Nahost

Anrainer- und Regionalstaaten in der Persischen Golfregion rücken zusammen

Am 20. August geht es im UN-Sicherheitsrat um "Herausforderungen für Frieden und Sicherheit im Mittleren Osten". Erwartet wird, dass US-Außenminister Mike Pompeo auftreten und unter anderem über den Iran sprechen wird. Ein Ausblick von Karin Leukefeld.
Anrainer- und Regionalstaaten in der Persischen Golfregion rücken zusammenQuelle: Reuters © Amir Cohen

von Karin Leukefeld, Doha

Pompeo gilt als Hardliner gegen den Iran und als Architekt der US-"Politik des maximalen Drucks" gegen das Land. Voraussichtlich wird Pompeo über die US-Initiative IMSC (International Maritime Security Construct) sprechen. Dabei geht es um die "Überwachung und Sicherheit zentraler Seefahrtswege im Mittleren Osten". Gemeint ist eine internationale Militärmission, in der die USA möglichst viele Staaten zusammenbringen wollen, um den Iran aus der Golfregion zurückzudrängen. Großbritannien hat bereits zugesagt, auch Israel hat seine Unterstützung angeboten. Deutschland und Frankreich denken derweil über eine europäische Militärmission zum gleichen Zweck nach.

Russland hat bereits in Moskau (23.7.2019) und in New York (8.8.2019) sein "Konzept für kollektive Sicherheit in der Persischen Golfregion" vorgestellt. Danach soll die Sicherheit der Region einzig Angelegenheit der Anrainer- und Regionalstaaten sein, ausländische Truppen sollen aus der Region abziehen, ein permanenter Dialog und vertrauensbildende Maßnahmen sollen den Iran und die arabischen Golfstaaten zusammenbringen. Vereinbarungen über den Kampf gegen den Terror, Lösung der Kriege im Jemen und Syrien und Bildung einer Zone frei von Massenvernichtungswaffen werden angestrebt. Langfristiges Ziel ist demnach die Bildung einer "Organisation für Sicherheit und Kooperation am Persischen Golf", der der Iran und die arabischen Golfstaaten angehören sollen. Russland, China, die USA, die EU, Indien und weitere interessierte Staaten sollen einen Beobachterstatus erhalten. Für diesen Plan strebt Russland die Unterstützung des UN-Sicherheitsrates an. Der russische Präsident Putin wird über den Plan voraussichtlich am 20. September sprechen, drei Tage vor dem Beginn der diesjährigen UN-Vollversammlung. In deren Mittelpunkt werden neben dem Klimawandel voraussichtlich der Mittlere Osten und die Lage in der Golfregion stehen.

Wie werden die UN-Mitgliedsstaaten und der Sicherheitsrat sich zu den Vorschlägen aus den USA und Russland verhalten? China hat das russische Konzept begrüßt, der Iran hat in der Golfregion und international eine diplomatische Offensive für ein "Regionales Dialogforum" gestartet.

Washington sendet derweil widersprüchliche Signale aus. Während US-Außenminister Mike Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton mit Israel, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain kriegerische Töne gegenüber dem Iran anschlagen, überraschte US-Präsident Donald Trump Ende Juni mit einer Twitter-Nachricht. Die USA seien inzwischen selbst der "weltweit größte Produzent von Energie" und nicht mehr auf das Öl aus dem Mittleren Osten angewiesen. "Warum sollen wir Schiffsrouten für andere Länder schützen, die uns nichts dafür geben. (…) Sollen sie ihre eigenen Schiffe selbst schützen auf diesen Routen, die immer gefährlich waren."

Die widersprüchliche US-Politik gegen den Iran hat in der Golfregion einen überraschenden Effekt. Anrainer- und Regionalstaaten rücken zusammen, denn ein Krieg gegen den Iran würde die westlichen Verbündeten am Golf nicht verschonen.

Im Mittelpunkt der regionalen Entwicklung steht der Iran, der deutlich gemacht hat, dass er vor westlichen Drohungen nicht zurückweicht. Gleichzeitig hat Teheran eine diplomatische Initiative für ein "Regionales Dialogforum" gestartet. Außenminister Mohammed Dschawad Sarif mahnte bereits im Januar 2018 in der Financial Times, dass nach der Niederschlagung des "Islamischen Staates im Irak und in der Levante" die Politik mit Dialog und vertrauensbildenden Maßnahmen der kriegszerrütteten Region wieder zu Stabilität verhelfen müsste.

