Karin Leukefeld im Interview mit RT: Israel trägt Hauptverantwortung für Unruhe und Kriege in Region

In den letzten Tagen verschärfte sich die Lage im Nahen Osten erneut drastisch. Im Interview mit RT DE bewertet die Nahostexpertin Karin Leukefeld die jüngsten Entwicklungen in der Region und geht der Frage nach, inwieweit die Gefahr vom Ausbruch eines neuen Krieges besteht.

In den letzten Tagen verschärfte sich die Lage im Nahen Osten erneut drastisch. Russland kritisierte die israelischen Luftangriffe vor Kurzem als Verletzung der Souveränität Syriens. Das russische Verteidigungsministerium gab eine Erklärung zu den jüngsten israelischen Angriffen auf Syrien ab, die Hinweise auf eine Verschiebung der Strategie Moskaus hinsichtlich der völkerrechtswidrigen israelischen Angriffe gegen die syrische Souveränität enthielten. Der Drohnenangriff auf einen israelischen Tanker (MT Mercer Street) fachte unlängst den Konflikt zwischen Israel und Iran neu an. Zwei Besatzungsmitglieder sollen dabei getötet worden sein. Israel droht nun Iran mit Krieg, um das Atomprogramm des Landes zu stoppen. Israels Verteidigungsminister Benny Gantz sagte am Donnerstag, das israelische Militär sei bereit, Maßnahmen gegen Iran zu ergreifen. Derweil weiten sich in Afghanistan die Kämpfe zwischen den Taliban und den Regierungskräften weiter aus. Die Zahl der afghanischen Asylbewerber hat in letzter Zeit rasch zugenommen. Erst am Dienstag explodierte eine Autobombe vor dem Haus des Verteidigungsministers in Kabul. Die Taliban übernahmen die Verantwortung für den Angriff. Vor wenigen Tagen trat Ebrahim Raissi sein Amt als neuer Präsident Irans an. Obwohl Raissi in seiner Amtsantrittsrede signalisierte, dass er die Gespräche über die Wiederherstellung des Atomabkommens von 2015 mit den Weltmächten fortsetzen werde, betonte er, dass die neue Regierung die Zukunft des Landes nicht an den Westen binden wolle. 

Im Interview mit RT DE bewertet die Nahostexpertin Karin Leukefeld die jüngsten Entwicklungen in der Region und geht der Frage nach, inwieweit die Gefahr vom Ausbruch eines neuen Krieges im Nahen Osten besteht. 

Russland kritisierte die israelischen Luftangriffe vor Kurzem erneut als Verletzung der Souveränität Syriens. Moskau hat bereits begonnen, die syrische Luftverteidigung deutlich zu verbessern, um israelische Angriffe auf syrischem Territorium abzufangen. Russland soll laut Asharq Al-Awsat nun sogar "grünes Licht" aus Washington bekommen haben, um israelische Luftangriffe abzuwehren. Wie schätzen Sie die zukünftige Beziehung zwischen Russland und der neuen israelischen Regierung ein? Ist Russland dabei, eine neue Strategie im Nahen Osten einzugehen, um Syrien vor israelischer Aggression zu schützen?

Es ist schwer, zukünftige Entwicklungen im Mittleren Osten vorauszusagen, speziell was Israel und seine arabischen Nachbarn betrifft. Innerhalb eines Augenblicks kann sich dort alles jederzeit ändern. Als Korrespondentin in der Region seit vielen Jahren sehe ich die Hauptverantwortung für Unruhen und Kriege in der Region bei Israel und dessen Weigerung, die Rechte der Palästinenser und der arabischen Nachbarstaaten anzuerkennen. Der einzige israelische Staatschef, der wenigstens bereit war, Frieden zu schließen, ich meine Jitzchak Rabin, wurde 1995 von einem Israeli ermordet. Heute hat Israel sich weit von einer auf Frieden ausgerichteten Politik entfernt, sowohl innen- als auch außenpolitisch.

Die neue israelische Regierung ist unerfahren und nicht stabil, wenn man sich die verschiedenen Interessen der Koalitionspartner ansieht. Sie wurde gewählt, weil man Benjamin Netanjahu nicht mehr wollte und nicht, weil man von Bennett oder Gantz politisch überzeugt war.

