Analyse: Wie die USA das strategische Dreieck Russland-Iran-Türkei in Syrien spalten wollen
von Dr. Kamran Gasanow
Was war das eigentlich? Warum haben die Vereinigten Staaten in Syrien zugeschlagen? Einige sagen, dass die Aktion für US-Präsident Donald Trump "lebenswichtig" war, um seine Position zu stärken und einer noch möglichen Amtsenthebung gegenzusteuern. Und dafür brauchte er nicht nur außenpolitische Erfolge, sondern vor allem solche, die die Beziehungen zu Russland beeinträchtigen - wegen Trumps "Russland-Affäre". Und diese gab es: die Ausweisung von 60 russischen Diplomaten, die Sanktionen gegen russische Oligarchen und schließlich die Drohungen gegen Moskau in Syrien sowie den Angriff auf seinen Verbündeten Baschar al-Assad.
Die Einschätzungen von Militärexperten haben hingegen eindeutig gezeigt, dass trotz etwa 110 involvierten Raketen der Angriff auf Damaskus und Homs ein Schaukampf war. Pentagon-Chef James Mattis hatte sich rückversichert. Er vermied es sorgfältig, die Positionen der russischen Luft- und Weltraumkräfte zu treffen und betonte, dass der Angriff eine "einzelne" Aktion sei. Die USA und Großbritannien haben also keine große militärische Aufgaben gelöst. Keiner der syrischen Militärs wurde getötet und etwa 70 "Tomahawk"-Raketen sogar zum Teil noch durch alte sowjetische Luftabwehrsysteme abgefangen.
Bekenntnisse und Lippenbekenntnisse zur "Einheit Syriens"
Für mich ist es offensichtlich, dass die US-Militäraktion nicht eine militärische, sondern eine politische Aufgabe im Fokus hatte. Denken Sie daran, dass etwa mehr als eine Woche, nachdem Trump Russland mit Raketen gedroht hatte, ein pompöses Treffen in Ankara stattfand. Die Präsidenten von Russland, dem Iran und der Türkei - Wladimir Putin, Hassan Rohani und Recep Tayyip Erdogan - beschworen nicht nur wie gewohnt die "territoriale Integrität Syriens", sondern artikulierten in einer gemeinsamen Erklärung auch etwas durchaus Sensationelles. Die Länder, die im Jahr 2017 das Astana-Format etabliert hatten und seither die Einhaltung von vier "Deeskalationszonen" garantieren, bekundeten nun auch ihre Absicht, "separatistische Agenden" in Syrien zu kämpfen.
Mit dem Kampf gegen den Separatismus warfen die Türkei, Russland und der Iran einen großen Stein in den Garten der Amerikaner. Es ist kein Geheimnis, dass Washington und dessen Verbündete nach dem Scheitern der bewaffneten Opposition am Ende auf die Kurden setzten. In den Gebieten unter der Kontrolle der kurdischen Miliz der "Volksverteidigungseinheiten" (YPG) befinden sich nicht nur Dutzende von US-Militärbasen, sondern auch einige französische Stützpunkte. Am Vorabend des Gipfels in Ankara und unter dem Eindruck der Drohung Erdogans, mit seinen Truppen Manbidsch zu erobern, schickten die Vereinigten Staaten Verstärkung dorthin und Frankreich seine Militärausbilder und Hubschrauber.
Die Allianz von Russland, den Iran und der Türkei, auch wenn sie nur vorübergehend sein sollte, ist die größte Bedrohung für das Pentagon, das versucht, sich in Syrien zu etablieren. Die USA wollen gleichzeitig drei syrische Grenzen kontrollieren: Die Grenzen zur Türkei und zum Irak über Kurden in den Kantonen Kobani und Cizire und jene zu Jordanien durch die bewaffnete Oppositionsgruppe "Magavir Jaish al-Thawra" (Militärstützpunkt At-Tanf). Der Einsatz der US-Militärmaschinerie und Rojavas ("Syrisch-Kurdistan") stehen deutlich im Widerspruch zum Grundsatz der Unteilbarkeit von Syrien, die Erdogan mit Putin und Rohani im Wege eines Dreierhandschlags deklamierte.
