Europa

Nach vier Tagen Gefeilsche: EU-Gipfel einigt sich auf "Corona-Paket"

Mehrfach stand der EU-Gipfel in Brüssel vor dem Scheitern. Nach viertägigem Feilschen gab es aber am Dienstagmorgen eine Einigung. Damit stehen das "Corona-Hilfspaket" und der EU-Haushalt bis 2027. Die Kosten sind erheblich, die Zugeständnisse an die Kritiker auch.
Nach vier Tagen Gefeilsche: EU-Gipfel einigt sich auf "Corona-Paket"Quelle: AFP © / JOHN THYS

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich nach viertägigen, zähen Verhandlungen auf das größte Haushalts- und Finanzpaket ihrer Geschichte geeinigt. Der Kompromiss wurde am frühen Dienstagmorgen bei einem Sondergipfel in Brüssel von den 27 Mitgliedsstaaten angenommen, wie der belgische Ratspräsident Charles Michel auf Twitter mitteilte.

Michel erklärte einigermaßen euphorisch:

Wir haben es geschafft! Wir haben eine Einigung über das Konjunkturpaket und den europäischen Haushalt für 2021-2027 erzielt. Das ist ein starkes Abkommen. Und vor allem das richtige Abkommen für Europa im Moment.

Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich am Dienstagmorgen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron zufrieden. Die müde aussehende Kanzlerin erklärte:

Es war nicht einfach, aber was für mich zählt ist, dass wir uns zusammengerauft haben und dass wir alle davon überzeugt sind, dass wir etwas aus den Ergebnissen machen wollen.

Zusammen umfasst das Paket die ungeheure Summe von 1,8 Billionen Euro. Davon sind 1.074 Milliarden Euro für den nächsten siebenjährigen Haushaltsrahmen vorgesehen, 750 Milliarden Euro für ein Konjunktur- und Investitionsprogramm gegen die Folgen der durch die staatlichen Corona-Maßnahmen verursachten Wirtschaftskrise. Die Schulden für den Corona-Fonds sollen bis zum Jahr 2058 zurückgezahlt werden.

Erstmals werden im großen Stil im Namen der EU Schulden aufgenommen, das Geld zwischen den Ländern umverteilt und gemeinsam über Jahrzehnte getilgt. In großem Maßstab soll in das investiert werden, was man auf offizieller Seite gern den Umbau in eine "digitalere und klimafreundlichere Wirtschaft" nennt. 

Am Montag waren zwei der schwierigsten Einzelfragen gelöst und damit der Weg zu einer Gesamteinigung geebnet worden. Zum einen fand man nach tagelangem Streit einen Kompromiss zum Kern des Corona-Programms: Die sogenannten "sparsamen Staaten" akzeptierten, dass gemeinsame Schulden aufgenommen werden und das Geld als Zuschuss an die EU-Staaten geht.

Im Gegenzug willigten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien ein, die Summe dieser Zuschüsse aus dem Corona-Programm von 500 Milliarden Euro auf 390 Milliarden zu verringern. Dazu kommen 360 Milliarden Euro, die als Kredit vergeben werden.

Die zweite Streitfrage wurde dann am Montagabend geklärt: Man fand eine Formel zur Koppelung von EU-Geldern an die Rechtsstaatlichkeit, die alle 27 Staaten annahmen. Zuvor hatten sich Polen und Ungarn strikt gegen einen solchen Rechtsstaatsmechanismus gewehrt, zumal gegen beide Staaten Verfahren wegen Verletzung von "EU-Grundwerten" laufen.

Mehrere andere EU-Staaten beharrten jedoch darauf, dass EU-Gelder gebremst werden, wenn gemeinsame Werte missachtet werden. Die Kompromissformel wurde von mehreren Staaten erarbeitet und in der Runde der 27 vom lettischen Regierungschef Krišjānis Kariņš vorgetragen.

Die Interpretation der Klausel war unterschiedlich. Während EU-Vertreter sie als wirksame Koppelung bezeichneten, zitierte die polnische Nachrichtenagentur PAP polnische Regierungsquellen mit der Einschätzung, die Koppelung sei gestrichen worden. Ungarische Medien feierten die Einigung als Sieg für Ministerpräsident Viktor Orbán.

Während des Gipfels waren die immer tieferen Gegensätze innerhalb der EU deutlich zutage getreten. Die Zustimmung der Kritiker wurde mit erheblichen finanziellen Zugeständnissen erkauft. So erhalten die Niederlande, Dänemark, Schweden und Österreich, allesamt Kritiker des Corona-Pakets, in den kommenden Jahren einen deutlichen Beitragsrabatt. 

Der Erfolg des Haushalts- und Finanzpakets ist alles andere als gewiss. Nicht nur deutsche Ökonomen warnen vor den Risiken einer gesamtschuldnerischen Haftung und einer sich aus dem aufgebauten enormen Geldüberhang ergebenden Inflation.

Die Parlamente der 27 Mitgliedsstaaten müssen der großangelegten Schuldenaufnahme durch die Kommission noch zustimmen. Damit das große Geldausgeben 2021 beginnen kann, muss dieser Prozess bis zum Dezember abgeschlossen sein. 

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rt/dpa

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