Asien

Tragikomödie der Abe-Administration: Wer füttert den Reißwolf im japanischen Kirschblütenskandal?

Der Skandal um den japanischen Premier Shinzo Abe geht in die zweite Runde. Dem Regierungschef wird im Zusammenhang mit der Planung einer jährlich ausgetragenen Kirschblütenschau Vetternwirtschaft vorgeworfen. Der Sachverhalt selbst nimmt immer skurrilere Ausmaße an. 
Tragikomödie der Abe-Administration: Wer füttert den Reißwolf im japanischen Kirschblütenskandal?Quelle: AFP © Kazuhiro NOGI

von Marko Klaić

Schönheit und Vergänglichkeit stehen im Fokus der altbegangenen japanischen Tradition der Kirschblütenschau. Sitzend unter Kirschbäumen auf meist blauen Bodenplanen, die zu dieser Jahreszeit in jedem herkömmlichen 100-Yen-Store erhältlich sind, versammeln sich Familienangehörige, Arbeitskollegen und Freunde, um mit selbstgemachten Köstlichkeiten die Sakura zu bewundern und damit den Frühling zu begehen. Sake und Bier dürfen bei diesen Festivitäten natürlich auch nicht fehlen. Doch trotz ausgelassener Stimmung findet unter Japanern, wie dies hierzulande meist der Fall ist, keinerlei Diskurs zu aktuell politischen Themen statt. Dies könnte sich jedoch mit den zunehmenden Anschuldigungen gegen Premierminister Abe im sogenannten Kirschblütenskandal ändern.

Die japanische Regierung lädt seit 1952 jährlich zu einer großangelegten Kirschblütenschau ein. Geladen sind jene, die sich auf den Gebieten Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport oder in der Unterhaltungsbranche einen Namen gemacht haben. In diesem Jahr jedoch gerät die Veranstaltung zunehmend in die Kritik, da der Premier der Vetternwirtschaft bezichtigt wird. Die Opposition beklagt, dass durch das Abhandenkommen der für Bürokratie und Regierung relevanten Gästeliste nicht überprüft werden kann, ob diejenigen, die dem Kirschblütenfest beiwohnten, nach den vorgeschriebenen Auswahlkriterien oder von Premier und Kabinett nach eigenem Ermessen ausgesucht wurden. Dem Premier wird ebenfalls vorgeworfen, bei einem Dinner-Empfang, der am selben Abend ausgetragen wurde wie das diesjährige Kirschblütenfest, die Teilnahmegebühren für seine Unterstützer subventioniert zu haben, was einen Verstoß gegen das japanische Wahlrecht und dem Gesetz zur Kontrolle politischer Fonds bedeuten würde.

Tomoko Tamura, Senatsabgeordnete der Kommunistischen Partei Japans, weckte mit ihrer Anfrage zu den geplanten Budgeterhöhungen für die Kirschblütenfeier im kommenden Jahr überregionales Medieninteresse. So soll Abes Liberaldemokratische Partei (LDP) eine Erhöhung von 55 Millionen Yen (rund 455.000 Euro) auf 57 Millionen Yen (470.000 Euro) gefordert haben. Die Opposition zeigte sich skeptisch, zumal die Kosten für die jährliche Veranstaltung unter Abes Administration unverhältnismäßige Ausmaße angenommen hatten. Weitere Anfragen ließen nicht lange auf sich warten, darunter auch, wer zu dem Kirschblütenfest geladen war und weshalb.

Unter medialem und politischem Druck gab der Premierminister zu, die Auswahl von 1.000 Gästen, die an der Veranstaltung teilgenommen hatten, selbst bestimmt zu haben. Des Weiteren haben der stellvertretende Premierminister, der Chefkabinettssekretär und weitere Abgeordnete der LDP ebenfalls rund 1.000 Kandidaten ihre Empfehlung ausgesprochen. Der Regierungspartei selbst wurde die Auswahl von 6.000 Gästen gewährt sowie weitere 6.000, die auf Empfehlung anderer Ministerien zu der Veranstaltung geladen wurden. Akie, die Frau des Premiers, soll ebenfalls ihre Empfehlung ausgesprochen haben, war jedoch nicht – so Chefkabinettssekretär Suga – am Auswahlprozess selbst beteiligt gewesen.

Am 9. Mai dieses Jahres forderte Toru Miyamoto, Unterhausabgeordneter der Kommunistischen Partei, Einblick in die Gästeliste erhalten zu dürfen. Regierungsbeamte gaben später zu, am Tag, an dem Miyamoto die Anfrage stellte, mithilfe eines Aktenvernichters von industrieller Größenordnung (die Nakabayashi NSC-7510 Mark IV) die Gästeliste vernichtet zu haben. Der Aktenvernichter, über dessen Existenz die Opposition nicht informiert war, kann nach gemachter Reservierung durch eine Anmeldeliste benutzt werden. Als die Opposition diese jedoch anfragte, um den ominösen Reißwolf in Augenschein zu nehmen, wurde ihnen erwidert, dass diese momentan nicht verfügbar sei. Vergangene Woche versuchten daraufhin einige Abgeordnete der Opposition, Zugang zu dem Aktenvernichter zu erhalten. Nachdem ihnen dies anfänglich verwehrt worden war, konnten sie ihn am Folgetag begutachten. Die Größenordnung war sowohl für die Opposition als auch für lokale Medien von großem Interesse. So soll der gigantische Schredder fähig sein, unter einer Minute rund 1.000 Seiten sowie 550 Kilogramm an Dokumenten innerhalb einer Stunde zu vernichten.

"Es scheint ein wiederkehrendes Muster des Manipulierens und Zerstörens von Dokumenten zu sein, um unbequeme Fakten zu verbergen," äußerte sich Koichi Nakano, Professor für Politikwissenschaften an der Sophia-Universität, zu den neuen Details in dem Skandal. Richtlinien für den Umgang mit öffentlichen Dokumenten besagen, dass Unterlagen erst nach Ablauf einer Jahresfrist vernichtet werden dürfen. Dies wurde 1999 ebenfalls mit dem Gesetz über den Zugang von Informationen von Verwaltungsorganen festgelegt.

Regierungsbeamte können dennoch, nach eigener Entscheidung, Dokumente vernichten, sollte es von ihnen als notwendig erachtet werden. Opposition und Medien kritisierten, dass dieses intransparente Schema die Korruption fördere, da Regierungsmitglieder Druck auf Beamte ausüben oder diese für ihren "Dienst" mit Gefälligkeiten belohnen könnten.

"Jedes Mal, wenn ein Skandal an die Oberfläche gelangt, ist die Entschuldigung der Bürokraten, dass alle relevanten Dokumente 'verworfen' oder 'nicht auffindbar' sind. Vielleicht müssen sie gerade das sagen, um in der Abe-Administration zu überleben," schrieb die nach links lehnende Asahi Shimbun in einem Leitartikel zu dem Skandal.

Weitere Details zu dem Skandal um Premier Abe sind in den kommenden Wochen zu erwarten. Abe positionierte sich bisher nicht zu den neuen Anschuldigungen sowie zu den Strukturen der Verwaltungsebene ihm unterstehender Ministerien und Behörden. Die Anschuldigungen der Opposition veranlassten ihn jedoch, die im kommenden Jahr geplante Kirschblütenschau abzusagen.

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