Türkei gilt dem Westen innerhalb der Troika als am stärksten verwundbar
Die pro-türkische "Freie Syrische Armee", die pro-iranischen schiitischen Milizen und Hisbollah zusammen mit Assads Armee, unterstützt von der russischen Luftwaffe, sind – bei all ihren Widersprüchen - stark genug, um die US-Pläne zur Aufteilung Syriens zu stoppen. Es wäre von Washington aus schwierig, gleichzeitig gegen alle vorzugehen, deshalb setzt man dort auf die Strategie "Teile und herrsche". Als bevorzugtes Ziel wurde die Schwachstelle der "Troika" - die Türkei - gewählt. Ankara ist das einzige Mitglied des "Dreiecks", das trotz der Auseinandersetzungen rund um die Kurden und auch um das als proamerikanisch geltende Gülen-Netzwerk ("FETÖ") eine Militärallianz mit den USA im Rahmen der NATO bildet.
Nach dem jüngsten Beschuss von Damaskus war das Erste, was Journalisten taten, darauf zu schauen, welche Länder die Aktion unterstützten. In Russland und im Iran war man von der Tatsache überrascht, dass der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu und auch Erdogan selbst Solidarität mit den Vereinigten Staaten äußerten. "Wir halten die amerikanische, britische und französische Militäroperation gegen das Regime für gerechtfertigt und korrekt", sagte Erdogan. Mit dieser Formulierung unterstützte die Türkei den US-geführten Angriff, der die territoriale Integrität Syriens infrage stellt. War es aber nicht Erdogan, der zuvor seine Unterstützung der Souveränität Syriens Putin und Ruhani gegenüber geäußert hatte? Ankaras Linie bei diesem speziellen Vorfall steht eindeutig im Widerspruch zu Teheran und Moskau und schwächt das Vertrauen zwischen den Partnern.
Ist Erdogans Bekenntnis zur Einheit Syriens und zu Astana mit einem Mentalvorbehalt belastet?
Gibt es irgendwelche mildernden Umstände, die Erdogans Tat rechtfertigen? Oder ich stelle die Frage anders: Hätte man eine andere Reaktion erwarten können? Nun, erstens ist die Türkei NATO-Mitglied und generell in der Pflicht, seine Militärbasen USA, Großbritannien und Frankreich für den Syrien-Angriff zur Verfügung zu stellen. Aber das hat man nicht getan. Zweitens nennt Ankara die Assad-Regierung ein "Regime", erkennt es nicht an und fordert seinen Rückzug. Es wäre seltsam, die Unterstützung von Assad auf Kosten der - wenn auch zweifelhaften - türkischen Allianz mit den Vereinigten Staaten zu erwarten.
Drittens ist Erdogan der Anführer der islamischen "Muslimbruderschaft", die auch den Kern der bewaffneten "Opposition" in Syrien stellt. Sieben Jahre lang forderte Erdogan den Rücktritt von Assad und unterstützte diese Opposition. Eine Verurteilung der USA zugunsten von Assad? Die Wählerschaft des türkischen Präsidenten hätte dies nie akzeptiert. Dies würde bedeuten, Punkte vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu verlieren, die noch dazu jüngst auf Juni dieses Jahres vorverlegt wurden. Und schließlich teilen die türkischen Behörden die Position der Briten und Amerikaner, dass Assad chemische Waffen in Ost-Ghuta verwendet haben könnte.
Fazit: Erdogan konnte nicht anders handeln. Es fühlt nicht einen internen, sondern äußeren Druck. 50 Prozent des Handels gehen an die EU, die Finanz- und Investitionsabhängigkeit von Europa und den USA ist immens. Die Position Ankaras zu diesem Luftangriff ist, obwohl nachvollziehbar, in den Augen Russlands und des Iran nicht gerechtfertigt. Das Pentagon beginnt so aber, allmählich das "Dreieck" zu spalten, das bereits Sollbruchstellen zeigt. Vor kurzem hatte bereits der russische Außenminister Sergei Lawrow Erdogans Ärger hervorgerufen, als er auf die Notwendigkeit hinwies, Afrin der Kontrolle Damaskus' zu unterstellen.
Der US-Angriff auf Syrien ist nur eine Warnung und eine erste "Festigkeitsprobe" für das Astana-Format. Mit Hinblick auf die Abhängigkeiten der Türkei werden Erdogan und sein Land auf lange Sicht gezwungen sein, eine Wahl zu treffen: Die Freundschaft mit jenen zu pflegen, die ihn zu stürzen versuchten und auf Kosten der Türkei Kurdistan gründen wollen - oder mit jenem Land, das während des Putsches im Juli 2016 zur Rettung Erdogans beigetragen hat, welches die Einheit Syriens und damit aber auch die Einheit der Türkei unterstützt. Also wird die Entscheidung lauten müssen: entweder die USA oder Russland.
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