Der bosnisch-serbische Regisseur und Musiker Emir Kusturica ist einer der bekanntesten zeitgenössischen Vertreter des Autorenfilms. Die Werke des oft als "Fellini des Balkans" genannten Künstlers wurden mehrfach als beste Filme bei den Festspielen in Cannes und Berlin ausgezeichnet. Sein Metier sind aber nicht nur Filme und Konzerte mit seiner Band "The No Smoking Orchestra". Der 67-Jährige ist in Serbien auch ein wichtiger gesellschaftlicher Akteur und Kulturmäzen. Und er gibt sich gerne als Freund der russischen Auslandsenders RT. Als Filmemacher schätzt er besonders RT-Dokumentarfilme.
Die Verbreitung von RT DE über den Satellitenbetreiber Eutelsat wurde am 22. Dezember unterbunden. Eine in Serbien erteilte Lizenz sei keine ausreichende Grundlage für die Verbreitung des Programms.
Aus der Sicht Kusturicas sind solche Maßnahmen, die einem Sendeverbot gleichkommen, keine Einschränkungen der Pressefreiheit mehr, sondern Akte der Ideologie. Der Markt als "heiliger Ort" habe sowohl die Pressefreiheit als auch die Demokratie übernommen. An diesem Ort würden die Menschen dazu gebracht, die Nachrichten als Waren zu konsumieren. Diese formen die Welt und das Gehirn, "das nur auf den von ihnen installierten Frequenzen funktioniert", sagte Emir Kusturica in einem ausführlichen RT-Interview.
Auf diesem Markt würden von den Mainstreammedien Nachrichten nach Hollywood-Rezept verbreitet, bei denen "alles poliert werden muss, um vor das Publikum zu kommen". RT zeige im Gegenzug das Leben der Menschen, wie sie ist, auch in den USA, was unter anderem den "Amerikanischen Traum" direkt in den Wohnzimmern demystifiziere.
"Das Problem ist, dass andere Mainstream-Fernsehsender nur die Politik der Eliten vermitteln und zum Ausdruck bringen, während Sie das Leben der Menschen zeigen, und deshalb wollen sie Sie bestrafen."
Da RT als Medium immer globaler wird, werde es immer verbissener bekämpft – wie zuletzt in Deutschland. Der Regisseur verglich diesen Kampf "über Satelliten" mit den Versuchen, die Gas-Pipeline Nord Stream 2 zu verhindern.
"Das ist dieselbe Quelle, die gerade alles, was aus Russland kommt, abstellt"
Das sei ungerecht und könne nicht ewig so weitergehen: "Ich möchte einen Dokumentarfilm über Opioide in den Vereinigten Staaten sehen, auch für das deutsche Publikum. Ich möchte sehen, wie die Pharma-Mafia in der Welt herumläuft und Menschen tötet."
Im Interview erinnerte Kusturica an einen Artikel, den er vor sechs Jahren in der serbischen Zeitung "Politika" veröffentlicht hatte. "Ich sagte, dass der Dritte Weltkrieg beginnen wird, wenn sie die ganzen Satelliten abschalten." Kusturica setzte die Bombardierung des Hauptbüros des serbischen Radio- und Fernsehens PTC am 23. April 1999 durch die NATO mit dem Druck zusammen, der auf RT ausgeübt wird.
Damals enthüllte PTC systematisch Fake News der US-Medien über angebliche serbische Gräueltaten und berichtete über die schrecklichen Folgen der NATO-Bombardements. Die NATO hat im Gegenzug die Bombardierung mit der Rolle des Senders in der "Belgrader Propagandakampagne" begründet und beschoss ihn mit Tomahawk-Raketen. Infolge des Angriffs starben 16 Journalisten und technische Mitarbeiter.
Nach dem Ausschluss des RT-Signals bei Eutelsat sieht sich Kusturica in seiner "Prophezeiung" bestätigt:
"Ich befürchte, dass dies nicht nur eine autonome deutsche Entscheidung ist, sondern dass es sich um ein viel größeres Ausmaß eines Krieges handelt, der erst vor wenigen Jahren begonnen hat."
Der Regisseur, der in seinen Filmen auch die Jugoslawien-Kriege und die NATO-Aggression thematisierte, machte einen Bogen zur ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts:
"Historisch gesehen befürchte ich, dass dies eine Vorstellung ist, die aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg stammt, als Deutschland zweimal erfolglos versuchte, Russland zu erobern, und wir sehen Symptome desselben Vorstoßes, der sogar von mehr westlichen Ländern als nur Deutschland kommt. Deutschland wurde immer dazu gedrängt, Russland zu erobern, und ich denke, das ist jetzt der Anfang der Geschichte, die gerade mit dem Kampf gegen den Satelliten beginnt."
Kusturica machte auch auf historische Schickalse Serbiens und Russlands aufmerksam, die in den 1990er Jahren ähnliche "knochenbrechende" Prozesse des Staatszerfalls durchgemacht hätten. Die Wahrheit über diese Zeiten müsse aufrechterhalten werden, sagte er. RT hat er Standhaftigkeit im Kampf für wahrhaftige Berichterstattung gewünscht. "Sie müssen Wege finden, um vorwärts zu gehen, denn je mehr sie euch unter Druck setzen, desto mehr Publikum werdet ihr haben."
Satellitensperre für RT DE
Die deutsche Regulierungsbehörde MABB (Medienanstalt Berlin-Brandenburg) hat am 22. Dezember 2021 den europäischen Satellitendienst Eutelsat gezwungen, die Ausstrahlung des neuen, in Moskau ansässigen deutschsprachigen Senders RT DE über seine Plattform Eutelsat 9B einzustellen. Der Sender kritisierte diesen Schritt als "rechtswidrige Druckausübung" und teilte in einer Erklärung mit:
"Es ist unangemessen, dass die MABB als deutsche Regulierungsbehörde ihre Kompetenzen überschreitet, sich über das Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen, dem sie selbst unterliegt, hinwegsetzt und Eutelsat zwingt, RT DE allein aufgrund der unbegründeten und sachlich falschen Behauptungen einer deutschen Regulierungsbehörde von seinem Übertragungsdienst zu entfernen."
Die Zuschauer können RT DE weiterhin online über die Internetseite von RT DE unter https://de.rt.com/livetv/, über Smart TV sowie die RT News Mobile App sehen.
RT-Generaldirektor Alexei Nikolow betonte, dass die in Serbien ausgestellte Lizenz des Senders in voller Übereinstimmung mit dem Gesetz erworben wurde. "Wir werden auf jeden Fall für unsere Rechte kämpfen. Wir sind absolut sicher, dass alles, was wir getan haben, im Einklang mit dem Gesetz steht", sagte Nikolow. RT DE werde für Zuschauer arbeiten, die ihre eigenen Schlüsse ziehen und sich selbst informieren wollen.
"Wir haben bereits unser eigenes Publikum, und es ist uns gelungen, die Liebe unserer Zuschauerinnen und Zuschauer zu gewinnen. Und selbst diejenigen, die uns nicht besonders mögen, sind es schon gewohnt, einen anderen Blickwinkel zu haben, fern von dem der Mainstream-Medien Deutschlands und anderer Länder."
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