Europa

Leiter des obersten EU-Wissenschaftsrates kündigt: "Extrem enttäuscht vom Umgang der EU mit Corona"

Der Leiter des wichtigsten EU-Wissenschaftsrates ist nur wenige Monate nach Antritt der Stelle frustriert zurückgetreten. Die EU-Führung hätte es völlig versäumt, "einen robusten wissenschaftsbasierten Ansatz" für den Umgang mit COVID-19 zu verabschieden.
Leiter des obersten EU-Wissenschaftsrates kündigt: "Extrem enttäuscht vom Umgang der EU mit Corona"Quelle: Reuters

Professor Mauro Ferrari reichte am Dienstag bei der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, seinen Rücktritt mit sofortiger Wirkung ein. Seine vierjährige Amtszeit endet damit abrupt nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt am 1. Januar 2020. Ferrari erklärte gegenüber der Financial Times

Ich bin extrem enttäuscht über die europäische Reaktion auf COVID-19. Ich kam als glühender Befürworter der EU in den ERC, aber die COVID-19-Krise hat meine Ansichten völlig verändert.

Zudem beklagte er "das völlige Fehlen einer Koordinierung der Gesundheitspolitik zwischen den Mitgliedsstaaten, den wiederkehrenden Widerstand gegen kohärente finanzielle Unterstützungsinitiativen, die allgegenwärtigen einseitigen Grenzschließungen in der EU".

Ferrari leitete den Europäischen Forschungsrat (ERC), ein Gremium, das im Jahr 2007 mit einem Multimilliarden-Euro-Budget ausgestattet wurde, um wissenschaftliche Entdeckungen in der EU zu unterstützen. Der "Bottom-up"-Ansatz des ERC bei der Verteilung von Zuschüssen stand im Widerspruch zu Ferraris Vorschlag, eine groß angelegte Operation zur Bekämpfung der Pandemie zu starten, die er im März vorschlug, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Ausbruch der Pandemie eine Gesundheitskrise in der gesamten EU auslösen würde.

Ich war der Meinung, dass in einer Zeit wie dieser die besten Wissenschaftler der Welt mit Ressourcen und Möglichkeiten zur Bekämpfung der Pandemie ausgestattet werden sollten, mit neuen Medikamenten, neuen Impfstoffen, neuen diagnostischen Instrumenten, neuen verhaltensdynamischen Ansätzen auf wissenschaftlicher Grundlage, um die oft improvisierten Intuitionen der politischen Führer zu ersetzen", so Ferrari weiter.

Sein Vorschlag wurde jedoch vom wissenschaftlichen Rat des ERC abgelehnt. Ferrari sagte, er habe dann versucht, seine Ideen durch von der Leyen umzusetzen, aber allein die Tatsache, dass er direkt mit dem Leiter der Kommission zusammenarbeitete, "schuf ein innenpolitisches Gewitter".

Ein Sprecher der Kommission drückte sein Bedauern darüber aus, dass Ferrari "in diesem frühen Stadium seines Mandats" zurückgetreten sei. 50 laufende oder abgeschlossene ERC-Projekte würden zur Bekämpfung der Pandemie beitragen.

Ferrari ist ein amerikanisch-italienischer Pionier der Nanomedizin, der sich auf die Entwicklung neuer Krebsbehandlungen spezialisiert hat. 

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