Russlands müssen es sehen. Sie müssen die Wahrheit kennen. Die Wahrheit ist, dass Sie aufhören müssen, bevor es zu spät ist.

Bundeskanzler Olaf Scholz versicherte der Ukraine mittlerweile "die volle Solidarität Deutschlands in dieser schweren Stunde". Das habe der Kanzler dem ukrainischen Präsidenten am Morgen in einem Telefonat gesagt, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Scholz hatte den russischen Angriff zuvor als eklatanten Bruch des Völkerrechts verurteilt.

Auch EU-Ratspräsident Charles Michel versicherte dem ukrainischen Präsidenten in einem Gespräch die "stärkste Solidarität" der Europäischen Union. Er habe Russlands ungerechtfertigte, großangelegte militärische Aggression gegen die Ukraine verurteilt, schrieb Michel am Donnerstagmorgen auf Twitter.

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.