Vietnamkrieg holt Bayer wieder ein: Französisches Gericht verhandelt Klage wegen Agent Orange
Bei der Klägerin, Tran To Nga, die 1942 im damaligen Französisch-Indochina geboren wurde, handelt es sich um eine Frankovietnamesin, die in ihren 20er Jahren als Journalistin und Aktivistin in Vietnam arbeitete. Tran reichte die Klage 2014 gegen 14 Firmen ein, die die hochgiftige Chemikalie hergestellt oder verkauft hatten, darunter Monsanto, das heute dem deutschen Riesen Bayer gehört, und Dow Chemical.
Unterstützt wird die Klage von mehreren Nichtregierungsorganisationen, die die Unternehmen gemeinsam mit Tran für die Verletzungen, die sie, ihre Kinder und unzählige andere erlitten haben, sowie für die Schäden an der Umwelt verantwortlich machen wollen.
"Eine Anerkennung der vietnamesischen zivilen Opfer würde einen juristischen Präzedenzfall darstellen", erklärte die französische Völkerrechtsspezialistin Valérie Cabanes zu dem Prozess. Bislang erhielten nur Militärveteranen – aus den USA, Australien und Korea – eine Entschädigung für die Nachwirkungen der Chemikalie. Cabanes bezeichnete die toxischen Eigenschaften von Agent Orange als absolut phänomenal", da es etwa 13-mal giftiger sei als Herbizide im zivilen Gebrauch wie zum Beispiel Glyphosat.
Vier Millionen Menschen in Vietnam, Laos und Kambodscha waren nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen über ein Jahrzehnt Agent Orange ausgesetzt, als das US-Militär schätzungsweise 76 Millionen Liter des Herbizids und Entlaubungsmittels versprühte, um den Vormarsch der nordvietnamesischen Truppen zu stoppen und den feindlichen Kämpfern die Nahrungsquellen zu entziehen.
Die USA beendeten 1971 den Einsatz von Entlaubungschemikalien im Krieg und zogen sich 1975, besiegt von den Nordvietnamesen und der Südvietnamesischen Befreiungsfront, aus Vietnam zurück. Agent Orange zerstörte Pflanzen, verseuchte den Boden, vergiftete Tiere und verursachte Krebs und Missbildungen bei Menschen, so die NGOs.
"Ich kämpfe nicht für mich, sondern für meine Kinder und die Millionen von Opfern", so Tran, die erklärte, dass Agent Orange das Immunsystem der Menschen angreife. Sie selbst leide an typischen Agent-Orange-Effekten, darunter Typ-2-Diabetes und eine extrem seltene Insulinallergie. Sie sei auch zweimal an Tuberkulose erkrankt, habe Krebs entwickelt, und eine ihrer Töchter sei an einer Fehlbildung des Herzens verstorben.
Cabanes wies darauf hin, dass jedes Jahr in Vietnam etwa 6.000 Kinder mit angeborenen Fehlbildungen diagnostiziert werden. Die multinationalen Konzerne argumentieren, dass sie nicht für die Verwendung ihres Produkts durch das US-amerikanische Militär verantwortlich gemacht werden könnten. Auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP sagte Bayer, dass Agent Orange "unter der alleinigen Leitung der US-Regierung für ausschließlich militärische Zwecke" hergestellt wurde.
Es wird erwartet, dass die Klägerin und ihre Anwälte argumentieren werden, dass die Hersteller von Agent Orange die US-Regierung über dessen wahre Giftigkeit getäuscht haben. Der Prozess in Frankreich ist möglich, da es ein Gesetz französischen Staatsbürger erlaubt, Klage gegen Handlungen einzureichen, die außerhalb des französischen Territoriums von einem Ausländer begangen wurden.
Der Prozess in der südlichen Pariser Vorstadt Evry sollte ursprünglich im Oktober beginnen, wurde aber aufgrund von COVID-19-Beschränkungen verschoben.
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