Nahost

Giftgas in Duma: OPCW widerspricht westlichen Regierungen – Mainstreammedien verbreiten Fake News

Der am Wochenende veröffentlichte OPCW-Bericht zum mutmaßlichen Giftgaseinsatz im syrischen Duma straft Washington und seine Verbündeten Lügen. Viele Mainstreammedien griffen den Bericht auf und machten daraus die Fake News, die OPCW habe Chlorgas nachgewiesen.
Giftgas in Duma: OPCW widerspricht westlichen Regierungen – Mainstreammedien verbreiten Fake NewsQuelle: Reuters © Reuters

Am Freitag veröffentlichte die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) ihren Zwischenbericht zum mutmaßlichen Giftgaseinsatz im syrischen Duma. In dem Damaszener Vorort sollen am 7. April Dutzende Zivilisten Opfer eines Chemiewaffenangriffs geworden sein, für den der Westen die syrische Armee verantwortlich macht. Am 14. April griffen die USA, Großbritannien und Frankreich verschiedene Ziele in Syrien als Vergeltungsmaßnahme an.

Vor ihrem Angriff sprachen die drei Länder davon, über Beweise zu verfügen, die die Schuld der syrischen Armee belegten. So zeigten sich Washington und Paris überzeugt, dass in Duma neben Chlorgas auch ein Nervengas zum Einsatz kam – Chlorgas selbst wird von der OPCW gemäß dem Chemiewaffenübereinkommen nicht als Chemiewaffe gelistet.

"Ohne Zweifel": Washington und Paris belogen die Öffentlichkeit 

So heißt es in einem vom US-Verteidigungsministerium am 14. April veröffentlichten Bericht, "eine Vielzahl von Informationen weist auf die Verwendung von Chlorgas bei der Bombardierung von Duma hin, während einige zusätzliche Informationen darauf hinweisen, dass das Regime auch das Nervengas Sarin einsetzte". Ärzte und Hilfsorganisationen hätten Symptome beschrieben, die "mit der Einwirkung von Sarin übereinstimmen". "Diese Symptome deuten zusätzlich zu den Dutzenden von Todesfällen und Hunderten von Verletzten darauf hin, dass das Regime auch Sarin bei seinen Angriffen verwendet hat", so der Bericht.

Bereits einen Tag vor dessen Veröffentlichung berichtete MSNBC unter Berufung auf US-Beamte, dass in Blut- und Urinproben von Opfern des mutmaßlichen Giftgasangriffs neben Chlorgas auch ein Nervengift identifiziert worden sei.

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach im Vorfeld des Angriffs auf Syrien von "Beweisen, dass Chemiewaffen eingesetzt wurden, zumindest Chlorgas, und dass diese vom Regime von Baschar al-Assad eingesetzt wurden". Um welche Beweise es sich handelte, gab das französische Verteidigungsministerium Stunden nach Beginn des Angriffs bekannt, indem es einen Geheimdienstbericht veröffentlichte. Daraus geht hervor, dass alle von Paris gezogenen Schlussfolgerungen auf öffentlich zugänglichem Material aus sozialen Netzwerken und Medien beruhten.

Dessen ungeachtet erklärte der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian im späteren Verlauf des Tages, in Duma sei nicht nur Chlorgas eingesetzt worden:

Aber alles, was ich bis jetzt sagen kann, ist, dass unsere Analysen es erlauben, alle Gase, die verwendet wurden, zu identifizieren. Es ist Chlor dabei, und ganz ohne Zweifel gibt es weitere Substanzen.

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Doch die auf Drängen der syrischen und russischen Regierung mit der Untersuchung der Ereignisse beauftragte OPCW kam zu einer ganz anderen Schlussfolgerung:

Weder in den Umwelt- noch in den Blutplasmaproben mutmaßlicher Opfer wurden phosphororganische Nervengifte oder deren Abbauprodukte nachgewiesen.

Mit anderen Worten: Paris und Washington hatten die Öffentlichkeit zur Rechtfertigung ihrer Militärschläge belogen als sie davon sprachen, in Duma sei ein Nervengift wie etwa Sarin zum Einsatz gekommen. 