Im Mai 2019 plädierten der iranische Diplomat Hossein Mousavian und Abdulaziz Sager, Leiter des saudischen Golf-Forschungsinstituts, in der New York Times in einem gemeinsamen Editorial, es sei an der "Zeit für die Führer Saudi-Arabiens und des Iran zu reden". Nach "Jahrzehnten von Stellvertreterkriegen und eingefrorenen Beziehungen zwischen unseren Ländern meinen wir, dass es Zeit ist, eine neue Basis für anhaltenden Frieden in unserer Region zu sondieren".

Sie seien beide "harte Realisten" und keine Träumer, voller Misstrauen. Doch man sehe die "zerstörerischen Folgen der Kriege, (…) in denen unsere Länder an der Seite anderer Regierungen oder Bewegungen um die Macht konkurrieren". Als Beispiele nennen Mousavian und Sager die Kriege im Jemen, in Syrien, im Libanon, in Bahrain und im Irak. Die Kosten seien auf beiden Seiten hoch, und die Bevölkerung habe ihr Vertrauen in die beiden Regierungen verloren. Ressourcen und unzählige Menschenleben seien geopfert worden, mit denen man einen neuen Mittleren Osten hätte aufbauen sollen, "anstatt ihn zu zerstören".

Mitte August erklärte der iranische Präsident Hassan Rohani bei einer Kabinettssitzung in Teheran, der Iran wolle "die Sicherheit der historischen Region (des Persischen Golfes) an der Seite der Anrainerstaaten sicherstellen, wie er das schon immer in der Geschichte getan" habe. Er rief "alle Machtzentren" auf, sich "die Hände zu reichen, um die regionalen und internationalen Probleme" zu lösen, und verwies auf die Rolle des UN-Sicherheitsrates und des UN-Generalsekretärs, die (1988) gemeinsam das Ende des achtjährigen Iran-Irak-Krieges (1980-88) erreicht hätten.

Westliche Pläne für Militärmissionen am Persischen Golf und dem Golf von Oman wies Rohani zurück. Sie seien nicht umsetzbar, und die USA wollten lediglich Streit säen und die Rohstoffe der Region plündern. Einer vom israelischen Außenministerium ins Spiel gebrachten geheimdienstlichen Unterstützung einer westlichen Militärmission am Golf werde der Iran eine "klare Antwort" geben, so Rohani. Israel solle sich dort um Sicherheit kümmern, wo es nötig sei. "Überall, wo sie auftauchen, bringen sie Unsicherheit, Massaker und Terror."

Der Ruf aus Teheran nach einem Dialog verhallte nicht ungehört. Eine Delegation der Küstenwache der Vereinigten Arabischen Emirate reiste – offiziell im Rahmen regulärer Treffen – Anfang August zu Gesprächen nach Teheran. Bereits im Juli besuchte der Außenminister des Oman, Youssef bin Alawi bin Abdullah, seinen iranischen Amtskollegen Mohammed Dschawad Sarif. Der wiederum traf am 11. August den Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, am 11. August in Doha.

Nach offiziellen Angaben ging es bei dem Gespräch um ein gemeinsames Sicherheitskonzept der Anrainer- und Regionalstaaten für die Persische Golfregion. Sarif erklärte, dass nur die Regionalstaaten die regionale Sicherheit gewährleisten könnten. Al Thani betonte die bedeutsame Rolle des Iran in der Region und sagte, es sei im regionalen und internationalen Interesse, die Spannungen in der Region zu entschärfen. Beide Politiker verwiesen auf die guten Beziehungen zwischen dem Iran und Katar, das könne ein Vorbild für die zwischenstaatlichen Beziehungen in der Region sein.

