EMA prüft Fälle von Nervenkrankheit nach AstraZeneca-Impfung
Bereits in der kommenden Woche, so hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag angekündigt, soll eine Million Dosen des Impfstoffes des schwedisch-britischen Konzerns AstraZeneca an die Arztpraxen geliefert werden, die dann ohne Priorisierung vergeben werden.
Den umbenannten Impfstoff Vaxzevria soll nach dem bevorzugten Impfen von Pflegeheimbewohnern, chronisch Kranken sowie Pflegepersonal und Ärzten gegen COVID-19 jeder erwachsene Impfwillige in Absprache mit dem Arzt bekommen können. Die zwei nötigen Spritzen in einem Abstand von nur vier Wochen sind damit eine Möglichkeit, gegebenenfalls noch vor den Sommerferien in den Genuss von lang ersehnten Lockerungen der Corona-Maßnahmen zu kommen. Schon ab Sonntag sollen für Millionen Menschen, die gegen das Coronavirus vollständig geimpft oder von einer Erkrankung genesen sind, viele Alltagsbeschränkungen wegfallen.
Doch der einfacheren Erhältlichkeit stehen neue Befürchtungen um gesundheitliche Folgen entgegen. War es anfangs die eingeschränkte Wirksamkeit des Mittels von AstraZeneca im Vergleich zu anderen Impfstoffen, wurden nun nach den Sorgen um seltene, aber schwere und teils tödliche Nebenwirkungen in Form ungewöhnlicher Blutgerinnsel in Kombination mit einer reduzierten Zahl von Blutplättchen neue Risiken bekannt. Aktuell prüft die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) Berichte über eine seltene Nervenerkrankung bei Menschen, die die COVID-19-Impfung von AstraZeneca erhalten haben.
Im Rahmen einer regelmäßigen Überprüfung der Sicherheitsberichte für den Impfstoff Vaxzevria analysiert das Sicherheitskomitee der Europäischen Arzneimittelbehörde (PRAC) von AstraZeneca zur Verfügung gestellten Daten über Fälle des Guillain-Barré-Syndroms (GBS), teilte es am Freitag mit, ohne die Anzahl der Fälle zu nennen.
Bei GBS handelt um eine Erkrankung des Immunsystems, die eine Nervenentzündung verursacht und zu Schmerzen, Taubheit, Muskelschwäche und Gehbehinderung führen kann. Es wurde während des Zulassungsverfahrens als mögliches unerwünschtes Ereignis identifiziert, das eine spezifische Sicherheitsüberwachung erfordere. GBS ist eine seltene neurologische Erkrankung, die in den meisten Fällen auf eine bakterielle oder virale Infektion zurückgeht.
In der Vergangenheit wurde die Erkrankung jedoch auch mit Impfungen in Verbindung gebracht. Das war insbesondere bei einer Impfkampagne während des Ausbruchs der Schweinegrippe in den USA im Jahr 1976 und Jahrzehnte später mit dem Impfstoff, der während der H1N1-Grippe-Pandemie 2009 verwendet wurde der Fall. Laut Forschern sei die Wahrscheinlichkeit, GBS nach einer Impfung zu entwickeln, extrem gering. Das PRAC hat den Zulassungsinhaber aufgefordert, weitere detaillierte Daten vorzulegen, einschließlich einer Analyse aller gemeldeten Fälle im Rahmen des nächsten zusammenfassenden Pandemie-Sicherheitsberichtes. Weitere Informationen werden öffentlich gemacht, sobald das PRAC sie erhalte.
Mehr als fünf Millionen AstraZenca-Impfungen bundesweit verabreicht
In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) aktuell den Einsatz für Menschen ab 60 Jahren. In der Altersgruppe falle die Nutzen-Risiko-Abwägung demnach "eindeutig zugunsten der Impfung" aus. Mit dem Alter steigt nämlich das Risiko für schwere und tödliche Verläufe von COVID-19 stark an. Auch für Jüngere ist die Impfung mit dem Präparat möglich, "nach ärztlicher Aufklärung und bei individueller Risikoakzeptanz durch den Patienten", wie es die STIKO ausdrückt.
Insgesamt sind nach RKI-Daten bislang mehr als fünf Millionen AstraZenca-Impfungen bundesweit verabreicht worden. Bei Alarmsignalen wie starken anhaltenden Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit, Beinschwellungen, anhaltenden Bauchschmerzen, neurologischen Symptomen oder punktförmigen Hautblutungen sollen sich Geimpfte umgehend ärztliche Hilfe holen, hieß es mit im Zusammenhang mit bisher bekannten Komplikationen.
Am Freitag teilte die EMA weiterhin mit, dass sie Berichte über Herzentzündungen mit dem Impfstoff von BioNTech/Pfizer und dem von Moderna untersuche. Derzeit gebe es keinen direkten Hinweis, dass diese Fälle auf die Impfstoffe zurückzuführen seien. Sowohl der Impfstoff von BioNTech/Pfizer als auch der von Moderna verwenden eine neue mRNA-Technologie zum Aufbau der Immunität. Ende April hieß es zunächst aus Israel, eine vorläufige Studie habe "Dutzende von Fälle" von Myokarditis bei mehr als fünf Millionen Geimpften gezeigt, hauptsächlich nach der zweiten Dosis, so der israelische Koordinator für die Pandemiebekämpfung, Nachman Ash.
Es sei noch unklar, ob die Anzahl der Personen mit Entzündung des Herzmuskelgewebes ungewöhnlich hoch sei und ob dies in Zusammenhang mit dem Vakzin stehe. Ein Nachweis zwischen Erkrankung und Impfstoff sei schwierig, weil Myokarditis oft ohne Komplikationen ablaufe und durch eine Vielzahl von Viren verursacht werden könne. Auch sei eine ähnliche Anzahl von Fällen in den vergangenen Jahren gemeldet worden.
Auf Nachfrage der Nachrichtenagentur Reuters erklärte Pfizer, es ist sich "der israelischen Beobachtungen der Erkrankung bewusst, die überwiegend bei jungen Männern aufgetreten sei, die den Impfstoff von BioNTech/Pfizer erhielten". In einer gemeinsamen Erklärung teilten Pfizer und BioNTech nun mit, dass sie die Überprüfung der EMA unterstützen würden. Sie sähen ebenfalls keinen Hinweis auf einen kausalen Zusammenhang, nachdem weltweit mehr als 450 Millionen Dosen verabreicht worden sind.
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(reuters/dpa/rt)
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