Zehntausende Menschen gingen gestern in London auf die Straße, um gegen die Corona-Politik der britischen Regierung unter Premierminister Boris Johnson zu demonstrieren. Das britische Nachrichtenmagazin The Guardian nennt sogar die Zahl Hunderttausend. Unter dem Motto "Unite for Freedom" ("Vereinigt euch für die Freiheit") versammelte sich eine breite Bewegung ohne Masken und Mindestabstände und zog friedlich und auch ohne Übergriffe durch die Polizei durch die britische Hauptstadt. Deutliche Kritik wurde an der geplanten Einführung von Impfpässen und an der verzögerten Öffnung des bisherigen Lockdowns in Großbritannien geübt.
Fotos und Bilder in den sozialen Medien geben einen Eindruck von der Größe und dem Ablauf der Demonstrationen:
Trotz der großen Anzahl von Teilnehmern wird die Demonstration von den führenden Medienanbietern in Großbritannien – aber auch in Deutschland – kaum erwähnt. Lediglich der "Sturm" auf das Einkaufszentrum London W12 der Westfield Group wurde aufgegriffen, als sich aus der Menge der Demonstranten einige Hundert dort für kurze Zeit Zutritt verschafften. Innerhalb des Gebäudes hielten sie eine Kundgebung ab und forderten dabei das Ende aller Lockdowns und die volle Rückgabe der Bürgerrechte.
Unter den Demonstranten war auch Piers Corbyn, eine der führenden Persönlichkeiten der britischen Anti-Lockdown-Bewegung und der ältere Bruder des ehemaligen Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn. Laut The Guardian rief Piers Corbyn der Menge über Lautsprecher zu:
"Wir sind hier als freie Menschen, die ihre Zeit damit verbringen zu kommunizieren, uns vorzubereiten auf einen Sommer der Unzufriedenheit, in dem wir uns in jeder einzelnen Gemeinde organisieren werden, um weitere Lockdowns zu verhindern. Keine weiteren Lockdowns!"
Das Einkaufszentrum wurde anschließend laut dem Fernsehsender ITV durch die Polizei geräumt, wobei sich die Demonstranten gewaltfrei zurückzogen.
Die Proteste entzündeten sich, nachdem die britische Regierung angekündigt hatte, dass die weiteren Lockerungen des andauernden Lockdown entgegen dem bereits im Februar präsentierten Öffnungsplan verschoben werden könnten. Als Gründe dafür nannte die Regierung das Auftreten einer neuen Mutation des Coronavirus, der sogenannten "Indischen Variante", obwohl laut der BBC mittlerweile fast 40 Millionen der insgesamt 66,7 Millionen Einwohner es Vereinigten Königreichs zumindest eine Erstimpfung erhalten haben.
Derzeit gelten in Großbritannien die Lockdown-Bestimmungen der dritten Stufe des Lockerungsplanes. Demzufolge dürfen zum Beispiel Restaurants und Pubs auch in den Innenräumen Gäste empfangen, aber maximal nur sechs Personen oder zwei Haushalte. An Treffen unter freiem Himmel dürfen bis zu 30 Personen teilnehmen – es gelten dabei keine Anforderungen für die Einhaltung eines Mindestabstandes. Für den Sommerbeginn am 21. Juni war ursprünglich vorgesehen, alle Corona-Einschränkungen fallen zu lassen. Dieses Vorhaben steht nun auf der Kippe, denn die britische Regierung warnt bereits vor neuen möglichen Verschärfungen des Lockdowns.
The Guardian berichtet, dass die gestrige Demonstration die größte der vergangenen Wochen war. Die Zahlen der Teilnehmer wären kontinuierlich gestiegen – ebenso die Vielfältigkeit der Menschen, die an den Protestaktionen teilnehmen. Im Gespräch mit dem Nachrichtenportal äußerten mehrere Demonstrationsteilnehmer ihre Bedenken über den Nutzen von Lockdowns und über mögliche Nebenwirkungen der Anti-Corona-Impfungen. So äußerte zum Beispiel Paul aus Bedfordshire:
"Ich habe Angst um unsere Freiheiten, um unsere Wahlfreiheit, ob wir uns impfen lassen wollen oder nicht."
Louise Creffield, die Gründerin der Gruppe Save Our Rights UK und Mitorganisatorin der Londoner Demonstration, betonte gegenüber The Guardian, dass sich der Fokus der Proteste um die "medizinische Freiheit" drehen müsse. Sie äußerte sich besorgt über umfangreiche Überwachungsmöglichkeiten und die Einführung des Impfpasses. Creffield formulierte eine der Grundforderungen:
"Wir kämpfen für ein Recht auf medizinische Freiheit [medical freedom bill], das verhindern soll, dass es zu Zwang oder Diskriminierung irgendeiner Art kommt für die Nichtteilnahme an medizinischen Prozeduren. […] Wenn wir einmal unsere medizinische Freiheit verloren haben, gibt es keine Gewissheit, ob und wann wir diese wieder zurück erhalten werden – oder wohin uns dieser Verlust führen wird."
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