In einem Exklusivinterview mit dem arabischen Nachrichtensender mit Sitz in Doha, Al Jazeera, warf Sarif den USA und Europa vor, aus der Region ein Pulverfass zu machen, das jederzeit in die Luft fliegen könne. Mehr Kriegsschiffe am Golf würden die Region unsicherer machen. Allein die USA hätten 2018 Waffen im Wert von 50 Milliarden US-Dollar in die Region verkauft, so Sarif. Saudi-Arabien habe 87 Milliarden US-Dollar für den Ankauf von militärischer Ausrüstung ausgegeben, die Vereinigten Arabischen Emirate 22 Milliarden US-Dollar. "Vergleichen wir doch mal", so Sarif weiter. "Der Iran hat im vergangenen Jahr 16 Milliarden US-Dollar für sein gesamtes Militär ausgegeben, wir haben rund eine Millionen Leute in der Armee." 

Katar – der Däumling am Golf

Für Katar öffnet sich mit der diplomatischen Initiative des Iran die Möglichkeit, in einem hochexplosiven Konflikt zu vermitteln. Der Däumling am Golf gilt mit seinen gigantischen Gasvorkommen als reichstes Land der Welt. Mit dem Iran ist das Emirat historisch durch Handel verbunden. Beide Staaten teilen sich zudem das größte bekannte Gasfeld der Welt, das Süd-Pars-Gasfeld im Persischen Golf.

Seit dem 5. Juni 2017 allerdings lebt Katar im Schatten eines Wirtschaftsembargos, das von Saudi-Arabien, Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain verhängt wurde. Grenzen und Flughäfen wurden geschlossen, der Luftraum für die katarische Fluglinie gesperrt. Als Grund nannte Saudi-Arabien, dass Katar Terrororganisationen unterstütze. Um das Embargo zu untermauern, wurde eine Liste mit 13 Forderungen übergeben. Erst wenn Katar diese erfülle, werde die Blockade aufgehoben. Demnach soll das Emirat seine Beziehungen zum Iran, zur Muslimbruderschaft, zur Hisbollah und zum Islamischen Staat beenden. Die iranische Botschaft in Katar soll geschlossen und die Zusage an die Türkei, eine Militärbasis in Katar zu errichten, zurückgenommen werden. Der Fernsehsender Al Jazeera müsse ebenso geschlossen werden wie andere in der Liste namentlich genannte Internetportale, denen nachgesagt wird, dass sie von Katar finanziert werden.

Die Partner im Krieg gegen Syrien sind zerstritten

Der Konflikt ist eine Folge der Entwicklung des Syrienkrieges, der nicht wie beabsichtigt zum Sturz der syrischen Regierung führte. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Bahrain unterstützten von Anfang an in Absprache mit der Türkei, der EU und den USA die bewaffnete Opposition in Syrien mit Geld und Waffen. Die Investition hat sich nicht gelohnt, die Partner von einst sind zerstritten. "Wir haben uns über die Beute gestritten, sie ist davongeflogen, und wir streiten noch immer", räumte im Oktober 2017 der frühere Ministerpräsident und Außenminister Katars, Scheich Hamad bin Dschasim bin Dschabr Al Thani, in einem Interview mit dem katarischen Fernsehen ein.

Embargo läuft politisch ins Leere

Im Gegensatz zu Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten – deren lokalen Händlern der Absatzmarkt Katar fehlt – ist es dem reichen Emirat gelungen, die Blockade als Chance zur Entwicklung der nationalen Ressourcen zu nutzen. Zwar muss die katarische Fluglinie Umwege fliegen, um Ziele in Afrika oder Europa zu erreichen, und gut zwei Dutzend Städte in den arabischen Blockadeländern können nicht mehr angeflogen werden. Dafür bietet die Fluglinie neue Ziele und Transit für Fluggäste an, die von Europa nach Asien fliegen. Der Tourismus wird ausgebaut, Visabeschränkungen wurden gelockert, und um den Verlust von Milchprodukten auszugleichen, die bis zum Embargo aus Saudi-Arabien geliefert wurden, kam Käse, Joghurt und Milch zunächst aus der Türkei. Mit dem Beschluss Katars, eine eigene Milchwirtschaft aufzubauen, wurden Kühe in Deutschland und den Niederlanden gekauft und die Molkerei Baladna aufgebaut. Alle Arten von Milchprodukten kommen heute auch aus katarischer Produktion. Und auf den Gemüseständen, wo man Tomaten aus der Türkei, Auberginen aus dem Iran und Petersilie aus dem Libanon kaufen kann, gibt es katarisches Gemüse meist zum günstigsten Preis. Die Investitionen reicher Kataris, einschließlich der regierenden Al-Thani-Familie, gleichen finanzielle Lücken großzügig aus. Während Wirtschaftsembargos armen oder kriegszerrütteten Staaten großen Schaden zufügen, laufen sie gegenüber reichen Staaten ins Leere.

