Interview: USA verfolgen Einkreisungspolitik gegen Chinas neue Seemacht
von Ali Özkök
Lokman Karadag ist Politikwissenschaftler, der sich auf die chinesische Außenpolitik und Entwicklungen im asiatisch-pazifischen Raum spezialisiert hat. Er forscht an der Internationalen Islamischen Universität von Malaysia in Kuala Lumpur.
Die USA wissen, dass es kaum möglich ist, China auf dem Landweg zu bekämpfen. Wie planen die USA, gegen die Bewegungen Chinas im Indo-Pazifik-Raum vorzugehen?
Der effektivste Weg, einen aufstrebenden globalen Rivalen wie China zu stoppen, wird darin bestehen, dass die USA diesen Rivalen über regionale Verbündete an seinen Grenzen und auf seinem Territorium belagern. Die USA verfolgen eine Einkreisungsstrategie.
Die Vereinigten Staaten planen, über das Prinzip der Freiheit der Schifffahrt im Südchinesischen Meer Chinas Versorgung und Verbindungen in Übersee sofort blocken zu können, sollte es zum Krieg kommen. Durch diese Allianzen und Strategien wollen die USA China in Übersee und damit auf ihrem Gebiet zu Land einschränken.
Unter den Ländern, wie wir bisher festgestellt haben, ist Taiwan das Land, bei dem China die höchste Reaktion aufweist. Der Hauptgrund für diese Reaktion ist, dass China Taiwan als integralen Bestandteil des Festlandes betrachtet. In jüngster Zeit stand aufgrund der laufenden Handelsgespräche zwischen den USA und China auch die Einstellung des Verkaufs von F-16-Jets an Taiwan auf der Tagesordnung, um zum Abbau der Spannungen zwischen den USA und China beizutragen.
Wie reagiert Peking auf diese Politik der Einkreisung?
Trotz aller Entwicklungen in der Region setzt China seine globalen Projekte fort. Die Neue Seidenstraße kann als Antwort Chinas auf die US-geführten Allianzaktivitäten gegen Peking verstanden werden. Peking stärkt deshalb auch seinen Einfluss in Lateinamerika, hilft Venezuela und entsendet Truppen dorthin, entwickelt eigene wirtschaftsstrategische Allianzen mit dem europäischen Kontinent, dem wichtigsten Verbündeten der Vereinigten Staaten.
In Afghanistan laufen seit Monaten Friedensverhandlungen mit den Taliban. Welche geopolitischen Möglichkeiten könnte dies im Hinblick auf das Seidenstraßen-Projekt bieten?
Afghanistan hat eine sehr hohe strategische Bedeutung für die Belt and Road Initiative, die Asien, den Nahen Osten und Europa miteinander verbinden wird. Mehr als 40 Jahre Krieg in Afghanistan stellen die vielen Projekte Chinas jedoch vor ernsthafte Sicherheitsbedrohungen in dieser Region. 60 Milliarden US-Dollar an chinesischen Investitionen in Pakistan sind diesen Sicherheitsrisiken ausgesetzt. Um seine Interessen zu schützen, muss China auch ein Abkommen mit den Taliban abschließen, das einer Konfliktlösung für ganz Afghanistan gleich kommen würde. Die Stabilität der Taliban-Frage ist auch in Hinblick auf die Bedingungen, die sich auf die Innenpolitik Chinas, wie die Uiguren-Region Xinjiang, auswirken können, sehr wichtig.
Welche Rolle spielt Russland, das sowohl an Europa als auch an China grenzt, bei den Plänen Pekings, seine Seidenstraße nach Europa zu erweitern?
Unter der Leitung von Xi Jinping und Wladimir Putin wurden Anstrengungen unternommen, um die Zusammenarbeit zwischen der von Russland geführten eurasischen Wirtschaftsunion und der chinesischen Belt and Road Initiative zu koordinieren. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass viele handelsbezogene Abkommen zwischen den beiden Ländern nicht vollständig erfolgreich waren. Die Koordination zwischen der EAEU und der Seidenstraßen-Initiative trägt allerdings dazu bei, geopolitische Unsicherheiten zwischen den zwei asiatischen Großmächten auszugleichen.
Eins muss bemerkt werden, China hat keinen wirtschaftlichen Bedarf an gemeinsamen Infrastrukturarbeiten mit Russland für die Wiederherstellung von Straßen und Eisenbahnen, die sich über zentralasiatische Länder wie Kasachstan und Usbekistan nach Europa erstrecken werden. Die Volksrepublik verfügt über die wirtschaftliche Kapazität, um dies ganz allein zu tun.
Neben der Tatsache, dass sich Russland und China in der Opposition zur globalen Hegemonie der USA wiederfinden, kann Russland den Chinesen helfen, aktiver im Mittelmeer-Raum, in Zentralasien und der Arktisroute zu werden. Russland bringt viel Erfahrung mit und könnte seine Land- und Meeresbasen einsetzen, um Investitionen auch abzuschirmen.
Auch die Türkei sieht sich neben Russland und jetzt Italien als Sprungbrett nach Europa und will vom Seidenstraßen-Handel profitieren. Welchen Platz nimmt die Verbindung zur Türkei in den Plänen Pekings ein?
Der wichtigste und strategischste Teil der Bemühungen Chinas, Asien und Europa mit der Belt and Road Initiative zu verbinden, scheint die Beseitigung der historischen strategischen Brückenrolle der Türkei zu sein, die sowohl mit Asien und dem europäischen Kontinent verbunden ist. China hat mit Israel einen Vertrag auf 25 Jahre für den Betrieb des Hafens von Haifa abgeschlossen – dem drittgrößten Hafen Israels. Sie unterzeichnete auch einen Vertrag über den Bau eines 876 Millionen US-Dollar teuren Hafens in Ashdod an der israelischen Mittelmeerküste. Auch der griechische Hafen Piräus vor den Toren der Türkei erlebt mit chinesischen Investitionen eine neue Belebung. Die Häfen von Genua und Triest haben Peking nun mit Europa verbunden. Darüber hinaus verbindet China jetzt auch Asien und Europa über Portugal. In Zukunft soll eine Verbindung über die Arktis hinzukommen. Das führt dazu, dass Peking heute unabhängig von der Türkei ihren Handel organisieren kann.
Das Riesenprojekt Chinas revitalisiert einige der geopolitisch wichtigen Regionen und eliminiert gleichzeitig die geopolitische Bedeutung einiger anderer Regionen. China hat verschiedene Wege von der Land- zur Seefahrt entdeckt, um auf den europäischen Kontinent zu gelangen, ohne auf die Türkei angewiesen zu sein. Darüber hinaus erhalten viele Häfen mit chinesischen Investitionen in der unmittelbaren Nähe der Türkei wieder geopolitische Bedeutung.
Außerdem zeigt die Schließung des chinesischen Konsulats von Izmir im Anschluss an die jüngsten Erklärungen des Außenministers der Türkei zur Uigurenfrage, dass die Beziehungen zwischen China und der Türkei noch nicht das erforderliche Maß an Stabilität erreicht haben, um Wirtschaftsbeziehungen zu verbessern.
Vielen Dank für das Gespräch!
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