Der iranische Angriff auf Israel war erfolgreicher, als es scheint – und dafür gibt es einen Grund
Von Abbas Juma
In der Nacht zum 14. April lancierten Iran und seine Verbündeten in der Region eine Reihe von Angriffen mit Marschflugkörpern und Kamikaze-Drohnen auf israelisches Territorium. Diese Angriffe kamen indes nicht überraschend. Teheran hatte angekündigt, dass es auf den israelischen Luftangriff auf das iranische Konsulat in Damaskus vom vergangenen 1. April reagieren wird. Beim israelischen Angriff wurden mehrere hochrangige Offiziere der Islamischen Revolutionsgarden getötet, darunter zwei hochrangige Generäle. Der iranische Vergeltungsschlag lief unter dem Namen "Operation wahres Versprechen".
Es gibt immer noch viele Diskussionen darüber, ob der Vergeltungsschlag Irans erfolgreich war. Die meisten Militärexperten sind sich einig, dass am Vorgehen Teherans nichts Ungewöhnliches war, abgesehen davon, dass dies der erste direkte Angriff Irans auf Israel war. Aus technischer Sicht war die iranische Strategie einfach und maßgeschneidert: Iran unterdrückte zunächst die Luftabwehrsysteme des Feindes mit unzähligen billigen Drohnen, gefolgt von Hyperschallraketen, die die Israelis und die sie unterstützenden US-Streitkräfte nicht abfangen konnten. Vor diesem Hintergrund klingen übrigens auch die Aussagen der Ukraine über den Abschuss russischer Kinschal-Hyperschallraketen lächerlich.
Man soll keine voreiligen Schlüsse ziehen
Zahlreiche Experten äußerten sich dem iranischen Angriff skeptisch gegenüber und beeilten sich zu erklären, dass die iranische Vergeltung nicht den Erwartungen entsprochen habe. Angesichts der schablonenhaften Denkweise der meisten Experten ist deren Reaktion kaum überraschend. Ihre Argumentation sehnt sich nach einem Vorgehen wie in einem mit Spezialeffekten vollgestopften Hollywood-Blockbuster, in dem das Ende der Welt und ihre wundersame Erlösung in 120 Minuten abgewickelt wird, inklusive einer Liebesszene in der Mitte des Films. Im wirklichen Leben sehen die Dinge jedoch anders aus.
Wie der chinesische Stratege und Philosoph Sun Tzu bereits in der Antike festhielt, ist es nicht der Gipfel des Könnens, einhundert Schlachten zu schlagen und einhundert Schlachten zu gewinnen. Der beste Weg, einen Kampf zu gewinnen, ist, den Kampf gar nicht erst zu führen. Und genau das ist die Strategie Irans. Der Schlag gegen Israel war weniger eine militärische Reaktion, als vielmehr der Schachzug eines Großmeisters in einer großen Schachpartie. Und die Partie ist noch lange nicht vorbei.
Nach dem Angriff auf das iranische Konsulat in der syrischen Hauptstadt Damaskus fand sich Teheran in einer schwierigen Lage wieder. Es musste auf diesen Angriff auf eine Weise reagieren, die überzeugend wirkt und bestimmte militärische Ziele erreicht, aber nicht den Dritten Weltkrieg auslösen würde. Um dies zu bewerkstelligen, sah Iran sich gezwungen, einen direkten Angriff auf Israel zu lancieren, ohne sich ausschließlich auf seine regionalen Verbündeten verlassen zu müssen – und so handelte Teheran schlussendlich auch.
Obwohl die meisten Raketen und Drohnen tatsächlich von der israelischen Luftabwehr abgeschossen wurden, gelang es nicht wenigen, in den israelischen Luftraum einzudringen und militärische Ziele zu treffen. Der Stabschef der iranischen Streitkräfte, Mohammad Bagheri, verkündete, dass das israelische Informationszentrum an der israelisch-syrischen Grenze und der israelische Luftwaffenstützpunkt Nevatim getroffen worden seien. Und schließlich: Der iranische Vergeltungsschlag hat keinen umfassenden Krieg ausgelöst. All dies ähnelt der Situation im Jahr 2020, als die Iraner als Reaktion auf die Ermordung von General Soleimani US-Stützpunkte im Irak mit Raketen beschossen.