Mit anderen Staaten der Region konnte Katar seine Beziehungen neu gestalten oder ausbauen. Der Iran liefert landwirtschaftliche Produkte. Der Iran, der Irak und die Türkei haben zudem vereinbart, dass internationale Containerlieferungen an Katar, die bisher über Dubai oder Saudi-Arabien das Emirat erreichten, nun über die Türkei und auf dem Landweg durch den Irak transportiert werden. In der südirakischen Hafenstadt Basra werden die Container auf Schiffe umgeladen, die Katar durch den Persischen Golf erreichen.

Auch mit Jordanien rückt Katar wieder zusammen. Das Haschemitische Königreich, das finanziell von Saudi-Arabien und dem Westen abhängig ist, leidet infolge der Kriege im Irak und in Syrien sowie der anhaltenden Krise zwischen Israel und den Palästinensern unter einer schweren Wirtschaftskrise. Im Jahr 2017 hatte Jordanien sich der Blockade gegen das Emirat angeschlossen und seinen Botschafter aus Doha zurückgerufen. Doch im Juli haben beide Staaten ihre diplomatischen Beziehungen wieder hergestellt. Der Entscheidung war ein Besuch des katarischen Verteidigungsministers Khalid bin Mohammed Al Attiyah im April in Amman vorausgegangen, bei dem beide Länder militärische Kooperation vereinbarten. Bereits im Jahr 2018 hatte Doha ein Hilfspaket im Wert von 500 Millionen US-Dollar für Jordanien verlängert. Vorgesehen ist die Schaffung von 10.000 Arbeitsplätzen für Jordanier in Doha sowie katarische Investitionen in den Tourismus und die Infrastruktur Jordaniens.

Als der saudische König Salman angesichts der eskalierenden Spannungen am Persischen Golf Ende Mai zu einem kurzfristigen Gipfeltreffen der Arabischen Liga nach Mekka einlud, erhielt auch der Emir von Katar eine Einladung. Der schickte mit Ministerpräsident Scheich Abdullah bin Nasser bin Chalifa Al Thani nicht nur einen hochrangigen Politiker, sondern auch einen Cousin (3. Grades väterlicherseits) seines Vaters, den ehemaligen Emir Hamad bin Chalifa Al Thani. Es sei eine "nationale und humanitäre Pflicht, nach kollektiver Sicherheit zu streben", hieß es im Außenministerium Katars.

Mit Russland verbindet Katar nicht nur der Fußball. Im Juli erhielt Emir Tamim bin Hamad Al Thani in einer schlichten Zeremonie im Kreml von Präsident Wladimir Putin den Fußballmantel des Gastgebers für die Weltmeisterschaft 2022. Mit dabei waren FIFA-Präsident Gianni Infantino und Dutzende internationale Journalisten, die das Geschehen dokumentierten. Bereits im Juni hatte der Emir Präsident Putin am Rande der fünften Gipfelkonferenz über Zusammenarbeit und vertrauensbildende Maßnahmen in Asien (CICA) in Duschanbe getroffen. Beide betonten die strategische Partnerschaft beider Länder, die ausgebaut werden solle. Konkret wurde über die Entwicklungen in Palästina, Syrien, Libyen, im Jemen und im Sudan gesprochen, wo Katar über enge politische Verbindungen verfügt. Auch die explosive Lage am Golf war Thema; beide Politiker waren sich einig, dass Streitigkeiten durch Dialog und diplomatisch vor allem durch die Länder gelöst werden müssten, die in der Region liegen.

Während Russland und Katar sich um Kooperation und engere Beziehungen auch im militärischen und wirtschaftlichen Bereich bemühen, ist Katar enger Verbündeter der USA. Kurz vor seinem Treffen mit Präsident Putin im Kreml zur Übergabe des Fußballmantels des Gastgebers war der Emir in Washington auf Einkaufstour. "Sie investieren enorm in unserem Land", freute sich US-Präsident Donald Trump. "Sie haben eine große Menge Rüstungsgüter und Flugzeuge" gekauft. Zweistellige Millarden-US-Dollarbeträge seien die Verträge wert, so Trump: "Das schätzen wir sehr."

