Informationskrieg: Hat Iran wirklich "15.000 Demonstranten" zum Tode verurteilt?
Eine Analyse von Seyed Alireza Mousavi
In den letzten Tagen wurden die sozialen Medien mit nicht belegbaren Berichten überschwemmt, in denen behauptet wurde, Iran habe mittlerweile – nach den jüngsten Protesten und gewalttätigen Ausschreitungen, die nach dem Tod von Mahsa Amini ausgelöst wurden –, sage und schreibe 15.000 Demonstranten zum Tode verurteilt.
Die selbsternannten Leitmedien in Deutschland haben übereinstimmend im Zuge der hybriden Kriegführung des Westens gegen Iran berichtet, dass 227 Abgeordnete im iranischen Parlament (mit 290 Abgeordneten) dafür gestimmt hätten, 15.000 Menschen der Protestierenden als "Muhāraba" (etwa: Krieger gegen Gott) zu verurteilen. Eine solche Verurteilung ist in Iran mit einer der schwersten Bestrafungen belegt, die das Strafgesetz vorsieht, und dabei handelt sich um de facto um ein Todesurteil.
Diese Behauptungen über die angeblich bevorstehende "Massenhinrichtung" gehen größtenteils auf einen Bericht des im Vereinigten Königreich ansässigen und von Saudi-Arabien finanzierten Satellitensenders Iran International vom 6. November zurück, der sich dabei auf einen von der Mehrheit der iranischen Abgeordneten unterzeichneten Brief an die iranische Justiz bezog.
227 members of the 290-seat Parliament of Iran have called on the Judiciary to issue death sentences for people arrested during the ongoing anti-government protests.https://t.co/iFQsRNZDUjpic.twitter.com/xau922a6ay
— Iran International English (@IranIntl_En) November 6, 2022
In diesem Schreiben forderten 227 von 290 Abgeordneten die iranische Justiz auf, harte Strafen für die an den Unruhen Beteiligten zu erwägen. Dabei ist jedoch einerseits weder die Rede von der Zahl 15.000 der Protestierenden noch von der angeblichen Forderung nach deren Hinrichtung.
Die Abgeordneten des iranischen Parlaments forderten in dem Brief lediglich von allen Staatsbeamten einschließlich der Justiz, so schnell wie möglich, also in kürzester Zeit diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die in Iran wie anderswo bewaffnete IS-Kämpfer das Leben und das Eigentum von Menschen angegriffen hatten. Dabei ist auch anzumerken, dass dieser Brief insbesondere im Kontext des jüngsten IS-Terroranschlags auf eine Pilgerstätte in Iran verfasst worden war. Die westlichen Leitmedien jedoch haben in den letzten Tagen die Bedeutung dieses IS-Terroranschlags in Iran heruntergespielt, wobei bislang nicht einmal irgendein westlicher Spitzenpolitiker diesen Anschlag verurteilte.
Inzwischen haben allerdings einige der betreffenden Medien ihre Fake News zur angeblichen Massenhinrichtung in Iran wieder gelöscht. An der öffentlichen Wahrnehmung über Iran wird das aber kaum etwas ändern, da durch Medien spezielle Bilder aus Iran längst erfolgreich in die Köpfe der Menschen im Westen eingepflanzt wurden.
You probably saw this viral Instagram post claiming that the Iranian government sentenced 15,000 protesters to death.The post got almost 900,000 likes before being taken down for false info but the incident proved how disinformation can be used to manufacture consent for war 1/ pic.twitter.com/pnQKwLafqP
— BreakThrough News (@BTnewsroom) November 15, 2022
Hinzu kommt, dass in Wirklichkeit hat eine solche Anweisung in Teheran nicht stattgefunden hat, denn die Unterzeichnung eines solchen Briefes ist nirgendwo als Verabschiedung eines Gesetzes anzusehen. Außerdem erlässt bekanntlich das iranische Parlament keine Urteile, da nach der iranischen Verfassung die Justiz auch in der Islamischen Republik Iran als eigenständige Gewalt im Staate verankert ist.
Viele westliche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens – darunter auch der kanadische Premierminister Justin Trudeau oder Prominente wie Peter Frampton, Sophie Turner und Viola Davis – haben bereits erfolgreich "Öl ins Feuer gegossen" und verbreiteten schamlos die neuesten Fake News gegen Iran.
Bislang wurde nur ein Iraner in Bezug auf die jüngsten Unruhen in Iran zum Tode verurteilt. Die Justizbehörden erklärten einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA zufolge, ein "Unruhestifter" sei am Sonntag wegen Brandstiftung an einer staatlichen Einrichtung sowie Gefährdung der nationalen Sicherheit zum Tode verurteilt worden.
Mehr zum Thema - "Syrisierung" Irans: Der Beitrag der deutschen Leitmedien zur US-Strategie
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.