Schweizer Altersheimleiter zu Corona-Impfskepsis: "Begeisterung nur bei Risikopatienten groß"
Schweizer Medienberichten zufolge steht ein Großteil der im Pflegesektor beschäftigten Menschen einer Impfung gegen das Coronavirus skeptisch gegenüber. Zu groß sei die Sorge über potenzielle Nebenwirkungen. RT DE fragte den Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK), ob generell eine Skepsis des Pflegepersonals gegenüber Impfungen bestehe. Dies beantwortete der SBK mit einem klaren "Nein". Über 90 Prozent des Pflegepersonals in der Schweiz seien geimpft, so zum Beispiel gegen Hepatitis B oder Tetanus.
Obwohl keine generelle Skepsis gegenüber Impfungen unter dem Pflegepersonal herrsche, gebe es auch jene, die dem durch BioNTech und Pfizer produzierten Impfstoff gegen das Coronavirus kritisch gegenüberstehen.
"Bezüglich des kurz vor Weihnachten zugelassenen Impfstoffes von BioNTech/Pfizer können wir noch nicht viel sagen, das hängt stark von der Wirksamkeit sowie unerwünschten Nebenwirkungen und einer transparenten Informationspolitik über beides ab."
Der SBK teilte gegenüber RT DE mit, dass sich vor allem Vertreter zweier Gruppen bei ihm meldeten. Die "Kritischen", die eine kleine, jedoch sehr aktive Gruppe bilden und große Bedenken gegenüber potenziellen Nebenwirkungen des mRNA-Impfstoffs äußern, sowie die "Erwartungsfrohen", die tagtäglich mit teilweise schwerkranken COVID-19-Patienten zu tun haben und schnellstmöglich Zugang zu einer Impfung erhalten wollen. Viele im Gesundheitswesen, so der SBK, wollen sich zunächst gut informieren, ehe "sie sich für oder gegen eine Impfung entscheiden". Der SBK verwies ebenfalls darauf, dass es keinen Impfzwang in der Schweiz geben werde.
"Die Behörden haben nicht vor, eine Impfpflicht auszusprechen. Auch die Arbeitgeberverbände im Gesundheitswesen, gemeinsam mit den Gewerkschaften und dem SBK, haben sich gegenüber den Betrieben wie folgt positioniert: 'Es gilt, die individuellen Entscheide bezüglich Impfung der Mitarbeitenden zu respektieren'."
RT DE fragte auch bei einem Altersheim in St. Gallen nach, in dem sich laut der Schweizer Tageszeitung 20 Minuten nur rund zehn Prozent der Mitarbeiter bisher für eine Impfung angemeldet hatten. Heimleiter Kurt Ryser-Vogt bezeichnete die Skepsis gegenüber dem Impfstoff als ein "gesellschaftliches Abbild". Demnach sei auch außerhalb von Altersinstitutionen die "Begeisterung nur bei den Risikopatienten groß", da diese mit der Hoffnung verbunden ist, einer lebensbedrohlichen Infektion durch das Coronavirus zu entgehen.
"Unsere Gesellschaft ist so stark individualisiert, dass wir erst wieder lernen müssen, für verschiedene Gruppen, unter anderem für das hohe Alter, einzustehen. Oder auf die Impfung bezogen – mich impfen zu lassen, damit gefährdete Mitmenschen geschützt werden können."
Der Heimleiter beklagte ferner die mangelnde Anerkennung der Arbeit seitens Behörden und der Regierung. Demnach herrsche seit März vergangenen Jahres kein regulärer Betrieb mehr. Viele Überstunden seien geleistet worden. Dass in Anbetracht dieses Sachverhalts mit einem neuen Impfstoff gegen das Coronavirus "nicht nur Jubel zu hören ist", kann Ryser-Vogt nachvollziehen.
Kurz vor Weihnachten trafen die ersten rund 100.000 Impfdosen von BioNTech/Pfizer in der Schweiz ein. Laut der Regierung in Bern sollen 250.000 weitere im Januar folgen. Zahlen der Johns-Hopkins-Universität zufolge liegt die Zahl der positiv Getesteten in der Schweiz bei bislang 465.981. Rund 317.600 gelten als genesen. Die Zahl der in Verbindung mit dem Coronavirus verstorbenen Menschen liegt derzeit bei 8.014.
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