Die Regierung Netanjahu war eine "One-Man-Show". Er hat die Außenpolitik bestimmt, auch den Kontakt mit dem Kreml, mit Präsident Putin. Das war ihm besonders wichtig hinsichtlich der Situation in Syrien, wo die libanesische Hisbollah mit Iran und Russland verbündet an der Seite der syrischen Armee kämpfte. Netanjahu versuchte Russland für seine Interessen gegen Iran, gegen die Hisbollah, gegen Syrien einzuspannen. Das führte auch zu gefährlichen Wendungen, wie man 2018 sehen konnte.

Damals schoss die syrische Luftabwehr versehentlich ein russisches Aufklärungsflugzeug ab, das sich im Landeanflug auf den Flughafen Hmeimin bei Latakia befand. Die ganze Mannschaft, 15 russische Soldaten, starb. Die syrische Luftabwehr hatte auf israelische Kampfjets gezielt, die einen Angriff auf Latakia flogen und das russische Flugzeug quasi als Schutzschild benutzt hatten. Der russische Verteidigungsminister Schoigu bezeichnete damals das Verhalten der israelischen Luftwaffe als "unverantwortlich" und machte Israel für den Abschuss verantwortlich. Ich erwähne das auch, weil es zeigt, dass Israel selbst gegenüber Partnern nicht unbedingt zuverlässig ist, wenn es seine Interessen verfolgt. Es dauerte, bis der Kreml wieder bereit war, mit Netanjahu zu reden. Und Russland rüstete die syrische Luftabwehr auf.

Das geschah, obwohl 2017 zwischen Israel und Russland ein Kommunikationskanal aufgebaut worden war – ähnlich wie der Kommunikationskanal zwischen Russland und den USA seit 2016 –, um genau solche Ereignisse zu vermeiden. Israel sollte Russland vor Angriffen in Syrien informieren, bei dem besagten Fall in Latakia hatte Israel eine (!) Minute vor dem Abschuss informiert.

Wird also die neue israelische Regierung diesen Kommunikationskanal aufrechterhalten? Und wenn ja, wie und wer wird dort Gesprächspartner Russlands, was werden die Konditionen sein? Die Bennett-Regierung muss sich außenpolitisch erst aufstellen. Das gilt für ihre Beziehungen zu den USA, Europa, China usw. In Syrien steht Tel Aviv heute einem anderen Russland gegenüber als die Netanjahu-Regierung. Syrien – und damit auch Präsident Assad – wurden mit russisch-iranischer Unterstützung, einschließlich der Hisbollah, bedeutend stabilisiert. Das war möglich, weil Russland in der Region des Mittleren Ostens an Einfluss gewonnen hat. Es hat sich als zuverlässiger Partner für die Region bewiesen, das wird auch Israel zu spüren bekommen.

Die neue Stärke Russlands hat auch damit zu tun, dass die USA sich künftig mehr auf China fokussieren wollen und dadurch der Spielraum für Russland im Mittleren Osten größer wird. Ob dabei Washington "grünes Licht" gegeben hat, um israelische Luftangriffe auf Syrien aktiv abzuwehren, ist eine Spekulation, die nicht nur bei Asharq al Awsat zum Geschäft gehört. Ich halte es übrigens auch für Gerede von Netanjahu, dass Putin Israel "Aktionsfreiheit in Syrien gewährt" habe.

Russland hat eine klare Diplomatie. Es hat immer wieder gefordert, dass Israel seine Angriffe gegen Syrien einstellen müsse. Sergei Lawrow, der russische Außenminister, hat wiederholt darauf hingewiesen, dass Israel sich an Russland wenden solle, wenn es sich durch etwas in Syrien in seiner nationalen Sicherheit gefährdet sehe. Dass Israel dennoch selber und immer wieder seit Jahren Syrien bombardiert hat, bedeutet, Israel hat die USA hinter sich. Ob das so bleibt, wird sich zeigen. Russland ist an Verständigung interessiert und es ist sehr wahrscheinlich, dass Moskau auch mit Washington an einer Verständigung über Syrien arbeitet. Nach dem Biden-Putin-Gipfel in Genf wurden bilaterale Arbeitsgruppen eingerichtet, dort wird sicherlich Klartext geredet.

