Europa

Frankreich: Verbot der türkischen rechtsextremen Grauen Wölfe in Planung

Der französische Innenminister Gérald Darmanin kündigt ein Verbot der rechtsextremistischen türkischen "Grauen Wölfe" an. Der Anlass ist die Beschmutzung des armenischen Völkermord-Mahnmals. Potenzieren sich nun die Spannungen zwischen Frankreich und der Türkei?
Frankreich: Verbot der türkischen rechtsextremen Grauen Wölfe in PlanungQuelle: www.globallookpress.com

Das Mahnmal für den Völkermord an den Armeniern im Ersten Weltkrieg im französischen Décines-Charpieu wurde am letzten Wochenende geschändet. Die Täter hatten in gelber Farbe unter anderem die Initialen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan – RTE – und auch gleich mit "loup gris", zu Deutsch "Graue Wölfe", unterschrieben.

Frankreich will nach dieser Schandtat die türkische ultranationalistische Organisation der Grauen Wölfe auflösen. Das sagte der französische Innenminister Gérald Darmanin nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP.

Um es mild auszudrücken, sprechen wir über eine besonders aggressive Gruppe", so Darmanin.

Er sagte vor dem Rechtsausschuss, ein Gesetz zum Verbot der Grauen Wölfe werde dem französischen Kabinett am Mittwoch vorgelegt. Demnach würden Aktionen und Treffen der Organisation mit Bußgeldern und sogar mit Gefängnis bestraft werden.

Die Vorsitzende der Rechtskommission, Yaël Braun-Pivet, nannte das anvisierte Verbot eine hervorragende Nachricht:

Diese gewalttätigen Splittergruppen haben auf unserem Boden keinen Platz.

Die Grauen Wölfe sind der extreme Flügel der MHP (Milliyetçi Hareket Partisi – dt.: Nationale Partei der Bewegung). Die MHP unterstützt die regierende AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi – dt.:Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) des türkischen Präsidenten Erdoğan.

Der Bergkarabach-Konflikt und die Grauen Wölfe

In Frankreich eskalierte der Streit zwischen den französischen Türken und Armeniern mit dem erneuten Ausbruch des Bergkarabach-Konfliktes zwischen Armenien, das von Frankreich unterstützt wird, und Aserbaidschan, dem turksprachigen Land, das der Türkei sehr nahesteht.

Bergkarabach ist eine Enklave auf aserbaidschanischen Gebiet. Sie wird jedoch mehrheitlich von Armeniern bewohnt. Da beide Länder Sowjetrepubliken waren und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion der Kampf um die Unabhängigkeit begann, entbrannte auch der nach 1988 der Krieg um die Region Bergkarabach. Seit 1990 wird sie zwar von armenischen Separatisten kontrolliert und erklärte sich 2017 für unabhängig, doch völkerrechtlich gehört sie zu Aserbaidschan. Zudem wurde die Unabhängigkeit von keinem einzigen Land anerkannt, einschließlich Armenien.

Am 27. September eskalierte der Konflikt erneut. Seitdem werden auch Spannungen zwischen der armenischen und türkischen Gemeinde in Frankreich gemeldet. Am letzten Mittwoch wurden vier Menschen auf der Autobahn außerhalb von Lyon während einer Demonstration von armenischen Gruppen gegen die Angriffe Aserbaidschans auf Bergkarabach verletzt.

Eine weitere Konfliktlinie ist auch die massenhafte Ermordung von Armeniern 1915 im Osmanischen Reich. Insbesondere die armenische Diaspora in Frankreich hat lange dafür gekämpft, dass das Ereignis als Völkermord anerkannt wird.

Vor dem Hintergrund des Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan in der Kaukasusregion Bergkarabach hatte es in einigen französischen Städten Proteste türkischer Nationalisten gegen Armenien gegeben. Videos der Demonstrationen wurden in sozialen Netzwerken teils mit Symbolen der Grauen Wölfe geteilt.