Allerdings ist es noch zu früh, darüber zu spekulieren, ob der iranische Angriff erfolgreich war oder nicht. Die große Frage ist nun, wie Israel darauf reagieren wird.
Was Iran erreicht hat
Es ist wichtig zu betonen, dass der Vergeltungsschlag Irans mehr eine politische als militärische Bedeutung hatte. In diesem Sinne wurde er subtil durchgeführt und war in der Summe ein Erfolg. Offensichtlich wollten die Iraner keinen umfassenden Krieg vom Zaun brechen, an dem sich letztlich die USA beteiligt hätten, obwohl sich Netanjahu genau dies erhoffte. Mit anderen Worten: Israel hat es nicht geschafft, Iran aufs Äußerste zu provozieren.
Es ist zudem bekannt, dass die Islamische Republik über viel potentere Drohnen und Raketen verfügt als über diejenigen, die beim Angriff am 14. April gegen Israel eingesetzt wurden. Allerdings konnten selbst die weniger potenteren Drohnen und Raketen in den israelischen Luftraum eindringen und wirtschaftlichen Schaden anrichten. Israel musste letztlich weitgehend kostspieligere Mittel für den Abschuss der iranischen Raketen und Drohnen einsetzen, als der Iran für diese aufwenden musste.
Teheran hat einmal mehr bewiesen, dass Israel nicht unverwundbar ist und dass ein Angriff möglich ist. Was das Ausmaß des verursachten Schadens betrifft, mit dem nicht wenige Kommentatoren unzufrieden waren, hängt dieser weitgehend von der Art der Raketen und Drohnen ab, die bei einem Angriff eingesetzt werden – und der Iran verfügt über sehr viel militärische Mittel in diesem Bereich.
Schließlich besteht der größte Erfolg Irans darin, dass es ihm gelungen ist, Israel auf die gleiche Weise zu irritieren, wie dies nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober geschehen ist. Israel muss nun seinerseits reagieren. Aber wie? Könnte Israel die regionalen iranischen Verbündeten angreifen? Das ist möglich, aber Israel tut dies ohnehin ständig, ohne dabei bedeutende Ergebnisse zu erzielen. Könnte Israel Ziele im Iran angreifen? Auch das wäre möglich. Aber das würde einen umfassenden regionalen Krieg auslösen, auf den niemand vorbereitet ist – auch nicht die USA.
Schlussfolgerung
Nun ist Israel am Zug, und das Land steht vor der gleichen Herausforderung wie die Islamische Republik nach dem 1. April. Aber wird Israel in der Lage sein, diese Herausforderung genauso effizient zu meistern? Es ist bemerkenswert, dass der Oberbefehlshaber der Islamischen Revolutionsgarden, Hossein Salami, sagte, dass Teheran fortan jederzeit erneut zuschlagen wird, sollte Israel die Interessen Irans oder jener der iranischen Bürger erneut angreifen.
Das ist eine wichtige Botschaft. Im Wesentlichen war der Angriff Irans am 14. April nicht nur ein Vergeltungsschlag, sondern begründete vielmehr eine neue Ordnung. Teheran hat gezeigt, dass es bereit ist, in einer Situation, in der Worte nichts mehr ausrichten können, auf alternative Mittel zurückzugreifen. Iran hat Israel nicht angegriffen, um einen Krieg zu entfesseln, sondern um zu zeigen, was passieren könnte, wenn alle anderen Mittel, Druck auf Israel auszuüben, scheitern.
Somit wurde eine neue Option auf den Weg gebracht, bei dem am Ende Israel seines wichtigsten Vorteils beraubt werden könnte – der absoluten Straflosigkeit, die bis vor Kurzem stets von den USA garantiert wurde.
Aus dem Englischen. Abbas Juma ist ein international tätiger Journalist und politischer Kommentator für den Nahen Osten und für Afrika.
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