Der unsichtbare Feind: Nun droht das Coronavirus Syrien zu erobern
Kaum ist es der syrischen Regierung gelungen, in weiten Teilen des Landes wieder Frieden zu stiften, sieht sich Syrien mit einer neuen und unberechenbaren Herausforderung konfrontiert. Diese könnte sämtliche errungenen Erfolge im Kampf gegen islamistische Terrorgruppen wieder zunichtemachen.
Die dramatischen Szenen von Flüchtlingen an der türkisch-griechischen Grenze spielen angesichts der Corona-Krise in den internationalen Schlagzeilen kaum mehr eine Rolle. In der syrischen Region Idlib entspannte sich die Situation zuletzt. Es ist vor allem den Verhandlungen zwischen Moskau und Ankara zu verdanken, dass es zu einem starken Rückgang der Kämpfe zwischen der von Russland unterstützten Syrisch-Arabischen Armee und den von der Türkei protegierten islamistischen Milizen kam.
Zuletzt berichtete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London allerdings, dass islamistische Extremisten mit Angriffen auf russische Soldaten drohten, nachdem Ankara und Moskau gemeinsame Patrouillen in der Region Idlib vereinbart hatten.
Währenddessen sieht sich Syrien bereits mit einer neuen Gefahr konfrontiert. Am Sonntag vermeldete Damaskus den ersten Fall eines mit dem Coronavirus infizierten Patienten.
Wie der syrische Gesundheitsminister Nizar al-Yaziji gegenüber den Medien des Landes telefonisch mitteilte, seien "notwendige Maßnahmen" ergriffen worden. Der etwa 20-Jährige komme demnach für 14 Tage unter Quarantäne und würde aktuell medizinisch untersucht.
Der Mann sei nach Angaben des Ministers aus dem Ausland gekommen, habe aber bei der Einreise nach Syrien keine Symptome gezeigt. Erst entsprechende Tests hätten ergeben, dass er sich mit COVID-19 infiziert habe.
Bereits zuvor gab es unbestätigte Berichte über Corona-Fälle in Syrien, einem Land, dessen Gesundheitssystem und Infrastruktur nach neun Jahren Stellvertreterkrieg am Boden liegen. Hilfsorganisationen warnen bereits vor den dramatischen Folgen, vor allem, wenn sich das neuartige Coronavirus unter den Vertriebenen im bislang umkämpften Nordwesten Syriens ausbreiten sollte.
So warnt etwa die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" davor, dass das entsprechende Szenario das Land ohne zusätzliche Hilfen sehr schnell an seine Kapazitäten führen könnte.
Die Krankheit würde sich sehr schnell ausbreiten, vor allem in den Lagern", hieß es seitens der internationalen Organisation.
Vor allem im Nordwesten Syriens ist die humanitäre Situation ohnehin katastrophal. Es fehlt derzeit an Lebensmitteln, Unterkünften und Heizmaterial. Landesweit wären Kliniken und Gesundheitszentren dem Patientenansturm nicht gewachsen, sollte das Coronavirus das Land erobern.
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Doch für diese unmenschlichen Zustände des bereits seit neun Jahren anhaltenden internationalen Stellvertreterkriegs werden nicht etwa die Initiatoren und Helfershelfer in den Reihen der transatlantischen Gemeinschaft und am Persischen Golf verantwortlich gemacht, sondern Russland.
So erklärte etwa Dirk Hegmanns, Regionaldirektor der Welthungerhilfe für Syrien, angesichts der verheerenden Konsequenzen für das Land:
Da die russische Luftwaffe systematisch Kliniken zerstört hat, gibt es dort keine Gesundheitsversorgung.
Nur deshalb müsse man, "so brutal sich das anhört, fast schon mit einem Massensterben rechnen", ergänzte der Experte.
Nicht nur Ursache und Wirkung des Krieges spielen in Hegmanns Ausführungen offensichtlich keine Rolle, er liefert auch keinerlei Beweise für die mutmaßlich "systematische Zerstörung" von Kliniken durch die russische Luftwaffe.
Unterdessen erließ der syrische Präsident Baschar al-Assad, nach Angaben regionaler Medien, am Sonntag für Gefangene eine Amnestie. Diesen Schritt gehe die syrische Regierung, um einer allzu raschen Verbreitung des Virus entgegenzuwirken.
Im ganzen Land wurden den Berichten zufolge Bäckereien geschlossen und Brot stattdessen direkt an die Tür geliefert, um zu verhindern, dass sich die Kunden während der stundenlangen Wartezeit in endlosen Schlangen gegenseitig anstecken.
Besonders verheerend sei für Syrien die Tatsache, dass der wichtigste Verbündete im Kampf gegen den Terror, der Iran, bereits massiv unter der Ausbreitung des Coronavirus leide. Tausende iranische Milizen kämpfen an der Seite der Syrisch-Arabischen Armee und Tausende von schiitisch-iranischen Pilgern kommen aus dem Iran und bevölkern nun die syrische Hauptstadt.
Die iranische Mahan Air fliegt noch immer regelmäßig von Teheran nach Damaskus – obwohl andere Flüge ausgesetzt worden seien –, um Syrien im Kampf gegen die nun wieder Frischluft witternden Dschihadisten zu unterstützen.
Das Oberkommando der syrischen Streitkräfte gab derweil am Samstag bekannt, dass die Alarmbereitschaft in Lazaretten erhöht und der Befehl erteilt worden sei, Versammlungen und militärische Sportaktivitäten und andere, die in geschlossenen Räumen stattfinden, zu untersagen.
Wir haben bisher eine Reihe von Schritten unternommen, um unsere Söhne in ihren Unterkünften in den militärischen Einheiten und Formationen zu schützen und dort auch die Verwendung von Handschuhen und Masken angeordnet", hieß es in einer entsprechenden Erklärung der syrischen Armee.
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Gesundheitsminister Nizar Yazigi forderte die syrischen Bürger dazu auf, "Vorsicht walten zu lassen, zu Hause zu bleiben und die eingeleiteten Maßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus einzuhalten".
Der syrische Premierminister Emad Chamis hat bereits am Samstag ein Rundschreiben herausgegeben, in dem sämtliche Minister aufgefordert wurden, "die notwendigen Entscheidungen zu treffen, um die Arbeit in den staatlichen Ministerien und ihnen angegliederten Abteilungen ab morgen bis auf Weiteres auszusetzen". Diese Anweisung gelte so lange, wie es nötig sei, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.
Chamis unterstrich, dass die Aussetzung der Arbeit nicht die produktiven Einrichtungen und Institutionen einschließe.
Der Premierminister gab zudem ein weiteres Rundschreiben heraus, in dem die Gouverneure aufgefordert wurden, die notwendigen Vorkehrungen zur Aussetzung aller kommerziellen, dienstlichen, kulturellen und sozialen Aktivitäten zu ergreifen. Von diesen Maßnahmen nicht betroffen sind demnach Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und private Gesundheitszentren.
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