Am Montag war auch das armenische Konsulat in Lyon in gelber Farbe mit "1915" und den Buchstaben "RTE" – mit einem Herzen umrandet – beschmiert worden.

Es wird erwartet, dass der Vorstoß des französischen Innenministers weitere Spannungen mit Ankara hervorrufen wird.

Die rechtsextreme MHP und ihre Grauen Wölfe

Die europäische Öffentlichkeit wurde zum ersten Mal mit dem Attentat auf Papst Johannes Paul II. im Jahre 1981 mit dem Namen "Graue Wölfe" konfrontiert. Täter war der Rechtsextremist Mehmet Ali Ağca, der den Grauen Wölfen angehörte.

Die Grauen Wölfe sind eine Art Sturmtruppe der , die bis 2016 in klarer Opposition zur regierenden AKP stand. Das änderte sich nach dem Abbruch der Friedensverhandlungen mit den türkischen Kurden und ihrer Partei HDP (Halkların Demokratik Partisi, dt.: Demokratische Partei der Völker), deren Ko-Vorsitzende Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ seit 2016 bzw. 2017 in Haft sind.

Die MHP unterstützte die regierende AKP 2018 mit einem Wahlbündnis und ist bisher auch im Parlament ein verlässlicher Partner der AKP. Mit der MHP band die AKP die nationalistischen Stimmen in der Türkei an sich und konnte sich mit deren Beistand an der Macht halten, ist jedoch andererseits von ihrer weiteren Unterstützung abhängig. Die emotionale Bindung der Grauen Wölfe an Erdoğan ist zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass die türkische Außenpolitik derzeit mit den Vorstellungen der Nationalisten konform geht.

Die Grauen Wölfe in Deutschland

Im deutschen Verfassungsschutzbericht 2019 werden die Grauen Wölfe als Träger und Verbreiter nationalistisch-rechtsextremistischen Gedankenguts bezeichnet. Sie messen  Mitglieder der eigenen Volksgruppe einen höheren Stellenwert zu als anderen Ethnien.

Die Grauen Wölfe verstehen sich als Teil der "Ülkücü"-Bewegung, der Bewegung der "Idealisten". Ihr Ziel ist die Einheit des "Turan", also aller Gebiete, in denen Turkvölker leben, von der Adria bis zu den in China lebenden Uiguren.

Das Symbol des Grauen Wolfs ("Bozkurt") und der sogenannte Wolfsgruß (Daumen sowie Mittel- und Ringfinger der rechten Hand formen den Kopf eines Wolfs mit Zeige- und kleinem Finger als Ohren) gelten als ihr Erkennungszeichen. Auch die "Üç Hilal" ("Die drei Halbmonde"), das Parteizeichen der MHP, ist ein Symbol, unter dem sich die Grauen Wölfe zusammenfinden.

Die "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V." (ADÜTDF) ist der größte "Ülkücü"-Dachverband in Deutschland. Sie ist die Auslandsvertretung der MHP.

In Deutschland sind laut dem Verfassungsschutzbericht 2019 in rund 170 lokalen Vereinen etwa 7.000 Mitglieder als Träger und Multiplikatoren der Ideologie organisiert.

Der zentrale Bezugspunkt der Grauen Wölfe ist die Türkei. Die expansionistische Außenpolitik der Türkei in der Region findet unter ihnen Anklang. Sowohl der Haltung der Türkei im Bergkarabach-Konflikt, also die bedingungslose Unterstützung Aserbaidschans "mit allen Mitteln", als auch das militärische Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte in den türkisch-syrischen Grenzregionen finden große Zustimmung. 

Der Erzfeind der Grauen Wölfe war bisher die kurdische PKK bzw. prokurdische Parteien wie die oben erwähnte HDP. Am Rande von Demonstrationen und Veranstaltungen kam es schon oft zu Zusammenstößen zwischen Grauen Wölfen und PKK-Anhängern. 

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