Ex-Stabsoffizier zu RT Deutsch: Noch keine Normalisierung, aber Türkei akzeptiert Assad an der Macht
von Ali Özkök
RT Deutsch hat mit dem ehemaligen türkischen Generalstabsoffizier Cahit Dilek gesprochen. Zu seinen Arbeitsbereichen gehörten die Terrorbekämpfung und die Konzipierung von Sicherheitsstrategien. Heute ist er Direktor des in Ankara ansässigen "Türkei im 21. Jahrhundert-Instituts".
Laut türkischen Medien reiste Erdoğan diese Woche nach Moskau, um sich mit Putin auf die Etablierung einer Sicherheitszone in Syrien zu einigen. Wie endeten die Gespräche?
Russland hat seine Ansichten über die Region Ostsyrien nach dem Abzug der Vereinigten Staaten bereits im Voraus klargestellt. Wenn die USA abgezogen sind, sollte die Kontrolle über die Regionen, die heute von der YPG gehalten werden, der Verwaltung in Damaskus übertragen werden. Diese Haltung zeigt, dass Russland gegen eine türkische Präsenz ist, die Ankara östlich vom Euphrat etablieren möchte. Russland-Syrien-Iran würden eine türkische Präsenz in diesem Raum als Fortsetzung der US-Politik einordnen.
Auf der anderen Seite erwartet Russland, dass die Türkei ihrer Verantwortung in Idlib gerecht wird, wo die Al-Qaida-nahe Miliz Haiat Tahrir al-Scham die Region übernahm. Die ehemaligen al-Nusra-Extremisten greifen fortwährend die syrische Armee und russische Truppen an. Eine parallel laufende türkische Intervention wird nicht als passend angesehen. Für Russland und Syrien liegt die Priorität auf Idlib, und eine Operation möchte man nicht zu lange aufschieben.
Immer wieder äußert sich die türkische Regierung vage über die Zukunft von Assad. Wie sieht die Strategie der Türkei in Bezug auf die Legitimität von Assad aus? Besteht die Möglichkeit einer Normalisierung?
Obwohl die Regierung von Erdoğan Assad weiterhin zumindest öffentlich ignoriert, scheint sie zu akzeptieren, dass Assad an der Macht bleiben wird. Es ist jedoch klar, dass eine Normalisierung nur mittels einer Wiederwahl von Assad erreicht werden kann, die am Ende eines neuen politischen Befriedungsprozesses steht.
Kritiker der Türkei behaupten immer wieder, dass die Türkei eine neoosmanische Politik verfolgt. Die türkische Regierung ihrerseits spricht über Sicherheitsbedenken. Wie sieht die langfristige Strategie der Türkei aus?
Ich glaube nicht, dass die Türkei eine ausformulierte Nahost- oder sogar Syrien-Strategie hat. In Bezug auf die neoosmanischen Diskurse muss gesagt werden, dass so eine Politik nicht durchgeführt wird. Sie dient der innenpolitischen Öffentlichkeit und den externen Feinden der Türkei.
Zur Sicherheitsfrage ist zu sagen, ja, die Bedrohung der Türkei durch Terrorismus hat zugenommen. Aber das ist auch Teil einer falschen Politik gewesen, die vor allem in Hinblick auf die 911 Kilometer lange syrische Grenze zu beanstanden ist. Hinzu kommt, dass die türkische Regierung in der Frage des Terrorismus auch nicht ausreichend Unterstützung von außen bekommen hat und dieses Problem nicht ausreichend im Ausland erklärte.
Russland und die Türkei haben auf dem Balkan bislang nicht eng zusammengearbeitet. Glauben Sie, dass Turkish Stream geeignet ist, die Kooperation in Syrien auch auf den Balkan zu übertragen?
Der Kreml trennt politische und wirtschaftliche Gefälligkeiten in verschiedene Beziehungsbereiche. Das heißt, Russland tut nicht alles in den gleichen Topf. Daher können regionale Probleme in der Zusammenarbeit in den Bereichen Energie, Handel und Militär getrennt voneinander betrachtet werden. In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht erwarten, dass eine ähnliche Zusammenarbeit wie in Syrien auf dem Balkan stattfindet. Zum Beispiel ist gerade dadurch erst möglich, dass Russland und die Türkei so unterschiedliche Positionen in der Krim-Frage einnehmen können, ohne dass die Beziehungen kollabieren. Eine ähnliche Situation wird es auf dem Balkan geben.
Am vergangenen Samstag sagte der türkische Minister für Land- und Forstwirtschaft, Russland werde das Kontingent für Tomatenimporte aus der Türkei verdoppeln. In welchen anderen Wirtschaftssektoren könnte Moskau mit Ankara zusammenarbeiten?
Die Tomate ist zu einem Symbol in den türkisch-russischen Wirtschaftsbeziehungen geworden, die nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets im türkisch-syrischen Grenzgebiet zusammenbrachen und jetzt wieder anziehen.
Russland hilft die schrittweise Normalisierung der Wirtschaftspolitik, von der Türkei feste politische Versprechungen zu erhalten. Diese Politik ist erfolgreich. Schließlich braucht Ankara umfangreichen Zugang zum russischen Markt, aber solange Moskau Minischritte bei der Visa-Liberalisierung geht, wird es schwierig für die Türkei, ihr volles Wirtschaftspotenzial zu zeigen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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