Nach neuerlichen US-amerikanischen Warnungen vor einer angeblich bevorstehenden russischen Invasion in die Ukraine in der kommenden Woche zeigte sich der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij verwundert. "Falls Sie oder jemand anderes zusätzliche Informationen über einen hundertprozentigen Einmarsch am 16. (Februar) haben, dann geben Sie uns bitte diese Information", rief Präsident Wladimir Selenskij am Sonnabend gegenüber Journalisten auf.
Kiew sei sich dessen bewusst, dass es Risiken gebe. Man sei jederzeit auf einen Krieg vorbereitet – unabhängig davon, aus welcher Richtung die Gefahr komme. Dennoch würden im öffentlichen Raum zu viele Berichte über einen Angriff Russlands auf die Ukraine verbreitet. All diese Berichte würden nur Panik schüren und der Ukraine nicht helfen.
Am Freitag hatten verschärfte Warnungen aus Washington international Unruhe ausgelöst, in denen erneut von einem möglichen russischen Angriff auf die Ukraine die Rede war. Wie zuvor bereits zahlreiche andere westliche Staaten, forderte auch die Bundesregierung am Samstag deutsche Staatsbürger in der Ukraine auf, das Land zu verlassen. Seit Wochen ist in westlichen Medien von einem russischen Truppenaufmarsch nahe der ukrainischen Grenzen die Rede. Der Kreml weist Einmarschpläne regelmäßig von sich und spricht von Kriegshysterie. In der Ukraine wurde bislang weder mobilgemacht, noch der Kriegszustand ausgerufen.
Seit Beginn der Kriegshysterie in westlichen Mainstreammedien im Dezember letzten Jahres haben ukrainische Offizielle verschiedener Ebenen wiederholt bekundet, dass nach ukrainischer Lageeinschätzung keine akute Kriegsgefahr bestehe. So hatte der ukrainische Verteidigungsminister Alexei Resnikow in einem Anfang Februar veröffentlichten Interview mit der italienischen Zeitung La Repubblica erklärt, er sehe keine unmittelbare militärische Bedrohung durch Russland. Das ukrainische Präsidialamt ließ gleichzeitig verlautbaren, dass bereits "frühere alarmistische Berichte über eine neue Eskalation gegen die Ukraine Ende Dezember oder in der ersten Januarhälfte nicht zutrafen. Dies beweist, dass unsere Forderungen nach Ausgewogenheit und Vermeidung eines alarmistischen Tons in den Medien angebracht sind."
Mitte Januar zeigte sich auch David Arachamia, der Vorsitzende der Regierungsfraktion von Selenskijs Partei "Diener des Volkes" im ukrainischen Parlament, über die Berichterstattung der westlichen Medien verwundert. Er beschwerte sich in einem Interview mit dem ukrainischen Magazin Focus, dass die westlichen Medien haltlose Gerüchte über eine mögliche russische Invasion verbreiten und damit reale Folgen für die ukrainische Wirtschaft und die Stimmung in der ukrainischen Gesellschaft verursachen.
Zuvor hatte bereits der Sekretär des ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungsrates, Alexei Danilow, Gerüchte über eine bevorstehende russische Invasion dementiert: Für derartige Absichten würde die russische Seite ein Vielfaches an Truppen benötigen. Bereits zu Beginn der westlichen Medienkampagne sprach er von einer "bewussten Desinformation der gesamten Gesellschaft".
Auch der ukrainische Generalstab hat mehrmals Behauptungen der westlichen Presse und westlicher Offizieller zurückgewiesen, Russland ziehe an der ukrainischen Grenze eine Offensivkraft zusammen. Nach allen Informationen, die dem Generalstab zur Verfügung stehen, habe Russland an keiner Stelle eine Anzahl an Truppen und Technik konzentriert, die der ukrainischen Armee im entsprechenden Segment überlegen wären.
In westlichen Medien kursierten auch wiederholt konkrete Daten für den Beginn einer russischen Invasion, die bislang alle verstrichen sind, ohne dass es zu einer militärischen Aktion kam. In die Berechnungen der Truppen, die Russland nach westlichen Darstellungen an der russisch-ukrainischen Grenze konzentriert haben soll, fließen stets auch Verbände ein, die in 300 bis 400 Kilometern Entfernung zur Grenze stationiert sind.
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(RT/dpa)