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Geleaktes Dossier: Wie Labour-Funktionäre wegen Jeremy Corbyn die eigene Partei sabotierten

Ein geleaktes Dossier soll aufzeigen, wie einige Labour-Parteimitglieder, darunter auch Führungskräfte, alles in Gang setzten, um die Unterhauswahlen 2017 zu verlieren. Mit einer klaren Niederlage erhofften sie sich, den damaligen Parteichef Jeremy Corbyn loszuwerden.
Geleaktes Dossier: Wie Labour-Funktionäre wegen Jeremy Corbyn die eigene Partei sabotiertenQuelle: Reuters © Henry Nicholls

Ein riesiger Datensatz mit geleakten WhatsApp-Nachrichten und E-Mails soll belegen, wie leitende Funktionäre, zum Teil sogar aus der Parteizentrale, den eigenen Wahlkampf im Jahr 2017 sabotierten und einen Sieg verhindern wollten. 

Das noch unveröffentlichte Dossier, das der britischen Tageszeitung The Independent vorliegen soll, sei während der letzten Amtstage des mittlerweile abgetretenen Parteichefs Jeremy Corbyn verfasst worden, so die britische Zeitung.

Die Labour-Partei bestätigte die Echtheit des Dossiers. Unklar ist jedoch, wer es in Auftrag gegeben und wer es verfasst hat. Die Auszüge aus dem 860 Seiten umfassenden Dokument zeichnen ein desaströses Bild der Partei. Laut diesem sollen Geldmittel sowie Ressourcen gezielt an Kandidaten des rechten Parteiflügels geschleust und bestimmte Informationen nicht an die Parteiführung weitergeleitet worden sein. Auch hätten einige Parteifunktionäre mitten im Wahlkampf einige Monate lang die Hände in den Schoß gelegt und "nichts getan".

Parteifunktionäre, die Wahlen verlieren wollen

Von diesen "Mitarbeitern" soll ferner ein Chat eingerichtet worden sein, der ihnen dabei helfen sollte, ihre Untätigkeit zu kaschieren. In diesem herrschte ein reger Austausch von Nachrichten, der den Eindruck von "Aktivität" erwecken sollte. Ein Chat-Protokoll der Wahlnacht 2017 soll zeigen, dass 45 Minuten, nachdem die ersten Ergebnisse vorlagen, ein hoher Parteifunktionär geschrieben haben soll, das Ergebnis sei das "Gegenteil von dem, worauf ich in den letzten Jahren hingearbeitet hatte".

In der Wahl zum britischen Unterhaus im Jahr 2017 verfehlte die Labour-Partei knapp den Regierungswechsel. Sie kam insgesamt auf 40,3 Prozent der Stimmen. Die Tories unter der damaligen Premierministerin Theresa May kamen auf 42,4 Prozent und konnten sich knapp behaupten. Eine Person soll sich im Chat wie folgt geäußert haben: "Wir müssen optimistisch sein und dürfen es nicht zeigen". Ein weiterer soll wiederum geschrieben haben, dass "alle lächeln müssen", auch wenn das Ergebnis "schrecklich" sei.

Ein positives Umfrageergebnis des Meinungsforschungsinstituts YouGov vor der Wahl soll ein Labour-Mitglied mit den Worten "Ich fühlte mich eigentlich ziemlich krank, als ich gestern Abend diese YouGov-Umfrage sah" kommentiert haben. Das Dossier soll außerdem aufzeigen, wie gehässig die Atmosphäre zwischen linkem und rechtem Flügel der Partei gewesen sein soll.

"Erhängen und verbrennen"

Einem linken Mitglied der Partei mit gesundheitlichen Problemen soll ein Mitglied des rechten Flügels gewünscht haben, dass der Linke "bei einem Brand" umkommen solle. Ein weiterer soll ergänzt haben, dass er "nicht auf ihn pissen würde, um die Flammen zu löschen". Einige leitende Mitarbeiter sollen ebenfalls darüber "gescherzt" haben, Corbyn zu "erhängen und zu verbrennen".

Dokumentiert sei auch, dass Mitglieder des rechten Parteiflügels die Anhänger Corbyns als "trots" – in Anlehnung an den russischen Revolutionär Leo Trotzki – bezeichnet haben sollen. Während der Wahlen zur Parteiführung in den Jahren 2015 und 2016 sollen Parteirechte versucht haben, diejenigen, die sie als "trots" bezeichneten, von den Wahlen auszuschließen – aus Furcht, sie könnten für Jeremy Corbyn stimmen.

Dafür sollen sie auch die sozialen Medien durchforstet haben, um nach Gründen für den Ausschluss der linken Wähler zu suchen. Das Dossier soll ferner belegen, dass "die Ressourcen der Partei – die von Parteimitgliedern finanziert wurden – häufig zur Förderung der Interessen einer Fraktion eingesetzt wurden und in einigen Fällen dazu dienten, die Ziele der Partei zu untergraben".

Im Vorfeld der Wahlen 2017 soll bei Parteifunktionären die Rede davon gewesen sein, Ressourcen an Kandidaten zu lenken, die der Führung kritisch gegenüberstehen. So soll es ein geheimes "Key-Seats-Team" ("Schlüsselsitz-Team") mit Sitz im Londoner Regionalbüro der Labour-Partei im Ergon House gegeben haben, "von wo aus parallel ein allgemeiner Wahlkampf zur Unterstützung der mit dem rechten Flügel der Partei verbundenen Abgeordneten geführt wurde".

"Dürfen so etwas nie wieder geschehen lassen"

Die Parteifunktionäre sollen dabei versucht haben, einige ihrer Aktivitäten zu verbergen. Laut dem Dossier schreibt ein Parteimitglied:

Wir müssen verhindern, dass digitale Wahlkampfbudgets zur Genehmigung an [einen namentlich genannten linken leitenden Mitarbeiter] gehen, denn er kann nicht sehen, was wir mit den digitalen Ausgaben machen.

"Momentum", eine Gruppe des linken Labour-Flügels, forderte eine vollständige Untersuchung des Berichts:

Die Labour-Partei kam bei den Parlamentswahlen 2017 [einem Sieg] so nahe. Wir gewannen 40 Prozent der Wählerstimmen und waren weniger als 2.500 Stimmen davon entfernt, eine Regierung zu bilden. Hätten wir an einem Strang gezogen, hätten wir gewinnen können. Eine Labour-Regierung hätte wichtige öffentliche Dienste wiederbeleben, eine widerstandsfähigere Wirtschaft aufbauen und Leben retten können, indem sie unserem NHS die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt hätte", sagte John Taylor, Mitglied der nationalen Koordinierungsgruppe von Momentum.

Weiter hieß es:

Stattdessen ließen durchgesickerte WhatsApp-Botschaften vermuten, dass die Parteizentrale die Chancen der Labour-Partei im Jahr 2017 unterminierte und enttäuscht war, als die Tories ihre Mehrheit verloren. Für die Aktivisten, die alles dafür gegeben haben, um für eine Labour-Regierung zu arbeiten, und für diejenigen, deren Leben davon abhängt, dass Labour die Macht gewinnt, dürfen wir so etwas nie wieder geschehen lassen.

Die Gruppe forderte den neuen Vorsitzenden Keir Starmer auf, eine umfassende Untersuchung des Berichts durchzuführen, einschließlich einer Untersuchung des möglichen Missbrauchs von Geldern. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, und jeder, der gegen einen Sieg der Labour-Partei gearbeitet habe, dürfe nie wieder eine führende Stellung in der Partei bekleiden dürfen.

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