Ukraine-Krieg: Warum bietet Israel Vermittlung an?
von Seyed Alireza Mousavi
Eine Meldung am Wochenende hat inmitten des Ukraine-Krieges für die Irritationen gesorgt: Der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett hatte dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij laut der US-Nachrichtenseite Axios zur Kapitulation geraten. Bennett soll Selenskij empfohlen haben, die russischen Friedensbedingungen anzunehmen: "Wenn ich Sie wäre, würde ich an das Leben meiner Leute denken und das Angebot annehmen."
Israel wies die Aussage eines ukrainischen Regierungsvertreters prompt zurück, wonach Ministerpräsident Bennett Kiew dazu gedrängt haben soll, Moskaus Bedingungen für eine Beendigung des Angriffs auf die Ukraine zu akzeptieren. Eine Sprecherin des israelischen Regierungschefs bezeichnete den entsprechenden Bericht als "schlichtweg falsch". Zugleich berichteten mehrere israelische Medien, dass ein hochrangiger ukrainischer Regierungsbeamter die Vermittlungsbemühungen der israelischen Regierung für ineffektiv hält, da diese nur wie ein "Briefkasten" Nachrichten von einer Partei zur anderen weiterleite.
Im Ukraine-Krieg nahm Israel neben der Türkei eine Vermittlerrolle ein. Bennett war am 5. März überraschend zur Vermittlung in der Ukraine-Krise nach Russland gereist, nachdem Israel sich auf Druck der USA in der UN-Vollversammlung bei einer Resolution zum Ukraine-Krieg hinter eine Verurteilung Russlands gestellt hatte. In Moskau sprach Bennett als erster ausländischer Regierungschef seit Beginn des Krieges persönlich mit Wladimir Putin. Nach einem dreistündigen Gespräch mit dem russischen Präsidenten reiste er dann nach Berlin weiter, wo er Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über die Ergebnisse seiner Unterredung mit Putin unterrichtete. Auch mit Selenskij steht er seither in intensivem Austausch. Dieser hatte Bennett als Vermittler vorgeschlagen, da Israel gute Beziehungen sowohl zu Kiew als auch zu Moskau unterhält.
Israel befindet sich in einer Zwickmühle zwischen den USA und Russland. Kurz vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges nahm Tel Aviv davon Abstand, mehrere Batterien des Verteidigungssystems Iron Dome in der Ukraine zu stationieren. Israel befürchtete seinerzeit, dass dieser Schritt seine Beziehungen zu Russland beeinträchtigen könnte.
Der jüdische Staat will seinen wichtigsten Bündnispartner, die USA, nicht verärgern, ist aber zugleich aus den taktischen Gründen vom Wohlwollen Moskaus abhängig, insbesondere in den Konflikten mit Syrien und Iran. Israel versucht, seine Neutralität in der Ukraine-Frage beizubehalten, da das Land seit der russischen Militärintervention auf Wunsch Syriens im Jahre 2015 eine funktionierende Sicherheitskoordination mit Russland pflegt. Dieser zufolge nimmt Israel "Waffenlager der Milizen" in Syrien ins Visier, um Waffentransporte über Syrien an die Hisbollah zu unterbinden. Ohne russische Zustimmung wäre dies laut vielen Nahostexperten nicht möglich. Russland dementiert jedoch offiziell solche Vereinbarung zwischen Moskau und Tel Aviv. Russland forderte kürzlich von Israel die Einstellung der Luftangriffe gegen Syrien. Dennoch ist Tel Aviv auf die Kooperation mit den Russen angewiesen, um abzuwenden, dass sich proiranische Milizen in den syrisch-israelischen Grenzgebiete festsetzen.
Wenn die Lage in der Ukraine sich weiterhin verschläft, wird sich insbesondere Syriens Präsident Baschar al-Assad stärker auf Iran stützen, und damit verbesserten sich die Chancen der iranischen Führung, ihren Einfluss in der Levante weiter auszubauen.
Vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges befürchtete die israelische Regierung, dass die Krise in der Ukraine die US-Aufmerksamkeit von Iran und der Atomfrage ablenkt und den Westen noch weniger in die Lage bringt, starke Positionen bei den Wiener Gesprächen zu vertreten. Nun stehen inmitten des Ukraine-Krieges die Atomverhandlungen in Wien vor dem Abschluss, und die US-Amerikaner kooperieren auf einmal mit den Iranern konstruktiver als sonst, da sie die nach den harten Sanktionen gegen Russland steigenden Ölpreise stabilisieren wollen.
Um die Ölimporte aus Russland zu ersetzen, gehen die USA nun wieder auf Iran zu. Die israelische Zeitung Haaretz kommentierte bereits vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges, dass diese Krise Israel in eine "No-win-Situation" bringt.
Die geopolitische Lage und mögliche Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Nahen Osten sind allerdings nicht so überschaubar, dass sich einfach beurteilen ließe, wer der Gewinner dieses Konfliktes ist. Denn seit der militärischen Offensive Russlands gegen die Ukraine überschlagen sich die Ereignisse, während der Konflikt schon eine globale Dimension annahm. Dennoch ist festzustellen, dass der Ukraine-Krieg die Sicherheitsbedenken Israels massiv beeinflusste.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.