EMA-Chefin lehnt Freigabe der Impfstoffpatente ab
In einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) sagte Emer Cooke, die irische Direktorin der EMA in Amsterdam, sie sei sehr froh, dass in weniger als 15 Monaten nach Beginn der Pandemie für die Europäische Union (EU) vier Impfstoffe genehmigt wurden. Nach 18 Monaten wären nun 188 Millionen Dosen in der EU verteilt und 154 Millionen Dosen verabreicht worden. Mindestens 80 Prozent der Menschen über 80 Jahre und 80 Prozent der Beschäftigten im Gesundheitswesen (in der EU) hätten eine Dosis erhalten. Sie selbst hätte daran gearbeitet, Impfstoffe und Therapeutika in weniger als einem Monat zuzulassen. Normalerweise dauerten diese Prozesse etwa ein Jahr. Doch das gilt nicht bei allen Stoffen.
Der Forderung vom US-Präsidenten Joe Biden nach einer befristeten Aufhebung der Patentrechte für Corona-Impfstoffe, erteilte Cooke eine Absage. Sie sagte:
"Das löst die akuten Probleme nicht und schafft kein Umfeld für Innovationen, denen die Vakzine zu verdanken sind. Hilfreich ist hingegen alles, was zur Produktion und zur internationalen Kooperation beiträgt."
Auf die Frage, ob sie glaube, dass China und andere Länder von einer Aufhebung der Patente profitierten, sagte sie:
"Bevor Sie diskutieren, wer profitiert und wer nicht, sollten wir uns auf das Problem konzentrieren, das wir zu lösen versuchen: Zugang zu Impfstoffen für den Rest der Welt. Für mich muss das schnell geschehen, und zwar jetzt."
Warum der russische Impfstoff Sputnik V nicht schon längst in der EU zugelassen wurde, wird dagegen immer noch mit dem Verweis auf eine seit mehr als einem halbem Jahr andauernde, angeblich "rollende Prüfung" beantwortet.
Wenn Eigentumsrechte aufgegeben würden, sieht Cooke die Herstellung und den Vertrieb der Impfstoffe nicht gefährdet. Cooke:
"Wir sehen derzeit viele Kooperationen mit Unternehmen auf der ganzen Welt, unabhängig von Ausnahmeregelungen für den Patentschutz. Ich denke außerdem, dass wir uns auf die Ermöglichung von Innovationen konzentrieren sollten. Keiner unserer bestehenden Impfstoffe wäre entstanden, wenn es kein Umfeld gegeben hätte, das Innovationen attraktiv macht."
Cooke zeigt sich optimistisch, was die steigende Menge an zur Verfügung stehenden Impfstoffen angeht. Mit einer neuen Abfüllanlage in den belgischen Puurs-Fabriken könne man die Kapazitäten um 20 Prozent erhöhen. Cooke sagte:
"200 Millionen Dosen sind bereits außerhalb Europas verteilt worden. Die EU setzt sich für die COVAX-Initiative ein, die den Zugang afrikanischer Länder zu dem Impfstoff erleichtert. Mit der WHO und den Regulierungsbehörden in vielen Ländern, einschließlich der afrikanischen, kooperieren wir, was den Zugang zu Vakzinen wirklich erleichtert und zur Zulassung in mehr als 100 weiteren Ländern geführt hat."
Cooke sieht erst bei einer Impfquote von 70 Prozent der Bevölkerung einen "Zielkorridor" für Erleichterungen. Gegen die Virusmutationen in Indien seien auch die Mittel von AstraZeneca und BioNTech wirkungsvoll, wie die indischen Behörden bestätigten. Cooke setzt auch auf die relativ rasche Anpassung der mRNA-Technologie gegen neue Mutanten.
Äußerst skeptisch ist sie mit Blick auf das Ende von Restriktionen und die volle Freizügigkeit für Geimpfte. Cooke meint:
„Ich weiß, dass man nicht einfach für BioNTech sagen kann: Wenn du zwei Impfungen hattest, kannst du dich frei bewegen. Wenn wir COVID am Anfang ernst genug genommen hätten, wären wir vielleicht in einer anderen Situation. Ich möchte also nicht, dass wir den gleichen Fehler noch einmal machen."
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