Iran simuliert Angriff auf israelische Atomanlage: Tel Aviv rudert im Streit um Atomdeal zurück
Eine Analyse von Seyed Alireza Mousavi
Erstmals unter dem neuen iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi hat vor etwa drei Wochen in Wien eine neue Runde der Atomverhandlungen begonnen. Israel setzte von Anfang an alles daran, die Atomverhandlungen zu sabotieren, um eine Lockerung der Sanktionen gegen Teheran abzuwenden. Das Land war offiziell bis vor Kurzem offenbar nicht nur gegen die Atomverhandlungen, da Iran damit nach israelischer Darstellung auf Zeit spielt, um eine mögliche "Atombombe" zu erwerben, sondern auch gegen jegliche iranische Nuklearprojekte.
Vergangene Woche ist Tel Aviv bei seiner Strategie zum iranischen Atomprogramm jedoch anscheinend zurückgerudert. Der israelische Außenminister Jair Lapid sagte am Mittwoch in Washington, dass Israel "kein Problem" damit hätte, wenn die USA ein starkes Atomabkommen mit Iran eingingen, das dessen Fähigkeit zum Bau von Atomwaffen dauerhaft einschränken würde. "Wir haben kein Problem mit einem Deal", so Lapid gegenüber den Journalisten. "Ein gutes Geschäft ist eine gute Sache." Mit dieser Einstellung dürfte die israelische Regierung seine harte Position gegen das iranische Atomprogramm revidiert haben, wonach Tel Aviv gegen die Urananreicherung in Iran vorgehen wollte – unabhängig davon, ob große Mächte und Iran eine Atomeinigung erzielten.
Seit der Wiederaufnahme der Atomgespräche in Wien hat Israel permanent mit einem Angriff auf Iran gedroht. Im Zuge des zunehmenden israelischen Säbelrasselns gegen Teheran stellten sich viele Militärexperten die Frage, wie weit Israel – nach seiner Darstellung der Lage – zu gehen bereit wäre, um Teheran aller drohenden Rhetorik zum Trotz mit eigenen Mitteln davon abzuhalten, eine "Atommacht" zu werden.
Israel ist laut Experten nicht in der Lage, einen Angriff durchzuführen, der das iranische Atomprogramm erheblich verzögern oder gar zerstören könnte – "zumindest nicht in absehbarer Zeit". Iran verfügt derzeit über mehrere Nuklearanlagen, wobei einige davon tief unter der Erde aufgebaut wurden. Für israelische Bomben sei es insofern schwer durchzuschlagen und Irans Atomanlagen zu zerstören. Die unterirdischen Anlagen Irans seien nur mit Raketen zu erreichen, die tief in die Erde eindringen, und über solche Raketen verfügten nur die USA.
Im Zuge der israelischen Drohgebärden gegen Atomanlagen in Iran veröffentliche die englischsprachige iranische Tageszeitung Tehran Times kürzlich auf ihrer Titelseite eine Landkarte Israels und der israelisch besetzten Gebiete. Diese war mit Dutzenden Markierungen versehen, die offenbar mögliche Angriffsziele der iranischen Armee darstellten. Die Meldung sorgte in den israelischen Medien für reichlich Aufregung. Neben dem Schaubild findet sich in großen Buchstaben die Überschrift "Just One Wrong Move!" (Nur eine falsche Bewegung).
Teheran würde auf einen israelischen Angriff gegen seine Atomanlagen massiv reagieren, indem es ballistische Raketen und Drohnen auf Israel abfeuern würde. Dieser Krieg würde eine regionale Kampagne der Verbündeten Irans gegen Israel auslösen und auch die Hisbollah mit ihren 150.000 Raketen und vielleicht sogar die Raketenvorräte der Hamas und sowie der Huthi auf den Plan rufen.
Die Iranische Revolutionsgarde feuerte letzte Woche im Rahmen einer Militärübung am Persischen Golf mehrere ballistische Raketen und Kampfdrohnen ab. "Der Unterschied zwischen einem tatsächlichen Einsatz und einer Militärübung besteht lediglich in dem Winkel, in dem die Raketen abgeschossen würden", drohte der Chef der Iranischen Revolutionsgarde, Hossein Salami, in Richtung Israel. Die jüngsten Kriegsspiele sorgten insbesondere für Aufsehen, da Iran einen Angriff auf die israelische Atomanlage Dimona simulierte.
Iran habe "einen Raketen- und Drohnenangriff auf das Nuklearzentrum Dimona mit 16 ballistischen Raketen und fünf Drohnen erfolgreich simuliert", so die der Iranischen Revolutionsgarde nahestehende Nachrichtenagentur Fars News.
— IMA Media • ایما مدیا (@imamedia_org) December 25, 2021
Die Entscheidung Irans, ballistische Langstreckenraketen zu testen sowie eine neue Mehrfach-Drohnen-Startvorrichtung vorzustellen, während das Land Luftangriffe auf die Dimona-Attrappe simulierte, macht deutlich, dass Iran bei möglichen Schlägen gegen Atomanlagen des Landes israelische und von Israel besetzte Gebiete angreifen würde. Bedrohlich für Israel ist dies auch deswegen, da Iran auch die Hisbollah im Libanon mit Drohnen und Tausenden von Raketen ausgerüstet hat. Der neue Einsatz von kleinen Kamikaze-Drohnen mit großer Reichweite in Kombination mit ballistischen Raketen zeigt laut der israelischen Zeitung JPost, dass Teheran bereit sei, bei einem möglichen israelischen Luftschlag gegen Irans Atomanlagen entsprechend zu reagieren. Eine gelungene Zerstörung der Atomanlage Dimona könnte angesichts der geringen Größe Israels allerdings eine Katastrophe auslösen.
Ein israelischer Angriff auf Iran ist offenbar eine unrealistische Option, insbesondere deswegen, weil Tel Aviv mit diesem Schritt nicht sein Ziel erreichen könnte und es damit lediglich die Region in Brand setzen würde. Die achte Runde der Verhandlungen zum Atomdeal mit Iran geht am Montag weiter. Den Diplomaten der internationalen Mächte ist bewusst, dass Diplomatie der beste und realistische Weg zur Lösung der Atomfrage mit Iran ist. Zu den ungelösten Fragen gehören die Abfolge und Überprüfbarkeit der Schritte auf beiden Seiten, um damit die Auflagen des Atomdeals wiederzubeleben.
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