Militärisch allerdings ist Moskau außerordentlich zurückhaltend, wenn es einen Interessenkonflikt mit denjenigen hat, die die bewaffneten Aufständischen in Syrien unterstützen. Zu sehen ist das in Idlib, wo die russische Luftwaffe die Syrer im Kampf gegen Hai'at Tahrir asch-Scham unterstützt, aber die Türkei, die hinter HTS steht, ausspart. Zu sehen ist das im Nordosten Syriens, wo Russland auch Dschihadisten angreift, aber die Türkei, die dahinter steht, nicht. Und Russland greift auch IS-Gruppen im Osten Syriens an, die von der US-Basis Al Tanf losziehen, aber nicht die US-Basis. Die Türkei, die USA und die US-geführte sogenannte "Anti-IS-Allianz" sind letztlich NATO oder – wie Israel und die arabischen Golfstaaten – NATO-Verbündete. Diese Konfrontation versucht Russland diplomatisch auszufechten, nicht militärisch.

In Afghanistan weiten sich die Kämpfe zwischen den Taliban und den Regierungskräften aus. Nun drohen sogar die großen Städte an die Taliban zu fallen. Inzwischen nahm offenbar die Bundesregierung insgeheim Beziehungen mit den Taliban in Doha auf. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage in Afghanistan im Zuge des Abzugs der US-Truppen aus dem Land ein?

Der Abzug der US- und NATO-geführten Truppen in Afghanistan war gewünscht, allerdings nicht auf diese Art und Weise. Das Land war nicht vorbereitet, und bei den Friedensgesprächen in Doha wird die Regierung von Aschraf Ghani gegenüber den Taliban durch den US-Truppenabzug deutlich geschwächt.

Die militärische Offensive der Taliban spricht für sich. Sie kontrollieren weite Teile des Landes und bereiten sich auf die Übernahme von Kandahar (Süden), Herat und Laschkar Gah vor. Das sind strategisch und wirtschaftlich wichtige Orte. Heute wurde auch bekannt, dass der Regierungs- und Präsidentensprecher Dawa Khan Menapal in Kabul ermordet wurde. Die Taliban haben die Verantwortung übernommen. Sie fühlen sich sehr sicher, sie haben ihn auf offener Straße erschossen. Man kann es fast als Antwort auf eine Erklärung der EU-Kommission interpretieren. Die hatte gestern den Taliban Kriegsverbrechen vorgeworfen und strafrechtliche Verfolgung gefordert. Die EC-Erklärung war eine Reaktion darauf, dass die Taliban in Kabul das Haus des Verteidigungsministers mit einer Autobombe angegriffen haben.

Der UN-Sicherheitsrat hat am Freitag eine Sitzung zur Lage in Afghanistan einberufen. Und ja, die Bundesregierung hat mittlerweile bestätigt, schon in der vergangenen Woche mit den Taliban in Doha gesprochen zu haben. Vertraulich habe man über Sicherheit für ehemalige afghanische Ortskräfte der Bundeswehr verhandelt, hieß es. Die Taliban hätten Schutz zugesagt, aber man glaube nicht so recht daran.

Was wir sehen, ist ein chaotischer Abzug nach katastrophalen zwei Jahrzehnten, in denen mindestens 250.000 Menschen getötet wurden. Das Land ist materiell und wirtschaftlich zerstört, die Politik korrupt, die Taliban scheinen stärker als zuvor. Nicht zuletzt, weil sie in dem reichen Golfemirat Katar einflussreiche Unterstützer gefunden haben. Der Abzug macht mehr als deutlich, dass die USA ihre eigenen Interessen über alle anderen stellen. Afghanistan war nur ein "Spielball", um in der Region Zentralasiens präsent zu sein.

Die Bevölkerung und jede wie auch immer geartete Regierung wird auf internationale Finanzhilfen und humanitäre Hilfe angewiesen sein. Ein solches Klima schafft neue Möglichkeiten für Korruption und für zivil-militärische Intervention, nicht aber für Wohlstand, Entwicklung und Sicherheit der Bevölkerung. Die Afghanen werden Hilfsempfänger bleiben, viele werden versuchen zu fliehen.

