Nahost

Iran: Mindestens zehn Tote bei Protesten - Präsident Ruhani räumt Mängel ein 

Im Iran werden die Proteste immer heftiger. Nach Angaben des Staatsfernsehens wurden bereits mindestens zehn Menschen getötet. Präsident Ruhani zeigt Verständnis für die Demonstrationen und räumt nun auch Mängel im politischen System ein.
Iran: Mindestens zehn Tote bei Protesten - Präsident Ruhani räumt Mängel ein Quelle: Reuters © Stephanie Keith

Die Proteste im Iran eskalieren weiter. Bis Montag sind nach Angaben des Staatsfernsehens mindestens zehn Demonstranten ums Leben gekommen. Sie starben bei Protesten im Zentral-, West und Südwestiran. Zwei weitere Menschen - ein alter Mann und ein Kleinkind - kamen bei einem Unfall während der Proteste im westiranischen Dorud um.

Nach Angaben des Staatsfernsehens griffen in mehreren Städten angeblich bewaffnete Demonstranten staatliche Einrichtungen an. Angriffe auf Polizeiwachen sowie Militärkasernen seien jedoch von Polizei und Sicherheitskräften vereitelt worden, berichtete das Staatsfernsehen, ohne genaue Details anzugeben.

Am Montag fand im Parlament in der Hauptstadt Teheran eine Krisensitzung statt, an der Präsident Hassan Ruhani und Mitglieder der Sicherheitskommission teilnahmen. Ruhani sagte in der Sitzung, es wäre ein Fehler, die Proteste nur als ausländische Verschwörung einzustufen. "Auch sind die Probleme der Menschen nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern sie fordern auch mehr Freiheiten", sagte der Präsident. Er kritisierte damit indirekt die konservativen Kräfte, die die Umsetzung seiner politischen und kulturellen Reformen blockieren.

"Aber die Regierung hat nicht alles unter ihrer Kontrolle", sagte Ruhani, der als Präsident bei vielen strategischen Belangen nicht immer das letzte Wort hat und sich dem konservativen Klerus beugen muss. Seiner Meinung nach sollten die Proteste daher nicht als Gefahr, sondern als Chance angesehen werden.

Auch in seiner ersten Reaktion am Sonntagabend war Ruhani auf die Kritiker und Demonstranten zugegangen. Er bezeichnete in einer Rede Proteste als ihr legitimes Recht, warnte aber zugleich vor Ausschreitungen, die die Sicherheit des Landes gefährden könnten. Wie zuvor sein Innenminister rief auch Ruhani die Regimekritiker dazu auf, Proteste über legale Kanäle zu beantragen.

Dann würde es nach seinen Worten auch nicht zu gewalttätigen Ausschreitungen und Polizeieinsätzen kommen. Ruhani kritisierte auch die sogenannten Hardliner, denen die Regierung eine Mitschuld an den Protesten gibt. Im Iran kämpfen Reformer und Konservative seit langem um die Führung des Landes.  

Seit Donnerstag ist es in mehreren Städten im Iran zu heftigen Protesten gekommen. Die Kundgebungen richteten sich zunächst gegen die Wirtschafts- und Außenpolitik der Regierung, wurden aber zunehmend systemkritisch. Am Samstag griffen die Proteste auch auf die Hauptstadt Teheran über.

Die Proteste gingen nach Angaben iranischer Medien und Berichten in sozialen Netzwerke trotz des Ruhani-Appells weiter. Auch in der Nacht zum Montag protestierten in Teheran und weiteren Städten wieder Tausende gegen das islamische Regime. Nach Augenzeugenberichten griff die Polizei in verschiedenen Teilen Teherans mit Wasserwerfern und Tränengas ein, um die Proteste aufzulösen. Die Proteste sollten auch am Montagabend fortgesetzt werden.

Ein iranischer Abgeordneter sprach von zwei Demonstranten, die in der Nacht zum Montag in der Stadt Iseh im Südwestiran getötet worden seien. Es habe auch Verletzte und Festnahmen gegeben, sagte Hodschatollah Chademi der Nachrichtenagentur Ilna. Bei einigen der Festgenommenen seien auch Waffen, Munition und Sprengstoff entdeckt worden. Nach unbestätigten Berichten in sozialen Netzwerken soll Iseh kurzfristig sogar von Regimegegnern besetzt gewesen sein. 

Ruhanis Vorschlag, Demonstrationen zu beantragen, wurden in den sozialen Netzwerken als Rhetorik zurückgewiesen. Das Innenministerium würde nach Meinung vieler Iraner niemals Anträge auf Protestversammlungen genehmigen, die nur ansatzweise Kritik am Establishment üben würden. 

Am Montagmorgen funktionierte das Internet im Iran zunächst wieder normal. Da die iranischen Medien über die Proteste selbst kaum berichten, werden viele Berichte und Videos über soziale Netzwerke und unseriöse Nachrichtenportale verbreitet. Eine neutrale Verifizierung der Ereignisse ist daher fast unmöglich. Berichten in diesen Netzwerken zufolge wurden landesweit zwischen 100 und 800 Demonstranten festgenommen. 

Ruhani äußerte sich in seiner Rede am Sonntagabend auch kritisch zu den Tweets von US-Präsident Donald Trump über die Demonstrationen. Jemand, "der von Kopf bis Fuß" gegen den Iran sei, sollte nun nicht den Besorgten vorheucheln, sagte Ruhani.

Trump twitterte am Sonntagmorgen (Ortszeit), die Menschen im Iran hätten endlich begriffen, "wie ihr Geld und ihr Wohlstand zugunsten von Terrorismus gestohlen und vergeudet wird. Wie es aussieht, werden sie es nicht länger hinnehmen". In einer Stellungnahme betonte die US-Regierung in der Silvesternacht das Recht des iranischen Volkes auf friedliche Meinungsäußerung.  

Die Bundesregierung verfolgt die Berichte über die Demonstrationen im Iran sehr aufmerksam, wie das Auswärtige Amt am Sonntag auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. "Wir rufen die Regierung von Präsident Ruhani auf, die Rechte der Protestierenden zu achten und besonnen zu handeln. Gleichzeitig appellieren wir an alle Beteiligten, ihre Anliegen friedlich zum Ausdruck zu bringen", betonte das Außenamt.

(rt deutsch/dpa)

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