Nahost

Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate: Gegen wen richtet sich das neue Bündnis?

In einem "historischen Schritt" haben sich Israel und die Emirate auf die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen geeinigt. Im Mittelpunkt der Annäherung stehen die neuen politischen Entwicklungen im Nahen Osten. Es stellt sich die Frage, gegen wen sich der Pakt in erster Linie richtet.
Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate: Gegen wen richtet sich das neue Bündnis?Quelle: Reuters

Unter Vermittlung der USA haben sich Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) auf ein Friedensabkommen geeinigt. Berichten zufolge pflegten die beiden Staaten jedoch längst heimlich Kontakte. Aus dem arabischen Raum unterhält Israel bislang nur Beziehungen zu seinen Nachbarn Jordanien und Ägypten. Während seiner Europareise nahm US-Außenminister Mike Pompeo Stellung zu dem Abkommen und bezeichnete es als "bemerkenswerte Leistung".

Im Gegenzug für die Annäherung setzt Israel einer gemeinsamen Erklärung zufolge seine umstrittenen Annexionspläne im Westjordanland aus. Die Erklärung wurde jedoch unterschiedlich wahrgenommen. Israel werde dafür im Gegenzug bestimmte Ansprüche auf von Palästinensern bewohnte Gebiete im Westjordanland aufgeben, hieß es in einer von US-Präsident Trump verbreiteten Mitteilung und auch vonseiten der Regierung in Abu Dhabi. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betonte hingegen, dass die Pläne nicht grundsätzlich vom Tisch seien. Man habe sie auf Bitten des amerikanischen Präsidenten lediglich aufgeschoben. Mit anderen Worten heißt das, dass die Annexionspläne bloß suspendiert worden sind. Sowohl bei israelischen Siedlern als auch bei der Palästinenserführung stieß das Abkommen auf Kritik. Die Palästinenser verurteilten es als aggressives Vorgehen gegen das palästinensische Volk und beriefen ihren Botschafter aus den Emiraten ab.

Iran hat die angekündigte Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten verurteilt. Es handele sich um eine "strategische Dummheit", die "die Achse des Widerstands in der Region" nur stärken könne, erklärte das Außenministerium in Teheran am Freitag. Ebenfalls scharf kritisierte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Ländern. "Ich habe meinen Außenminister beauftragt und gesagt, dass wir die diplomatischen Beziehungen mit der Führung in Abu Dhabi einfrieren oder auch den Botschafter abziehen könnten", sagte Erdoğan am Freitag in Istanbul.

Im Mittelpunkt der Annäherung zwischen Israel und den Golfstaaten stehen nach wie vor die neuen politischen Entwicklungen im Nahen Osten. Die USA haben es sich zum Ziel gemacht, die Machtverhältnisse im Nahen Osten zu verschieben. Insofern stellt sich die Frage, gegen wen sich dieser Pakt in erster Linie richtet. Die Golfstaaten und Israel arbeiten seit Langem bei der Bekämpfung des iranischen Einflusses zusammen. Iran hat seit der US-amerikanischen Intervention im Nachbarstaat Irak im Jahr 2003 einen geopolitischen Aufstieg vollzogen. Seitdem das Atomabkommen mit Iran aufgrund des einseitigen US-Ausstiegs auf der Kippe steht, verstärkt sich zudem die eurasische Orientierung der iranischen Innen- und Außenpolitik. Iran und China sind dabei, eine strategische Partnerschaft zu unterzeichnen, wonach die Chinesen 400 Milliarden Dollar in die Erdöl- und Gasindustrie sowie weitere Infrastrukturprojekte investieren wollen. Mit diesem Pakt kann Iran die US-Sanktionen umgehen. Auch China könnte dadurch seinen Einfluss im Persischen Golf stärken und die traditionelle Führungsmacht USA in der Region herausfordern.

Das als "Abraham-Abkommen" bezeichnete Friedensabkommen richtet sich unter anderem gegen die Türkei – und zwar gegen die wachsende Allianz zwischen der Türkei und Katar. Seit dem Arabischen Frühling 2011 haben sich im sunnitischen Raum zwei tiefe Gräben gebildet: zwischen Staaten – angeführt von Saudi-Arabien und Ägypten –, die nach einer konservativen, aber gleichzeitig säkularen politischen Ordnung streben, und den Staaten, die eine revolutionäre Ideologie der Muslimbrüder unterstützen. Hierbei handelt es sich in erster Linie um die Türkei und Katar. Erdoğan war seinerzeit im Zuge des Arabischen Frühlings dabei, seinen Einfluss in der islamisch-sunnitischen Welt zu erweitern. Mursi kam 2012 als erster frei gewählter Präsident in Ägypten an die Macht und wurde nach Massenprotesten im Juli 2013 vom Militär gestürzt. Er gehörte den islamistischen Muslimbrüdern an, die gute Kontakte zur Türkei pflegen.