Für die Nachbarstaaten bedeutet die Destabilisierung Afghanistans Probleme. Das Land ist von Tadschikistan, Turkmenistan, Iran und Pakistan umgeben. Auch mit China gibt es ein kurzes Stück Grenze. Die zentralasiatischen Staaten sind politisch und militärisch schwach, was wiederum für das angrenzende Russland ein Problem werden kann. Aktuell finden gemeinsame Militärmanöver mit Russland statt, das die Entwicklung in Afghanistan sehr ernst nimmt. Dabei geht es vor allem darum, dass Russland Dschihadisten, die durch Zentralasien kommen könnten, den Weg abschneiden will.

Russland und China sind mit den Taliban schon länger im Gespräch und bezeichnen sie als "politische Kraft" in Afghanistan, die man ernst nehmen müsse. Die Taliban wiederum haben erklärt, nur an Afghanistan, nicht aber an Expansion interessiert zu sein. Die Geschichte lehrt allerdings, dass Religion und Ideologie vor Grenzen nicht Halt machen.

Die Folgen für die Region dürfte ein bewusstes Kalkül der USA gewesen sein. Ein destabilisiertes, islamistisches Afghanistan wird die beiden Hauptkontrahenten der USA, Russland und China, auf Jahre hin beschäftigen. Zudem könnte das chinesische Projekt der "Neuen Seidenstraße" gestört werden. Derweil ziehen die US-Truppen, wie auch deren Verbündete, zu einer neuen Front im Südchinesischen Meer. Dort haben die USA sich mit Staaten der Region zu einer Partnerschaftsinitiative "Mekong Delta" zusammengetan.

Der jüngste Drohnenangriff auf einen israelischen Tanker (MT Mercer Street) facht den Konflikt zwischen Israel und Iran neu an. Zwei Besatzungsmitglieder sollen dabei getötet worden sein. Die Attacke soll eine Antwort auf jüngste israelische Luftangriffe auf Ziele in Syrien gewesen sein, berichtet Al Alam. Inwieweit ist die Gefahr eines Kriegsausbruchs zwischen Iran und Israel möglich?

Was Al Alam berichtet, ist schwer zu verifizieren. Iran spricht von psychologischer Kriegsführung des Westens. Israel hat sofort behauptet, Iran habe den Tanker angegriffen, rasch folgten Erklärungen der USA, Großbritanniens usw., es könnte sich tatsächlich aber auch um eine "Operation unter falscher Flagge" gehandelt haben. Das ist ein Angriff, von dem behauptet wird, er sei von Iran verübt worden, vielleicht sogar, um israelische Angriffe in Syrien zu vergelten. Tatsächlich aber könnte die Angreifer-Drohne von staatlichen oder privaten Militärs im Auftrag eines anderen Landes gesteuert worden sein. Wer überprüft das? Und welcher Staat, welche Organisation, die überprüft hat und weiß, wie es wirklich war, würde es öffentlich sagen?

Weder Israel noch Iran haben Interesse an einem Krieg, der für alle verheerend wäre. Dennoch führt Israel mit US-Unterstützung einen Schattenkrieg gegen Iran. Das ist möglicherweise auch eine Entscheidung jenseits von israelischen Regierungen, diesen Schattenkrieg billigen die USA und auch europäische Staaten. Israel will die Atomgespräche mit Iran in Wien torpedieren. Es will verhindern, dass die USA wieder in das Abkommen eintreten. Die anderen Akteure wollen den Iran unter Druck setzen, damit zusätzliche Forderungen von Iran erfüllt werden. Israel erscheint mir hier also Akteur und gleichzeitig Beauftragter zu sein.

Innenpolitisch muss die Regierung Stärke zeigen, weil es die wackelige Koalition zusammenhalten muss. Außenpolitisch muss Israel die "iranische Gefahr" aufbauschen, um weiterhin von den USA und Europa militärisch und wirtschaftlich unterstützt zu werden.