Fake News: Mainstreammedien geben OPCW-Aussagen falsch wieder 

Allerdings steht weiterhin der Vorwurf im Raum, dass die syrische Armee Chlorgas eingesetzt habe. Glaubt man den Schlagzeilen vergangener Tage, dann hat die OPCW tatsächlich "Chlorgasspuren in Duma" nachgewiesen:

Ähnlich lauteten die Schlagzeilen in der englischsprachigen Presse. Doch wie schon im Fall des OPCW-Berichts zur Skripal-Affäre handelt es sich auch bei diesen Schlagzeilen um Fake News. Während diese Falschmeldung im deutschsprachigen Raum auf eine Meldung der Deutschen Presse-Agentur vom Freitagabend zurückzuführen ist ("OPCW findet Spuren von Chlorgas im syrischen Duma"), war es die Nachrichtenagentur Reuters, die die englischsprachigen Medien mit dieser Falschmeldung versorgte. Wie das Blog Moon of Alabama aufzeigt, hat Reuters die Meldung im Nachhinein stillschweigend korrigiert – als diese Fake News schon längst im Umlauf war.

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Denn von einem Chlorgas-Nachweis ist in dem OPCW-Bericht nirgends die Rede. Es heißt darin lediglich, dass an zwei Orten Chlorkohlenwasserstoffe nachgewiesen worden seien. Die Orte standen im Mittelpunkt der Untersuchung, da dort jeweils ein Bombenzylinder gefunden wurde, aus dem laut den islamistischen Aufständischen und ihren westlichen Verbündeten das Chlorgas ausgeströmt sein soll.

Eine dieser Bomben wurde weitgehend unbeschädigt auf einem Bett liegend aufgefunden, nachdem sie zuvor die Stahlbetondecke des Gebäudes durchschlagen haben soll. Die OPCW bezeichnet diesen Ort als "Location 4". Ein zweiter Bombenzylinder wurde auf der Dachterrasse eines Hauses entdeckt ("Location 2") und soll ein Loch in deren Boden geschlagen haben. Durch dieses soll das Gas nach unten geströmt sein und anschließend Dutzende Menschen getötet haben, die in den Kellerräumen des Gebäudes Schutz gesucht hatten.

Videoaufnahmen der Leichen machten schnell in den sozialen Netzwerken die Runde und galten westlichen Regierungen - neben Aufnahmen aus dem örtlichen Krankenhaus, die von Mitarbeitern und Patienten als Inszenierung beschrieben wurden - als Beleg für einen Giftgasangriff. Um die Schuld der syrischen Armee zu untermauern, hatte die New York Times jüngst unter der Überschrift "Ein Gebäude, eine Bombe: Wie Assad sein eigenes Volk vergast" dieser Bombe eigens einen Artikel mit einer aufwendigen 3D-Darstellung gewidmet.

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Beweise für die tödliche Giftgas-Wirkung dieser (oder der anderen) Bombe enthält der New York Times-Artikel ebenso wenig wie der OPCW-Zwischenbericht. Im Letzteren ist die Rede von Chlorkohlenwasserstoffen, die sowohl in der Umgebung der beiden Bomben als auch in den Kellerräumen der "Location 2" ausgemacht wurden. An beiden Orten wurden auch Spuren des Sprengstoffes TNT nachgewiesen.

Zu Abstrichen, die die Ermittler an der Innenseite der Zylinderöffnung der an "Location 2" gefundenen Bombe gemacht hatten, heißt es in dem Bericht: "Es wurden keine Chemikalien mit Relevanz für das Chemiewaffenübereinkommen gefunden." Bei einem Abstrich derselben Stelle mit Wasser wurden eine nicht näher bestimmte Chlorverbindung und Essigsäure ("dichloroacetic acid") entdeckt, aber keinerlei Sprengstoffrückstände wie an dem mutmaßlich von der Bombe erzeugten Loch im Fußboden.

Chlorkohlenwasserstoffe werden beispielsweise bei der Herstellung von Kunstoffen oder als Flammschutzmittel für Textilien oder Möbel verwendet. Sie befinden sich auch im Trinkwasser, das in Syrien gechlort wird. Entsprechend werden die bei den getesteten Gegenständen nachgewiesenen Chlorkohlenwasserstoffe im OPCW-Bericht mit Hinweisen wie "Tenside für Textilien", "chlorierte Holzverbindung" oder "Flammenschutz" versehen.

Keine Aussagen macht der Bericht darüber, ob diese Verbindungen auf Chlorgas zurückzuführen sind. Da der Bericht zudem keine Angaben zur Konzentration dieser Verbindungen macht, sind Schlussfolgerungen in die eine oder andere Richtung wohl kaum möglich. Die Schlagzeilen vom Wochenende, wonach die OPCW "Spuren von Chlorgas" entdeckt habe, sind jedoch nachweislich falsch.

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