Seit 1999 ist Katar Gastgeber der mittlerweile größten US-Militärbasis in der Region, Al Udeid, südlich von Doha. Aktuell sind dort 11.000 Soldaten aus den USA, Großbritannien, Australien, Deutschland und insgesamt 16 Staaten stationiert. Von hier werden die von den USA geführten militärischen Einsätze in Afghanistan, im Irak, im Jemen und Syrien koordiniert.

Unruhe- oder Friedensstifter

Katar bietet sich nicht nur als großzügiger Einkäufer und Investor, sondern auch als Friedensstifter an. Seit geraumer Zeit ist das Emirat ein Ort, in dem der Westen mit seinen Feinden zusammenkommen kann. Seit Monaten finden in Doha – unter Beteiligung Deutschlands – Verhandlungen zwischen den afghanischen Taliban und den USA statt. Wiederholt gab es Vermittlungstreffen mit der palästinensischen Hamas in den andauernden Konflikten und Kriegen im Gazastreifen. Was allerdings von Ägypten, dem traditionellen Vermittler zwischen Israel und den Palästinensern, als auch von der Palästinensischen Autonomiebehörde kritisch beobachtet wurde. Auch für Krisen im Libanon war Katar Vermittlungsort, und nach dem Krieg mit Israel im Jahr 2006 sorgte neben dem Iran auch Katar für den zügigen Wiederaufbau der Zerstörungen im Südlibanon.

Katar wird – begründet – vorgehalten, Terror- und extremistische Organisationen vor allem in Syrien zu unterstützen. Dazu befragt sagte Al Thani der CNN-Reporterin Christiane Amanpour, man müsse "zwischen den Bewegungen unterscheiden". In den USA und anderen Ländern würden einige als "Terrorbewegungen" bezeichnet, "in unserer Region nicht". Was allerdings Gruppen in Syrien und im Irak beträfe, "betrachten wir sie alle als Terrorgruppen", so Al Thani. Die Finanzierung solcher Gruppen sei nicht erlaubt, Katar habe "ein starkes Gesetz" gegen den Terror. Allerdings gebe es islamische Gruppen in Syrien, in Libyen, in Ägypten und im Jemen, die Katar nicht als "Terrororganisation" betrachte. Namen nannte er nicht. Es gäbe Länder und Personen, die jede Gruppe als terroristisch ansehe, die einen "islamischen Hintergrund hat, das akzeptieren wir nicht".

Dem amtierenden Emir Tamim bin Hamad Al Thani wird, mehr noch als zuvor schon seinem Vater, politische Nähe zur Muslimbruderschaft nachgesagt, einer sunnitisch-muslimischen panarabischen Organisation des politischen Islam. Das erklärt die enge Kooperation Katars mit der Türkei und die Unterstützung der syrischen bewaffneten Opposition, die ihren Hintergrund in der syrischen Muslimbruderschaft hat und in Syrien verboten ist. Katar unterstützt auch entsprechende Organisationen und Parteien in Tunesien und in Ägypten, wo im Jahr 2011 die organisatorisch starke Muslimbruderschaft die Bewegung des Tahrir-Platzes übernahm und zur kurzen Regierung von Mohammed Mursi führte. Mursi hatte seine Mitgliedschaft in der Muslimbruderschaft kurz vor den Wahlen 2012 aufgegeben, 2013 war er nach Massenprotesten gegen seine Amtsführung vom Militär aus dem Amt geputscht und festgenommen worden. Mit saudischer Unterstützung wurde General Abdel Fattah Al Sisi, der den Putsch geführt hatte, im Jahr 2014 neuer Präsident. Die unter der Regierung Mursi vereinbarten Investitionen Katars in Ägypten in Millionenhöhe wurden gestoppt.

Die Entwicklung in Ägypten zeigt deutlich den innerarabischen Konflikt um die Muslimbruderschaft, die in vielen Ländern als "Terrororganisation" verboten ist. Katar gewährt Organisationen der Muslimbruderschaft – so auch der palästinensischen Hamas – Aufenthalt und Unterstützung.

