Russischer Botschafter in Israel: "Das Problem in der Region sind nicht die iranischen Aktivitäten"

Laut dem russischen Botschafter Anatoli Viktorow destabilisiert Israel den Nahen Osten mehr als Iran. "Israel greift die Hisbollah an, die Hisbollah greift Israel nicht an", so Viktorow. Nun hat das israelische Außenministerium den Botschafter zu einem Gespräch vorgeladen.

Israel destabilisiere den Nahen Osten mehr als Iran, sagte der russische Botschafter in Israel, Anatoli Viktorow, der israelischen Zeitung Jerusalem Post am Dienstag. "Das Problem in der Region sind nicht die iranischen Aktivitäten", so Viktorow weiter. Der russische Botschafter sagte, Israels Nichteinhaltung der UN-Resolutionen in Bezug auf den israelisch-arabischen und israelisch-palästinensischen Konflikt sei ein größeres Problem für den Nahen Osten als die iranischen Aktivitäten.

Auf die Frage, ob der "relativ begrenzte Umfang des israelischen Konflikts mit den Palästinensern" die Region mehr destabilisiert als Iran durch dessen Stellvertreter im Nahen Osten – wie die Huthi im Jemen und die Hisbollah im Libanon – habe sich der Botschafter sehr zurückhaltend bei der Erwähnung der iranischen Finanzierung dieser Gruppen gezeigt, hieß es in der Jerusalem Post. "Israel greift die Hisbollah an, die Hisbollah greift Israel nicht an", fügte der russische Botschafter hinzu und verwies auf Israels Rolle bei der Tötung von Iranern, Hisbollah-Funktionären und der Bombardierung von Waffenkonvois in Syrien. 

Der Botschafter sagte, Israel dürfe "die Gebiete souveräner UN-Mitglieder nicht angreifen". Die Frage, ob dies eine Änderung der Position sei, weil Israel Russland vorab informiere, bevor es iranische Ziele in der Nähe der syrisch-israelischen Grenze angreife, verneinte Viktorow, weil es sich dabei in erster Linie um die Sicherheit des russischen Militärs in Syrien handele:

"Es gibt keine Möglichkeit, dass wir israelische Angriffe auf syrischem Boden billigen, nicht in der Vergangenheit und auch nicht in der Zukunft."

Mit Blick auf die jüngsten Berichte der Internationalen Atomenergiebehörde, wonach Iran weitere Zentrifugen entwickelt habe und sich schrittweise von seinen Verpflichtungen aus dem Atomabkommen 2015 zurückziehe, erklärte der russische Botschafter, dass der erste Schritt leider von den amerikanischen Kollegen unternommen worden sei, indem sie aus dem Atomabkommen austraten. Der Ausstieg der USA aus dem Atomdeal habe der iranischen Seite erlaubt, einige Schritte zu unternehmen, die nicht in voller Übereinstimmung mit dem Abkommen stünden, was ebenfalls bedauerlich sei.

Auf die Frage, ob Russland Waffen an Iran verkaufen würde, nachdem das UN-Waffenembargo Anfang des Jahres aufgehoben worden war, entgegnete der Botschafter:

"Iran ist ein souveräner Staat, warum nicht? Ich kenne keine konkreten Pläne, es geht ja um Verhandlungen."

Viktorow betonte, Russland unterstütze das Abraham-Abkommen, wonach Israel diplomatische Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und dem Sudan aufgenommen habe. "Jeder Schritt in Richtung Normalisierung der Beziehungen ist eine positive Entwicklung." Israel solle dennoch die "berechtigten Bedenken" aller Seiten berücksichtigen und keine Allianzen und Blöcke gegen andere schmieden. Damit spielt Viktorow auf die Partnerschaft Israels mit den Golfstaaten unter dem Deckmantel der Normalisierung der diplomatischen Beziehungen an. 

"Wir sind der festen Überzeugung, dass die palästinensische Frage nicht beiseitegeschoben werden sollte. Die Normalisierung sollte keine palästinensisch-israelische Siedlung ersetzen", sagte der russische Botschafter in Tel Aviv.

Russlands Angebot an Israel und die Palästinenser, direkte Verhandlungen in Moskau zu führen, stehe nach wie vor, ebenso wie der Vorschlag, eine internationale Konferenz zu diesem Thema abzuhalten, fügte der Botschafter hinzu. 

Die Strategie des US-Präsidenten Donald Trump zielte darauf ab, "Friedensgespräche" zwischen Israel und den arabischen Staaten anzukurbeln, ohne zuvor erst die Palästina-Frage zu lösen. Der russische Außenminister Sergei Lawrow hatte bereits auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem irakischen Amtskollegen erklärt, dass die Normalisierung der Beziehungen zwischen einzelnen arabischen Staaten und Israel – selbst angesichts ihrer positiven Bedeutung – keinesfalls eine gerechte Lösung der palästinensischen Frage ersetzen solle.

Nach der Veröffentlichung des Interviews in der Jerusalem Post lud das israelische Außenministerium den Botschafter von Russland am Mittwoch zu einem Gespräch vor, da Viktorow die Rolle Israels in der Region kritisiert und die iranische Bedrohung runtergespielt habe. 

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