Europa

"Da finden viele die NATO doof" – Heiko Maas wendet sich an seine Partei

Bei einer Diskussionsveranstaltung sprach der Bundesaußenminister Heiko Maas das Thema NATO und das Verhältnis zu den USA an. Da die USA nicht mehr "der Weltpolizist sein werden", müssten die Europäer "mehr Verantwortung übernehmen". Dies sei nur innerhalb der NATO möglich.
"Da finden viele die NATO doof" – Heiko Maas wendet sich an seine ParteiQuelle: www.globallookpress.com

Am Samstag traten mehrere SPD-Größen beim sogenannten Debattencamp auf. Bei der mehrstündigen Diskussionsveranstaltung wollten sie die Weichen für den im Jahr 2021 bevorstehenden Wahlkampf stellen. So stellte der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz die Grundsätze seines Regierungsprogramms vor. Bundesaußenminister Heiko Maas sprach über die Fragen der europäischen Souveränität und stellte Vermutungen über die künftige US-Politik gegenüber der NATO angesichts des bevorstehenden Regierungswechsels an. Damit riss er Themen an, die in der Partei kontrovers diskutiert werden.

Maas sprach sich für eine stärkere Rolle Deutschlands und der anderen europäischen Staaten in der NATO aus. Er sei fest davon überzeugt, dass die neue US-Führung dies einfordern werde. "Die Vereinigten Staaten werden nicht mehr der Weltpolizist sein." Maas sagte: "Deshalb müssen wir den europäischen Pfeiler besser aufstellen innerhalb der NATO."

Der Außenminister forderte: "Die Europäer in der NATO werden mehr Verantwortung in der Zukunft übernehmen müssen, regional, in der unmittelbaren, aber auch der mittelbaren Nachbarschaft, das ist auch die Erwartung, die die Amerikaner haben." An die Adresse seiner Partei räumte Maas ein: "In der SPD gibt’s viele, die finden die NATO doof." Verteidigung funktioniere aber besser zusammen mit anderen.

In seinem Auftritt wiederholte er teilweise Aussagen, die er eine Woche zuvor im Gespräch mit dem Spiegel getätigt hatte. Im Interview sagte er, dass Europa und die USA strategisch wieder enger zusammenarbeiten müssten.

"Wir dürfen nicht noch einmal ein Vakuum lassen, wie etwa in Libyen oder Syrien, das dann von anderen gefüllt wird, von Russland oder der Türkei. Autokratischen Akteuren dürfen wir keine Räume mehr für ihre Spielchen bieten. Wir Europäer sind bereit, unseren Teil dazu beizutragen, im Bündnis mit den USA ein Garant für Frieden, Demokratie und Menschenrechte zu sein."

An welche NATO-Kritiker in den SPD-Reihen appellierte Maas in seiner Rede? Offenbar an jene, die wie der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich den Abzug der US-Atomwaffen gerne begrüßen würden. Im Mai sagte er:

"Es wird Zeit, dass Deutschland die Stationierung zukünftig ausschließt."

"Ich habe an etwas erinnert, was seit Jahren Beschlusslage der SPD ist, was unsere Kanzlerkandidaten von Steinmeier bis Schulz gefordert haben und was Ziel im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP 2009 war", verdeutlichte Mützenich später seine Position.

Trotzdem löste der Politiker im Mai einen regelrechten Koalitionsstreit aus. Die Union kritisierte Mützenichs Thesen scharf und warf der SPD vor, sie gefährde Deutschlands Bündnisfähigkeit in der NATO. "Die Unionsfraktion fordert, dass der Außenminister hier auf seine eigene Partei einwirkt", sagte Mützenichs Gegenpart von der CDU Johann Wadephul.

Maas wirkte ein. "Unsere Außen- und Sicherheitspolitik darf nie ein deutscher Sonderweg sein", sagte er damals. Als Maas vor wenigen Tagen erfahren hatte, dass derUS-Kongress den geplanten Abzug von Soldaten aus Deutschland vorerst blockierte, freute er sich. Der künftigen US-Regierung versicherte der deutsche Außenminister, deren Truppen seien in Deutschland willkommen.

In seiner Forderung war Mützenich allerdings keineswegs allein. Viele linksgerichtete SPD-Politiker stellten sich hinter ihren Fraktionsvorsitzenden. Er bekam ausdrückliche Unterstützung von beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sowie Vize Kevin Kühnert.

Dabei sieht Mützenich nicht nur die Anwesenheit der US-Atomwaffen in Deutschland kritisch. Auch zur Politik gegenüber Russland hat er eine Meinung, die vom SPD-Establishment immer seltener zu hören ist. Eine Verlagerung von Truppen in Richtung Osten könnte die Spannungen mit Russland verschärfen – "zumal sie gegen die NATO-Russland-Grundakte verstoßen würde", sagte er im Juni in einem Interview.

Wadephul, der als Hardliner gegenüber Russland gilt, erwartet deshalb im kommenden Wahljahr "härtere Auseinandersetzungen" mit seinem Koalitionspartner über Fragen wie NATO-Bündnistreue, nukleare Teilhabe oder Rüstungskooperationen mit den USA.

Scholz: Gegen die USA bestehen

Dass die Trennlinien sich nicht nur zwischen SPD und Union, sondern auch durch die Partei ziehen, zeigten die Aufritte beim Debattencamp eindrücklich. Während Maas nicht müde wird, transatlantische Treue zu betonen, scheint Kanzlerkandidat Olaf Scholz daran nicht so viel zu liegen.

So ist für Maas das Auftreten gegenüber China nur zusammen mit USA denkbar. "Je enger der Schulterschluss zwischen den USA und Europa, desto größer unser Einfluss auf Peking", sagte er im Spiegel-Interview. Für Scholz, der bislang über kein außenpolitisches Profil verfügte, sind die USA kein unerlässlicher Sonderpartner, sondern lediglich eine der Mächte, gegen die Europa "entschlossen" handeln müsse.

Europa könne gegen China, die USA und auch andere aufstrebende Mächte nur noch dann bestehen, wenn es entschlossen mit einer Stimme spreche – und handele. Nur dann könnten die wichtigen gemeinsamen Werte erhalten werden – Demokratie, Rechtsstaat, soziale Marktwirtschaft. Und das sei "keine Sache für Sonntagsreden", so Scholz beim Debattencamp.

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