Hochrangige NATO-Beamte: Ausländische Soldaten bleiben in Afghanistan
Internationale Truppen sollen über die im US-Abkommen mit den Taliban vorgesehene Mai-Frist hinaus in Afghanistan bleiben, berichtete Reuters unter Berufung auf vier hochrangige NATO-Beamte. Dieser Schritt könnte allerdings die Spannungen mit den Taliban verschärfen, die einen vollständigen Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan fordern.
"Bis Ende April wird es keinen vollständigen Rückzug der Verbündeten geben", sagte einer der NATO-Funktionäre Reuters. Die Bedingungen seien nicht erfüllt worden, und mit der neuen US-Regierung werde es womöglich Kursänderungen geben, wobei man mit einer weithin erwarteten "Ausstiegsstrategie" rechne. Die Friedensgespräche zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban begannen im September in Doha, aber die Lage spitzt sich seither weiterhin zu.
"Kein NATO-Verbündeter möchte länger als nötig in Afghanistan bleiben, aber wir sind uns bewusst, dass unsere Präsenz weiterhin auf Bedingungen basiert", sagte NATO-Sprecherin Oana Lungescu.
Die Taliban zeigten sich in den letzten Wochen zunehmend besorgt, dass Washington einige Aspekte des Abkommens ändern und Truppen über die Mai-Frist hinaus im Land halten wolle, sagten zwei Taliban-Quellen Reuters.
"Wir haben unsere Befürchtungen übermittelt, aber sie haben uns versichert, sich an die Bedingungen des Doha-Abkommen zu halten. Was in Afghanistan vor Ort vor sich geht, zeigt jedoch etwas anderes. Deshalb haben wir beschlossen, unsere Delegationen zu entsenden, um unsere Verbündeten darüber zu unterrichten", sagte ein Taliban-Führer in Doha.
Eine Taliban-Delegation besuchte mittlerweile vor Kurzem den Iran und Russland, und die Taliban teilten mit, ihre Delegation werde zudem China kontaktieren.
Die neue US-Regierung warf kürzlich den Taliban vor, gegen das im Februar 2020 geschlossene Friedensabkommen mit den Vereinigten Staaten zu verstoßen. Die Gruppierung halte sich nicht an die Verpflichtungen, ihre Gewaltakte zu reduzieren und ihre Verbindungen zum Extremistennetzwerk Al-Qaida zu kappen, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby.
Die Taliban verpflichteten sich seinerzeit zu direkten Gesprächen mit der Regierung in Kabul. Im Gegenzug sagte die Regierung des früheren Präsidenten Donald Trump einen vollständigen Truppenabzug bis Mai 2021 zu. Die Verhandlungen zwischen den Taliban und der international anerkannten Regierung in Kabul verliefen bislang allerdings ergebnislos. Nahezu täglich gibt es Angriffe der Aufständischen auf die staatlichen Sicherheitskräfte. Vor Kurzem gab der neue US-Außenminister Antony Blinken bekannt, dass der Afghanistan-Sondergesandte der Vorgängerregierung, Zalmay Khalilzad, seinen Posten behält. "Wir haben ihn gebeten, seine wichtige Arbeit fortzusetzen", sagte Blinken.
Die USA waren seinerzeit angeblich in Afghanistan einmarschiert, um die Taliban zu bekämpfen und den Afghanen "Demokratie und einen säkularen Staat" zu bringen. Die Regierung des vorherigen Präsidenten Trump nahm jedoch Verhandlungen mit den Taliban auf und unterzeichnete Anfang letzten Jahres ein Abkommen mit der aufständischen Gruppe, in dem der Abzug aller ausländischen Truppen bis Mai gefordert wurde. Der US-Präsident begrüßte seinerzeit das Abkommen – die afghanische Regierung faktisch nicht einschloss – als "das Ende von zwei Jahrzehnten Krieg". Trump hatte die US-Truppen bis auf 2.500 Mann reduziert, also die geringste Zahl seit 2001, bevor er Mitte Januar sein Amt niederlegte.
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