Taliban-Offensive in Nordafghanistan: Russland sichert Tadschikistan Unterstützung zu

Die Taliban überrennen Gebiete in Nordafghanistan. Tadschikistan verstärkt mittlerweile die Truppen an der Grenze zu Afghanistan. Die 201. Militärbasis Russlands in Tadschikistan ist in Bereitschaft versetzt worden, um dem Land bei Bedarf Hilfe zu leisten.

Der Vormarsch der Taliban in Nordafghanistan gewann seit Tagen an Fahrt, als mehrere Bezirke reibungslos und ohne Widerstand der afghanischen Streitkräfte eingenommen wurden. Vor der Offensive der Taliban sollen mittlerweile insgesamt mehr als 1.000 afghanische Soldaten und Offiziere ins benachbarte Tadschikistan geflohen sein. Bis Montag hätten allein aus der afghanischen Provinz Badachschan mehr als 300 afghanische Militärangehörige die Grenze überquert, als Taliban-Kämpfer in Richtung Grenze vorrückten, teilte Tadschikistans Staatskomitee für nationale Sicherheit in einer Erklärung am Montag mit.

Die Taliban hatten in den letzten Tagen Bezirk für Bezirk die Gebiete in der nordöstlichen Provinz Badachschan überrannt, ohne wirklich auf Widerstand der afghanischen Armee zu stoßen. Die Truppen fliehen entweder vor den Gefechten oder ergeben sich den Taliban kampflos. Mohib-ul Rahman, ein Mitglied des Provinzrates, machte für die Erfolge der Taliban die schlechte Moral der Truppen verantwortlich, die meist zahlenmäßig unterlegen seien und keinen Nachschub erhielten, berichtet AP. "Leider wurde der Großteil der Bezirke kampflos den Taliban überlassen", fügte Rahman hinzu. Hunderte afghanische Armee-, Polizei- und Geheimdiensttruppen sollen ihre militärischen Außenposten aufgegeben haben und nach Faizabad geflohen sein, in die Provinzhauptstadt Badachschans.

Die von den Taliban kontrollierten Gebiete im Norden verlaufen entlang der afghanischen Grenze zu den zentralasiatischen Staaten. Im vergangenen Monat übernahmen die Taliban die Kontrolle über Imam Sahib, eine Stadt in der Provinz Kundus, die nicht weit entfernt ist von der Grenze zu Usbekistan. Mit der Kontrolle dieser Stadt erlangten die Taliban die Kontrolle über eine wichtige Handelsroute. Die Taliban-Kämpfer, die auch bereits fünf von neun Bezirken der belagerten Provinz Kundus kontrollieren, sind dabei, die strategisch wichtige Provinzhauptstadt Kundus in Nordafghanistan einzunehmen. Mittlerweile kontrollieren sie rund ein Drittel aller 421 Bezirke und Bezirkszentren in Afghanistan.

Die Taliban-Offensive in Nordafghanistan ist von besonderer Bedeutung, da dieser Teil des Landes die traditionelle Hochburg der mit den USA verbündeten Kämpfer ist und Schauplatz der ersten weitreichenden Verluste der Taliban im Jahr 2001 war.

Ein Taliban-Sprecher sagte vor Kurzem der BBC, dass die Eroberung der Hauptstadt "keine Taliban-Politik" sei, deutete jedoch an, dass sich dies ändern könnte, sollten ausländische Streitkräfte – einschließlich militärischer Auftragnehmer – nach Abschluss des Abzugs weiterhin in Afghanistan verbleiben. Die Warnung wurde ausgesprochen, nachdem das Pentagon signalisiert hatte, dass bis zu 1.000 US-Soldaten in der Hauptstadt bleiben werden, um die US-Botschaft zu bewachen und den Flughafen von Kabul zu schützen.

Tadschikistan verstärkt mittlerweile die Truppen an den Grenzen zu Afghanistan. Die vom tadschikischen Präsidenten Emomalij Rahmon angeordnete Verstärkung der Truppenpräsenz an den Grenzen zu Afghanistan erfolgte, nachdem mehr und mehr afghanische Soldaten und Offiziere ins benachbarte Tadschikistan geflohen waren. In einer Erklärung der tadschikischen Regierung am Montag heißt es, Rahmon habe die Mobilisierung von 20.000 Militärreservisten angeordnet, um die Grenze zu Afghanistan zu sichern.

Die Konsulate der Türkei und Russlands in Masar-e Sharif, der Hauptstadt der nördlichen Provinz Balch und der viertgrößten Stadt Afghanistans, sind Berichten zufolge mittlerweile geschlossen. Iran teilte auch mit, die Aktivitäten im Konsulat in der Stadt seien eingeschränkt worden.

Die USA gaben am Freitag bekannt, dass sie ihren größten Militärflugplatz vollständig geräumt haben: "Die USA verließen den Luftwaffenstützpunkt Bagram nach der 20-jährigen Präsenz, indem sie einfach den Strom abgeschaltet haben und mitten in der Nacht abgehauen sind, ohne den neuen afghanischen Kommandeur der Basis zu informieren, der den Abzug der US-Amerikaner zwei Stunden nach ihrer Abreise mitbekommen hat", beschwerten sich laut AP afghanische Militärbeamte.

Russlands Militärstützpunkt in Tadschikistan sei voll ausgerüstet, um den zentralasiatischen Staat bei der Bewältigung der Situation an seiner Grenze zu Afghanistan zu unterstützen, sagte der stellvertretende Außenminister Andrei Rudenko in seiner Antwort auf eine Frage der Nachrichtenagentur TASS am Dienstag. Die 201. Militärbasis ist die wichtigste russische Militäreinrichtung in Tadschikistan.

"Alles wird davon abhängen, wie sich die Lage in Nordafghanistan entwickelt. Soweit wir wissen, sind die Spannungen recht hoch, weil die Taliban nach einigen Berichten 70 Prozent der Grenze kontrollieren. Wie Sie wissen, haben wir den 201. Militärstützpunkt in Tadschikistan, der voll ausgerüstet ist, um dem Land bei Bedarf Hilfe zu leisten."

Der russische Präsident Wladimir Putin habe die Lage an der tadschikisch-afghanischen Grenze mit seinem tadschikischen Amtskollegen Rahmon besprochen, teilte der Kreml am Montag mit. Putin bekräftigte die Bereitschaft Moskaus, Tadschikistan die notwendige Unterstützung zu gewähren.

Die USA waren vor etwa 20 Jahren in Afghanistan einmarschiert, um die Taliban zu bekämpfen und den Afghanen "Demokratie" zu bringen. Nun bleibt den USA nichts anderes übrig, als die Entscheidung zum Abzug umzusetzen – und das, obwohl sie keines ihrer Ziele erreicht haben.

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