Aktuell sehen wir eine Eskalation zwischen der israelischen Armee und Libanon. Auch hier findet de facto ein Krieg gegen Iran statt. Die libanesische Hisbollah wird von Iran unterstützt. Vordergründig ging es jetzt um Raketen, die aus dem Libanon auf Israel gefeuert worden waren. Israel schickte Kampfjets, die Bombenanschläge in der Nähe von Ar-Raschidiya verübten, einem palästinensischen Flüchtlingslager bei Tyros. Nun hat die Hisbollah zurückgeschossen, allerdings auf freie Fläche der Schebaa-Farmen, die Israel besetzt hält. Israel hat daraufhin wieder den Südlibanon angegriffen. Im Hintergrund haben wir auch hier den Schattenkrieg gegen Iran, wobei es den westlichen Akteuren auch um den Libanon geht. Man will dort eine Regierung durchsetzen, die sich dem IWF-Mandat, also einer umfassenden Privatisierungsstrategie des Westens unterwirft. Die EU hat sogar Sanktionen gegen libanesische Politiker beschlossen, die sich dem widersetzen. So soll der Einfluss Iran, also auch die Hisbollah, zurückgedrängt werden.

Ist ein Krieg zwischen Iran und Israel möglich? Ja, denn das Spiel mit dem Feuer ist gefährlich und die hohe Dichte von Militär im östlichen Mittelmeer, im Persischen Golf und in und um Syrien birgt große Gefahr.

In der Außenpolitik des ehemaligen iranischen Präsident Rohani, der dem reformistischen Lager nahesteht, spielte das Atomabkommen 2015 eine zentrale Rolle. Seit dem US-Ausstieg aus dem Atomdeal im Jahr 2018 führte dieser Kurs zu langwierigen Verhandlungen mit den westlichen Staaten über die Aufhebung der Sanktionen. Welche Änderungen in der iranischen Außenpolitik unter dem konservativen Präsidenten Ebrahim Raissi sind in den nächsten vier Jahren zu erwarten?

Die Möglichkeiten eines Präsidenten in Iran sind nicht sehr groß. Er untersteht dem religiösen Oberhaupt, dem Obersten Führer, der die Regierung auflösen und auch den Präsidenten entlassen kann. Der Präsident wird für vier Jahre gewählt und kann nicht mehr als zwei Mal gewählt werden.

Ebrahim Raissi hat erklärt, dass die Priorität seiner Außenpolitik die Verbesserung der Beziehungen zu den Staaten der Region sei. Er hat versprochen, "jeden diplomatischen Plan zu unterstützen", der das Ziel habe, die westlichen Wirtschaftssanktionen aufzuheben. Nur so kann Iran die Wirtschaftskrise und die hohe Inflation überwinden. Gleichzeitig hat er gesagt, er wolle die Zukunft Irans "nicht an den Westen binden".

Seit der Islamischen Revolution 1978/79 stand die Außenpolitik Irans unter dem Motto "Nicht Ost, nicht West", im Mittelpunkt stand die iranische Unabhängigkeit. Das hat sich geändert. Iran hat sich in den letzten Jahren politisch und wirtschaftlich deutlich nach Osten ausgerichtet. Kooperation mit Russland nicht nur in Syrien und das Abkommen mit China über wirtschaftliche Zusammenarbeit für 25 Jahre sind dafür deutliche Zeichen. Raissi wird das sicherlich nicht ändern.

Er hat bei seiner Amtseinführung klar gesagt, dass seine Regierung die Verhandlungen über das Atomabkommen fortsetzen werde. Es bleibt abzuwarten, wer damit beauftragt wird und wie die Regierung aussieht, die Raissi bilden wird.

Die Ankündigung, die Beziehungen in der Region zu verbessern, ist wichtig und deutet darauf hin, dass Raissi die Friedensinitiative der vorherigen Regierung für die Golfregion aufgreifen will. Seinen Worten zufolge hat er verstanden, dass nicht nur Iran, sondern die gesamte Region Erholung, Frieden, Wiederaufbau braucht. Im Mittelpunkt steht sicherlich die Frage, ob – und wenn ja – wie die Gespräche zwischen Iran und Saudi-Arabien fortgesetzt werden können. Die Zusammenarbeit mit der libanesischen Hisbollah, den Volksmobilisierungseinheiten im Irak oder den Huthis im Jemen unterliegt nicht seiner Verantwortung, das gehört zum Aufgabenbereich der Revolutionsgarde.

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