Der Streit zwischen den Muslimbrüdern um die Türkei und Katar und der Achse der ultrakonservativen sunnitischen Regionalmächte um Saudi-Arabien und Ägypten hat seit dem Bürgerkrieg in Libyen eine neue Dimension erreicht. Während die Türkei in diesem Konflikt die von den Vereinten Nationen anerkannte Regierung von Fayiz as-Sarradsch in Tripolis unterstützt, stehen Ägypten, Saudi-Arabien und die Emirate auf der Seite des libyschen Generals Chalifa Haftar. In diesem Konflikt geht es der Türkei nicht nur um Machtfragen, sondern auch um Rohstoffe. Erdoğan vereinbarte mit Libyens Regierungschef as-Sarradsch nicht nur eine militärische Zusammenarbeit, sondern unterzeichnete außerdem ein Abkommen über Seegrenzen im Mittelmeer. In diesem Kontext ist auch der Streit um Gasvorkommen zwischen Griechenland und der Türkei im Mittelmeer zu erwähnen. In einem schon lange schwelenden Streit um Erdgasvorkommen unter dem Meeresboden hatte sich Frankreich im Januar der Allianz gegen die Türkei angeschlossen. Im Mai kamen auch die VAE hinzu. Dies zeigt, dass eine geheime Allianz gegen die Machterweiterung der Türkei in der Region bereits vorhanden war, in die die Emirate und Israel auch involviert sind.

Bezüglich Erdoğans Stellungnahme zu diesem Pakt ist des Weiteren zu erwähnen, dass er im Grunde Doppelstandards in der türkischen Außenpolitik verfolgt. Während der türkische Präsident die Israelis scharf kritisierte und sich als Verteidiger der Muslime inszenierte, pflegt er seit Jahren wirtschaftliche Beziehungen zu Israel. Gegenüber der Deutschen Welle (DW) beschrieb Hatice Karahan im Jahr 2017 die wirtschaftlichen Beziehungen mit Israel als eine "Win-win-Situation" für beide Länder. Karahan war in Wirtschaftsfragen die Chefberaterin von Erdoğan. Die Verhandlungen zwischen der Türkei und Israel über den Bau einer Erdgaspipeline wurden im Jahr 2017 auch durch den Ex-Energieminister der Türkei, den Schwiegersohn von Erdoğan, geführt.

Der Außenminister der VAE, bin Zayid Al Nahyan, betonte jedoch, dass es bei der Normalisierung der Beziehungen zu Israel nicht darum geht, Iran entgegenzutreten. Tatsache ist aber, dass die Golfstaaten und Israel seit Jahren Iran als eine Bedrohung empfinden. Iran ist die einzige Regionalmacht, die sich nicht der US-Führungsmacht in der Region beugt und derzeit einen Kurswechsel in der Politik in Richtung Eurasien fährt. Insofern kann das Abraham-Abkommen als eine neue geopolitische Front bezeichnet werden, die gegen Iran eröffnet worden ist. Obwohl Erdoğan keine klare Linie in seiner Außenpolitik verfolgt, geht sein Land seit dem Bürgerkrieg in Libyen auf Konfrontationskurs gegen die Saudis und Ägypten, der eigentlich auch Israel aufgrund der Mittelmeergebiete direkt betrifft. 

Die Vereinigten Arabischen Emirate mögen glauben, dass sie durch das Friedensabkommen die weitere Annexion palästinensischer Gebiete gestoppt haben, Netanjahus Annexionspläne standen allerdings ohnehin bereits auf der Kippe. Die Pläne Israels, Teile des Westjordanlands zu annektieren, stießen bei der EU und den UN bereits auf Kritik. Die Emirate informierten die Palästinenser lange Zeit nicht über ihre geheime Sicherheitskooperation mit Israel, und zwar die Normalisierung der Beziehungen zu Israel, heißt es auf Al Jazeera. Insofern fühlen sich die palästinensischen Funktionäre sowohl in Gaza als auch im Westjordanland nach der Verkündung des Deals im Stich gelassen – insbesondere da die Annexionspläne nur vorübergehend gestoppt worden sind. Das Abkommen ist für Israel gewissermaßen auch nur ein Prestigeerfolg. Seine Isolation in der arabischen Welt ist auf der politischen Ebene zwar teilweise durchbrochen, doch das heißt nicht, dass das Abkommen in den Golfstaaten auch von allen Seiten gutgeheißen wird.

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Anmerkung der Redaktion: Die ursprüngliche Überschrift des Artikels lautete "Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate: Gegen wen richtet sich das Friedensabkommen?". Um Missverständnisse zu vermeiden wurde die Überschrift am 20. August um 9:25 Uhr umgewandelt in "Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate: Gegen wen richtet sich das neue Bündnis?".

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