"Zwiespalt überwinden, Dialog fördern" – Iran bringt Gründung einer Westasien-Union ins Gespräch
Der Vizepräsident für strategische Angelegenheiten der Islamischen Republik Iran, Mohammed Dschawad Zarif, schlägt eine umfassende Umgestaltung des Nahen Ostens vor. Zu diesem Zweck ist es seiner Meinung nach notwendig, die Vereinigung für den muslimischen Dialog in Westasien (MWADA) zu gründen. Zarif betont, dass der Name treffend ist: "Mwada" bedeutet auf Arabisch "Freundschaft". Diese Ideen veröffentlichte Zarif in einem Programm-Artikel in der britischen Zeitschrift The Economist am Montag.
Die Initiative sollte die "islamischen Kern-Länder der Region" umfassen: Bahrain, Ägypten, Iran, den Irak, Jordanien, Kuwait, den Libanon, Oman, Katar, Saudi-Arabien, das künftige Syrien, die Türkei, die VAE und Jemen. Die Aktivitäten der MWADA "müssen auf den erhabenen Werten unserer gemeinsamen Religion, dem Islam, sowie auf den Grundsätzen der Souveränität, der territorialen Integrität, der Nichteinmischung und der kollektiven Sicherheit beruhen".
Eine der wichtigsten Prioritäten, so Zarif, sei die sofortige Herbeiführung eines nachhaltigen und dauerhaften Waffenstillstands im Gazastreifen, im Libanon, in Syrien und im Jemen. Ein Nichtangriffspakt zwischen den MWADA-Staaten in Verbindung mit einer kollektiven regionalen Überwachung werde dazu beitragen, die Stabilität zu gewährleisten und die Region vor Einmischung von außen sowie vor internen Konflikten zu schützen, so der Autor weiter. Neben der kollektiven Sicherheit sollte sich die Struktur auch mit der wirtschaftlichen Entwicklung, der Infrastruktur, dem Schutz von Minderheitenrechten und so weiter befassen.
Das vorgeschlagene regionale Projekt ähnelt im Wesentlichen anderen Integrationsprojekten wie etwa der EU oder EAWU. Die MWADA würde einen fruchtbaren Boden für Infrastrukturprojekte bieten, vom Verkehr bis zu Energiepipelines und Telekommunikationsnetzen, betont der Autor. Diese erleichterten nicht nur den Warenverkehr, sondern auch den Austausch von Energie, Informationen und Dienstleistungen. "Wir in Westasien sollten begreifen, dass Unabhängigkeit mit dem Anteil eines Landes an der globalen Wertschöpfungskette zusammenhängt", so Zarif.
Zwar wurde die vorgeschlagene Vision als "persönliche Meinung" des Regierungsbeamten markiert. Doch aufgrund der hohen Position Zarifs im iranischen Machtgefüge als Vizepräsident und seiner achtjährigen Erfahrung als Außenminister im Kabinett von Ex-Präsident Hassan Rohani kann die Veröffentlichung in einer renommierten internationalen Zeitschrift mit Sitz in London jedoch als ausgestreckte Hand Irans in Richtung Westen und insbesondere in Richtung der USA angesichts des bevorstehenden Kabinettswechsels in Washington gewertet werden.
Davon geht die russische Politanalystin Jelena Panina aus. "Allem Anschein nach bestätigt sich die Prognose über die 'strategische Umgruppierung' Irans im Vorfeld des sogenannten 'Transfers' mit der Absicht, eine gütliche Einigung mit dem 'Großen Satan' – den USA unter Trump – um den Preis einer Reihe von Zugeständnissen zu erreichen", schreibt sie auf ihrem Telegram-Kanal. Sie weist auf eine Anmerkung Zarifs zu Unterstützung Irans der antiisraelischen militanten Organisationen Hamas im Gazastreifen und der Hisbollah im Libanon hin. Zarif schreibt:
"Die weitverbreitete Auffassung, dass Iran seine bewaffnete Stütze in der Region verloren hat, beruht auf der falschen Annahme, dass Iran Stellvertreter-Patron-Beziehungen zu Widerstandskräften unterhält. Der Widerstand hat seine Wurzeln in Israels Besetzung arabischer Gebiete und der Schändung islamischer heiliger Stätten, in Apartheid, Völkermord und ständiger Aggression gegen seine Nachbarn. Er existierte bereits vor der iranischen Revolution von 1979 und wird so lange fortbestehen, wie seine Ursachen fortbestehen. Der Versuch, sie Iran anzulasten, mag einer PR-Kampagne dienen, wird aber jede Lösung behindern."
Panina wertet diese Aussage als endgültige Abkehr der Islamischen Republik von der Politik der "Achse des Widerstands", der die Ermordung des Anführers der iranischen Revolutionsgarden, General Qassem Soleimani, durch einen US-Drohnenangriff bei Bagdad im Januar 2020 ein schwerer Schlag versetzt wurde. Die Ermordung erfolgte nach einem persönlichen Befehl des damaligen und nun wiedergewählten US-Präsidenten Donald Trump.
Der Gedanke, die islamischen Länder des Nahen Ostens in einem einzigen Block zu konsolidieren, sei keine schlechte Idee, insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Versuche mächtiger externer Kräfte, die Region zu destabilisieren, so die Analystin. "Aber Iran selbst ist nicht der größte Akteur in dieser Partei (seine Verbündeten im Stich zu lassen, wird ihm sicherlich nicht zugutekommen), und es braucht Zeit, um seine Initiative in etwas Konkretes zu verwandeln. Und die hat Teheran möglicherweise nicht."
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