Nahost

UN stimmt für Prüfung israelischer Besatzung durch Internationalen Gerichtshof

Die UN-Vollversammlung hat für eine Prüfung der seit dem Jahr 1967 andauernden israelischen Besatzung palästinensischer Gebiete durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gestimmt. Während palästinensische Politiker die Entscheidung des UN-Gremiums begrüßten, kam aus Israel scharfe Kritik.
UN stimmt für Prüfung israelischer Besatzung durch Internationalen GerichtshofQuelle: Gettyimages.ru © Issam Rimawi / Anadolu Agency

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat eine Resolution verabschiedet, mit der ein offizielles Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zu den Folgen der anhaltenden israelischen Besetzung des Westjordanlands und des Gazastreifens gefordert wird. Die am Freitag verabschiedete Resolution wurde von palästinensischen Politikern als erster Schritt zur Rechenschaftspflicht gefeiert. Aus Isreal kam derweil scharfe Kritik.

In der Resolution wird der Internationale Gerichtshof in Den Haag aufgefordert, sich zu den rechtlichen Folgen der andauernden israelischen "Besetzung, Besiedlung und Annexion" der palästinensischen Gebiete zu äußern, "einschließlich der Maßnahmen, die darauf abzielen, die demografische Zusammensetzung, den Charakter und den Status der Heiligen Stadt Jerusalem zu verändern, sowie der Verabschiedung entsprechender diskriminierender Gesetze und Maßnahmen". Das Gericht sollte erläutern, wie sich spezifische israelische politische Maßnahmen und Aktionen "auf den rechtlichen Status der Besetzung auswirken" und die rechtlichen Konsequenzen darlegen, die sich daraus ergeben könnten – nicht nur für Israel, sondern auch für die UN und ihre Mitglieder.

Deutschland und die USA stimmten dagegen – Ukraine blieb der Abstimmung nach einem Telefonat zwischen Netanjahu und Selenskij fern

87 Länder stimmten für und 26 gegen die Entscheidung des UN-Gremiums, 53 enthielten sich. Zu den Staaten, die mit "Nein" votierten, gehörten unter anderem die USA, Israel, das Vereinigte Königreich, Deutschland, Italien und die Demokratische Republik Kongo.

Laut Medienberichten habe Benjamin Netanjahu, der seit Donnerstag wieder das Amt des Ministerpräsidenten ausübt, bei einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij Kiew gebeten, gegen den Vorschlag zu stimmen. Bei einer früheren Abstimmung in einem UN-Ausschuss hatte die Ukraine für die Resolution gestimmt. Laut einem ukrainischen Vertreter votierte Kiew damals dafür, weil Israel sich geweigert hatte, der Ukraine militärische Hilfe zu leisten. Doch am Freitag entschied sich die Ukraine nicht an dem Votum in der Generalversammlung teilzunehmen.

Demnach habe Selenskij beim Telefonat mit Netanjahu das Thema der Lieferung von israelischen Verteidigungssystemen an Kiew zur Sprache gebracht. Israel hatte sich bislang geweigert, Kiew im Konflikt mit Russland Waffen zu liefern. Laut Bericht habe sich der israelische Premier auch bei diesem Telefonat zu nichts verpflichtet, zeigte aber seine Bereitschaft, über das Thema demnächst zu diskutieren. Selenskij soll mit der Antwort nicht zufrieden gewesen sein, weshalb man entschied, dass der ukrainische UN-Botschafter, statt mit einem Nein oder einer Enthaltung zu votieren, der Abstimmung über die Resolution fernbleibe. Wie ein ukrainischer Vertreter gegenüber der Online-Plattform Axios erklärte, wolle Kiew mit diesem Schritt dennoch "den Beziehungen zu Netanjahu eine Chance geben". Dem Bericht zufolge sei die israelische Seite allerdings "enttäuscht" darüber, dass sich Kiew nicht zumindest der Stimme enthalten, sondern beschlossen habe, einfach nicht an der Abstimmung teilzunehmen.

Der israelische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Gilad Erdan, wies die Resolution vom Freitag – und damit "jede Entscheidung eines Rechtsorgans, das sein Mandat von der moralisch bankrotten und politisierten UNO erhält" – als "völlig illegitim" zurück. 

In Israel wurde Anfang der Woche eine rechtsorientierte Koalitionsregierung unter dem dienstältesten Premierminister Benjamin Netanjahu vereidigt. In einer ersten Reaktion auf die Verabschiedung der UN-Resolution sagte Netanjahu am Samstagabend:

"Wie Hunderte von anderen verqueren Resolutionen der UN-Vollversammlung gegen Israel wird auch die heutige Resolution die israelische Regierung nicht verpflichten. Das jüdische Volk hält sein Land nicht besetzt und besetzt auch nicht seine ewige Hauptstadt Jerusalem."

Der neue israelische Außenminister Eli Cohen sprach von einer "antiisraelischen Entscheidung, die Terrororganisationen und der antisemitischen Boykottbewegung BDS Unterstützung gewährt".

Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtaje sprach dagegen von einem "neuen Sieg des palästinensischen Volkes und seiner gerechten Sache auf dem Weg zu Freiheit und nationaler Unabhängigkeit." 

Die Urteile des IGH sollen zwar verbindlich sein, aber da es keinen Durchsetzungsmechanismus gibt, ist es unwahrscheinlich, dass sich etwas ändert, selbst wenn das Urteil gegen Tel Aviv ausfällt. Im Jahr 2004 hatte der Internationale Gerichtshof entschieden, dass die "Sicherheitsmauer", die Israel durch das Westjordanland und Ostjerusalem errichtet hatte, illegal ist und einer de-facto-Annexion palästinensischen Landes gleichkommt. Er forderte den Abriss des Bauwerks und die Zahlung einer Entschädigung an die Palästinenser. Die UN-Generalversammlung verabschiedete sogar eine Resolution, in der Israel aufgefordert wurde, der Entscheidung des IGH nachzukommen. Die Mauer steht noch immer. 

Die UNO und ihre Mitgliedsorganisationen haben in den vergangenen Jahrzehnten Dutzende von Resolutionen verabschiedet, in denen sie die Unrechtmäßigkeit der anhaltenden Besetzung der palästinensischen Gebiete verurteilen. Die Entschließung vom Freitag geht auf einen Bericht der Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats vom Oktober 2022 zurück, in dem angedeutet wurde, dass die israelische Politik möglicherweise den Grad eines Kriegsverbrechens erreicht und die Aufmerksamkeit des IGH erfordert.

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