Katar und Iran

Der islamische Hintergrund – egal, ob sunnitisch-muslimisch oder schiitisch-muslimisch – bringt auch die Islamische Republik Iran dazu, mit einem politischen Kontrahenten in der Region wie Katar zu kooperieren. Allerdings sind die bilateralen Beziehungen historisch gewachsen, denn iranische Händler steuerten die Halbinsel seit Jahrhunderten an, die nur wenige Hundert Kilometer von der iranischen Küste entfernt liegt. Iraner siedelten auf der Halbinsel, heirateten in die lokalen Familien ein. Das heute reichste Land der Welt ist kulturell und traditionell mit dem Iran unabhängig von der politischen Ausrichtung verbunden. Dass die Regierungen in Teheran und Doha heute einen islamisch-politischen Hintergrund haben, bringt sie – ungeachtet der unterschiedlichen Ausrichtungen – zusammen. So ist auch zu erklären, dass Katar auch Kontakt zur libanesischen Hisbollah unterhält, die eng mit dem Iran verbunden ist.

In der aktuellen Golfkrise suchen beide Länder den Weg des Dialogs, was für Katar nicht zuletzt wegen des Reichtums und der Nähe zu den USA einfach ist. Dem Iran dagegen werden von den USA "bösartige Aktivitäten" vorgeworfen. Mit dem einseitigen Bruch des Internationalen Atomabkommens mit dem Iran, das auch vom UN-Sicherheitsrat beschlossen worden war, begann Washington seine Politik des "maximalen Drucks" auf den Iran. Es folgte das einseitig verhängte Ölembargo gegen den Iran und die damit verbundenen "abgeleiteten Sanktionen", die jeden Staat, jede Einzelperson treffen sollen, die den Ölhandel mit dem Iran unterstützen – ob als Kapitän, Reeder, Versicherer oder Bank. Inzwischen scheint Washington aber mit seinen widersprüchlichen Signalen bei seinen Partnern in der EU und am Golf das Gegenteil von dem auszulösen, was mit der internationalen Isolation des Iran angestrebt wird. Immer mehr Staaten und enge Verbündete wenden sich von Washington ab und suchen eigene Wege, ihre Interessen in der Persischen Golfregion zu verfolgen.

Iran nutzt die Chance

Außenminister Mohammed Dschawad Sarif, der von den USA ebenso auf eine Sanktionsliste gesetzt wurde wie die Iranische Revolutionsgarde, nutzt die Chance. Seit Wochen absolviert er einen diplomatischen Marathon. Nur wenige Tage nach dem Besuch in Katar teilte Sarif per Twitter mit:

Unsere aktive Diplomatie geht weiter. Heute: Rede vor Veteranen am 29. Jahrestag der Befreiung unserer stolzen Kriegsgefangenen. Der Irak ist heute Spitzenhandelspartner. Fruchtbares Treffen mit dem stellvertretenden Außenminister Japans. Interview mit Lester Holt von NBC (National Broadcasting Company, USA). Treffen in Teheran, Jemen-E4-Iran. Jetzt in Kuwait … (Anm. d. Red.: Mit E4 sind Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien gemeint.) 

Wenig später hieß es:

Gute Gespräche mit dem Kronprinzen von Kuwait und dem Außenminister. Wir beten für die schnelle Gesundung des Emirs. Betonte den iranischen Vorschlag eines Regionalen Dialogforums und eines Nichtangriffspakts. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Teheran, um den Präsidenten zu informieren, Abflug zur Skandinavien-Tour.

Bis Mitte der Woche wird Sarif Finnland, Schweden und Norwegen besuchen. Finnland hält die EU-Ratspräsidentschaft von Juli bis Dezember 2019. Die drei europäischen Länder gelten in schwierigen Situationen als Vermittler. Bei seiner Ankunft in Finnland am Montag erklärte Sarif, auch Finnland habe einen Plan für den Dialog am Persischen Golf, der dem des Iran sehr ähnele. Schweden habe zudem zu Gesprächen über den Jemen eingeladen, Norwegen plane eine Afghanistan-Konferenz. Von Skandinavien aus wird Sarif nach Asien aufbrechen. Es sei dringend notwendig, vor der nächsten UN-Vollversammlung Vereinbarungen zu treffen, so Sarif.

Die 74. UN-Vollversammlung findet vom 23. bis zum 30. September 2019 am Sitz der Vereinten Nationen in New York statt.

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