Vorwurf von Missbrauch: EU blockiert Corona-Hilfen für Ungarn
Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen erhöht den Druck auf Ungarn. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) verweigert die Brüsseler Behörde derzeit dem ungarischen Plan für die Verwendung von EU-Corona-Hilfen eine positive Bewertung. Grund sind nach Angaben aus EU-Kreisen bislang nicht ausreichende Garantien und Vorkehrungen gegen eine missbräuchliche Verwendung der Gelder.
Eine positive Bewertung des Plans für die Mittelverwendung ist Voraussetzung dafür, dass Ungarn Geld aus der sogenannten Aufbau- und Resilienzfazilität (RFF) der EU bekommen kann. Für das Land sind nach derzeitigen Berechnungen eigentlich rund 7,2 Milliarden Euro vorgesehen. Die Kommission hatte jüngst schon ein ungarisches Gesetz zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität und Transsexualität scharf kritisiert. "Dieses ungarische Gesetz ist eine Schande", hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen während einer Pressekonferenz vor zwei Wochen gesagt. Sie will es notfalls sogar vor den Europäischen Gerichtshof bringen. Von der Leyen hält das Gesetz für diskriminierend und damit für unvereinbar mit den Werten der EU.
Wie der Streit um den Plan für die Corona-Hilfen gelöst werden könnte, war am Dienstag unklar. Sollte Ungarn nicht in den nächsten Tagen einlenken und Zugeständnisse machen, könnte es allerdings bereits in der kommenden Woche zu einem Showdown kommen. Wenn die Kommission einen Aufbau- und Resilienzplan negativ bewertet, soll sie nämlich eigentlich innerhalb von zwei Monaten nach dessen Einreichung eine offizielle Begründung vorlegen. Diese Frist endet am kommenden Sonntag.
Offen blieb zunächst auch, ob es noch einmal ein Gespräch zwischen Orbán und von der Leyen geben könnte. Die ungarische Vertretung bei der EU war am Dienstag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Ein Sprecher der Kommission bestätigte lediglich, dass die Analyse des ungarischen Plans noch nicht abgeschlossen sei. Zu Details wollte er sich nicht äußern. Von der Leyen selbst ließ allerdings in einer Rede vor dem Europaparlament in Straßburg erkennen, dass die Kommission bei Themen wie diesem hart zu bleiben gedenkt.
Weitere Sanktionen gegen Ungarn möglich?
"Der Weg, auf dem wir diese Krise hinter uns lassen, ist auch mit der Vertrauensfrage verknüpft", erklärte sie. Dabei gehe es um das Vertrauen von Investoren und Unternehmen in eine verantwortungsvolle Regierungsführung, um das Vertrauen in solide Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption und Betrug und um das Vertrauen in freie Medien und unabhängige Gerichte. Und letztlich sei dies auch für die europäischen Steuerzahler wichtig, ergänzte sie. Denn die finanzieren letzten Endes die Corona-Hilfen.
Wenn es nach einem Gutachten von drei Rechtsprofessoren geht, droht Ungarn weiteres Ungemach. Nach Ansicht der Rechtsprofessoren könnte die EU gegen Ungarn sofort ein Verfahren zur Kürzung von EU-Mitteln einleiten. Wie aus einem von mehreren Europaabgeordneten in Auftrag gegebenen Gutachten hervorgeht, drohen Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in dem Land den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union ernsthaft zu beeinträchtigen. Damit wäre die Voraussetzung für ein Verfahren erfüllt.
Konkret sehen die Rechtsprofessoren in Ungarn einen Mangel an Transparenz bei der Verwaltung von EU-Mitteln und das Fehlen einer effektiven nationalen Strafverfolgungsbehörde zur Ermittlung und Verfolgung von Betrug. Zudem gibt es ihrer Ansicht nach keine wirksame gerichtliche Überprüfung von Handlungen oder Unterlassungen der mit den finanziellen Interessen der Union befassten Behörden durch unabhängige Gerichte.
"Diese Studie bildet die rechtliche Grundlage für ein Sanktionsverfahren", kommentierte Mitauftraggeber Daniel Freund von den Grünen. Die EU-Kommission brauche sie nur in einen Umschlag zu stecken und an den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán zu schicken. Die Voraussetzungen für Mittelkürzungen seien übererfüllt. An dem Gutachten waren laut Freund die Professorin Kim Scheppele von der Universität Princeton sowie die Professoren Daniel Kelemen von der Universität Rutgers und John Morijn von der Universität Groningen beteiligt. Es soll an diesen Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Straßburg offiziell vorgestellt werden.
Brüssel verklagt Brüssel
Das Europaparlament kritisiert seit Monaten, dass die EU-Kommission das neue Verfahren zur Kürzung von EU-Mitteln bei Rechtsstaatsverstößen bislang nicht nutzt. Zuletzt hat es deswegen bereits ein Verfahren für eine Untätigkeitsklage gegen die EU-Kommission eingeleitet. Mit anderen Worten: Brüssel verklagte Brüssel. Mit dem Schritt soll die Behörde dazu gebracht werden, das neue Instrument unverzüglich anzuwenden. Es sieht vor, dass EU-Ländern Mittel aus dem Gemeinschaftsbudget gekürzt werden können, wenn wegen Rechtsstaatsverstößen ein Missbrauch der Gelder droht.
Brisant ist das Verfahren vor allem deswegen, weil die EU-Kommission nach einer Einigung der Staats- und Regierungschefs eigentlich erst dann tätig werden soll, wenn der Europäische Gerichtshof über eine Klage von Ungarn und Polen gegen die neue Regelung entschieden hat. Mit diesem Zugeständnis waren die Regierungen in Budapest und Warschau im vergangenen Jahr dazu gebracht worden, ihre Blockade von wichtigen EU-Haushaltsentscheidungen aufzugeben.
Ungarn und Polen gehen davon aus, dass der sogenannte Konditionalitätsmechanismus nicht mit dem geltenden EU-Recht vereinbar ist. So dürfen aus polnischer Sicht für die Vergabe von Geld aus dem EU-Haushalt einzig "objektive und konkrete Bedingungen" gelten. Die EU habe keine Befugnis, den Begriff "Rechtsstaat" zu definieren, heißt es.
Die EU-Kommission argumentiert, dass durch den zeitlichen Aufschub kein einziger Fall verloren gehen werde. Als weiteres Land, dem wegen der neuen Regelung Mittelkürzungen drohen könnten, gilt neben Ungarn zum Beispiel Polen. Der Regierung in Warschau wird seit langem vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Justiz in unzulässiger Weise auszubauen.
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(rt de/dpa)
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