Europa

Umfrage in Europa: Ansehen der USA bricht weiter dramatisch ein

Laut einer neuen Umfrage hat sich die Wahrnehmung der Vereinigten Staaten in einigen europäischen Ländern dramatischen verschlechtert. Schuld daran sei auch das Gebaren der USA in der Corona-Krise, so die Auswertung. Immer weniger Europäer sehen in den USA eine "Kraft des Guten".
Umfrage in Europa: Ansehen der USA bricht weiter dramatisch einQuelle: AFP © Mario Tama

Mehr als 60 Prozent der Befragten in Deutschland, Frankreich, Spanien, Dänemark und Portugal gaben an, dass sie das Vertrauen in die Vereinigten Staaten als weltweit führendes Land verloren hätten. Die Umfrage wurde vom in Berlin ansässigen European Council on Foreign Relations (ECFR) in Auftrag gegeben und von Datapraxis und YouGov Ende April und in der ersten Maiwoche in neun EU-Ländern durchgeführt, die zusammen zwei Drittel der Bevölkerung des Blocks ausmachen. Bei den Ländern handelt es sich um Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, Polen, Portugal, Spanien und Schweden.

Laut der Interpretation des ECFR habe der Pandemie-Schock die Bürger der genannten Länder "traumatisiert". Die befragten Europäer fühlten sich, so der Bericht, "allein und verletzlich". In fast allen untersuchten Ländern gab eine Mehrheit der Menschen an, dass sich ihre Wahrnehmung der USA seit dem Ausbruch der Pandemie verschlechtert habe. Am stärksten ausgeprägt war die negative Einstellung gegenüber den USA in Dänemark (71 Prozent), Portugal (70 Prozent), Frankreich (68 Prozent), Deutschland (65 Prozent) und Spanien (64 Prozent). In Frankreich sagten 46 Prozent und in Deutschland 42 Prozent, dass sich ihre Meinung über die USA während der Pandemie "sehr" verschlechtert habe.

Susi Dennison und Pawel Zerka vom ECFR, schreiben in ihrer Bewertung der Umfrage, dass das Vertrauen in die USA durch den Umgang mit der Gesundheitskrise "gebrochen" und die Unterstützung für das transatlantische Bündnis "ausgehöhlt" worden sei.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Freitag in einem Interview mit der englischen Zeitung Guardian mitgeteilt, dass die Welt es nicht länger als selbstverständlich hinnehmen könne, dass die USA weiterhin eine globale Führungsrolle anstrebten.

In der Bewertung des ECFR heißt es weiter:

Das Vertrauen der Europäer in die USA ist dahin. Viele waren entsetzt über die chaotische Reaktion [der USA] auf COVID-19; über die mangelnde Solidarität, die sie mit den Europäern bei der Schließung ihrer Grenze für Mitglieder des Schengen-Raums am 12. März gezeigt haben; und über ihre mangelnde Führungsrolle bei der Bewältigung der Coronavirus-Krise auf globaler Ebene.

Das Vertrauen in die Zukunft der transatlantischen Partnerschaft ist laut der Umfrage so gering, dass nur zwei Prozent der Befragten in Deutschland und drei Prozent in Frankreich angaben, sie würden mit der Unterstützung der USA rechnen, wenn Europa seine angeschlagene Wirtschaft wieder aufbaut.

Die Europäer haben die Tatsache verdaut, dass die USA in Zeiten der Not nicht mehr unbedingt ein Freund Europas sind", schreibt Dennison.

Laut dem ECFR deute alles darauf hin, dass der Wandel in der westeuropäischen Haltung über die kritische Haltung zu Trump oder den Umgang der USA mit dem Virusausbruch in den USA hinausgehe. Laut den Autoren gebe es jetzt eine tiefere Unsicherheit über die USA als "Kraft des Guten", über das US-Engagement für den Multilateralismus und über die Fähigkeit der Vereinigten Staaten, "die Welt anzuführen".

Trump hat in der Tat seine Antipathie gegen die Europäische Union seit Jahren deutlich gemacht. Er wirft ihr vor, die USA beim Handel "abzuzocken". Vor kurzem ordnete er den Abzug von 10.000 US-Soldaten aus Deutschland an. Ohne die USA an der Spitze des multilateralen Systems, so das Fazit der Autoren, wollten die Europäer, dass die EU mehr "Verantwortung" für internationale Herausforderungen wie die Pandemie und den klimatischen Notstand übernähme.

Die Europäer müssen jetzt mit dem Wissen leben, dass unser Kontinent trotz aller Strukturen, die wir geschaffen haben, um uns auf EU- und globaler Ebene zu schützen, innerhalb weniger Wochen von der Selbstgefälligkeit zur völligen wirtschaftlichen und sozialen Abschottung übergehen kann. Diese Erkenntnis kann tief greifende Folgen für die Art und Weise haben, wie Europa mit dem Rest der Welt umgeht", schreiben die Autoren.

Die Umfrage ergab ebenfalls eine stärkere Unterstützung für Maßnahmen gegen den Klimawandel. Mehr als 40 Prozent der Menschen in sechs der neun befragten Länder gaben an, dass ihre Unterstützung für die Erfüllung der Klimaverpflichtungen trotz der COVID-19-Krise zugenommen habe.

Auch zugenommen hat die kritische Sicht auf China. Mehr als 60 Prozent der Menschen in Frankreich und Dänemark gaben an, dass sich ihre Sicht auf das Land verschlechtert habe. Eine breite Unterstützung (57 Prozent) gibt für strengere Kontrollen an den europäischen Außengrenzen.

Die Einstellung gegenüber Russland blieb laut der Umfrage weitgehend unverändert, außer in Italien, wo fast ein Viertel der Befragten (23 Prozent) angab, das Land infolge der Pandemie positiver zu sehen. Russland hatte in der Anfangsphase der Pandemie Militärärzte und Versorgungsgüter in die am stärksten betroffene Region Italiens, die Lombardei geschickt. Auch in Bulgarien stieg das Ansehen Russlands um 27 Prozent.

Der ECFR ist eine private, nicht-gewinnorientierte Organisation, die sich aus Spendengeldern finanziert. Sie wurde 2007 mit Unterstützung von George Soros’ Open Society Foundations, der Communitas Foundation und Fundación Para las Relaciones Internacionales y el Diálogo Exterior (FRIDE) gegründet.

Kritiker sehen in der Organisation ein Vehikel, um die Militarisierung und Aufrüstung der EU voranzutreiben. Zur Bewertung der Umfrage durch das ECFR passt, dass der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, am Montag in einem Interview mit der Funke-Gruppe gefordert hatte, dass die EU in Libyen mit Militäreinsatz drohen sollte. Deutschland müsse mehr Verantwortung übernehmen. 

Laut Ischinger bleibe Diplomatie allzu oft Rhetorik, wenn man in internationalen Konflikten nicht mit dem Einsatz militärischer Mittel drohen könne.

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